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Volkskrankheit Nummer EinsDie wichtigsten Fragen und Antworten zu Rückenschmerzen

Lesezeit 4 Minuten
Rückenschmerzen

Nicht wegen jedem kleinen Ziehen im Rücken zum Arzt, rät Experte Kladny.

Köln – Rückenschmerz ist in Deutschland eine der Volkskrankheiten Nummer eins. Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung geht jeder fünfte gesetzlich Versicherte deshalb mindestens einmal pro Jahr zum Arzt. Insgesamt gibt es hierzulande pro Jahr mehr als 38 Millionen Arztbesuche wegen Rückenschmerzen. Der Mediziner Bernd Kladny ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. Angela Stoll sprach mit ihm über die Möglichkeiten, die Patienten haben.

Wann ist ein Arztbesuch unumgänglich?

Es gibt Warnhinweise, die auf eine ernste Verletzung oder Krankheit hindeuten: Fieber, Appetitlosigkeit, Gefühlsstörungen in den Beinen oder starke Schmerzen in der Nacht. Auch wenn Schmerzen nach einem Unfall auftreten oder wochenlang anhalten, sollte man zum Arzt gehen. "Gibt es solche Warnhinweise nicht, kann man durchaus erst mal zuwarten", sagt der Orthopäde Bernd Kladny. Nicht-spezifische Kreuzschmerzen, bei denen sich kein eindeutiger Auslöser erkennen lässt, sind in der Regel harmlos und verschwinden oft von selbst.

Wann ist ein Röntgenbild, CT oder MRT angezeigt?

Nur wenn der Arzt einen Hinweis auf einen gefährlichen Verlauf findet, ist eine bildgebende Untersuchung nötig. "Auch dann, wenn ein Patient mehrere Wochen an akuten nicht-spezifischen Schmerzen leidet, sollte man an Bildgebung denken", sagt Kladny. Methode der Wahl sei in der Regel eine Magnetresonanztomografie (MRT). Einziger Nachteil: Die Untersuchung wird im Liegen durchgeführt. Das hat zur Folge, dass man die Statik der Wirbelsäule nicht gut erkennt.

In diesem Punkt ist dann das klassische Röntgenbild überlegen. "Darauf werden allerdings die Weichteile, also etwa die Bandscheiben, nicht dargestellt. Außerdem ist der Patient Strahlung ausgesetzt." Eine Computertomographie, die ebenfalls mit Strahlung verbunden ist, wird heute nur noch in Ausnahmefällen gemacht - etwa dann, wenn eine MRT wegen eines Herzschrittmachers nicht möglich ist.

Welchen Einfluss hat die Psyche?

Stress, Probleme in der Partnerschaft oder Mobbing am Arbeitsplatz können Rückenschmerzen verstärken. Manchmal tragen sie auch dazu bei, dass die Schmerzen chronisch werden. Umgekehrt haben dauerhafte Schmerzen auch psychische Folgen: "Man neigt dann zu Ängstlichkeit und Depressivität." Bei chronischen Rückenschmerzen spielt die Psyche fast immer eine Rolle. Daher wird bei der Therapie chronischer Schmerzen auch geklärt, ob eine psychologische Behandlung sinnvoll ist.

Was ist besser: Schonung oder Bewegung?

"Bei nicht-spezifischen Kreuzschmerzen gilt: immer in Bewegung bleiben!", betont Kladny. Studien belegen, dass körperliche Aktivität plötzliche Rückenschmerzen meist lindert. Außerdem droht bei längerer Schonung ein Abbau der Rückenmuskulatur, die für die Stabilität der Wirbelsäule wichtig ist. Anders ist das bei spezifischen Kreuzschmerzen, also etwa, wenn eine Bandscheibe auf einen Nerv drückt. "Dann kann Ruhe notwendig sein", sagt der Orthopäde. Ob und wie lange man sich schonen soll, muss der Arzt sagen.

Wieviel bringt Physiotherapie?

Wenn man weiß, was das Problem ist, kann Physiotherapie gute Unterstützung leisten. "Wenn man zum Beispiel verkürzte Muskeln hat, lässt sich gezielt daran arbeiten", sagt Kladny. In solchen Fällen kann der Therapeut dem Patienten auch Übungen für zu Hause zeigen, die ihm langfristig helfen, beschwerdefrei zu bleiben. "Manchmal gibt es auch Blockierungen, die man lösen kann. Dadurch ist den Menschen dann schnell geholfen."

Kann Osteopathie helfen?

Viele Menschen mit Rückenproblemen setzen auf dieses manuelle Verfahren, das den ganzen Körper miteinbezieht. Kladny äußert sich jedoch vorsichtig: "Das Problem ist, dass der Begriff 'Osteopathie' nicht geschützt ist. Es gibt verschiedene Schulen, die zum Teil verschiedene Ausbildungskonzepte haben", erklärt der Orthopäde. "Manche Ansätze sind durchaus sinnvoll, andere ärztlich nicht ganz nachvollziehbar." Für Patienten lässt sich schwer erkennen, was hinter den Angeboten steckt.

Wie wichtig ist die Matratze?

Für einen gesunden Rücken ist es wichtig, dass die Wirbelsäule nachts entlastet wird. "Die Bandscheiben haben eine Stoßdämpferfunktion", sagt Kladny. "Tagsüber werden sie zusammengedrückt. Nachts quellen sie wie ein Schwamm wieder auf."

Es ist entscheidend, dass sie sich gut ausdehnen können, um Flüssigkeit und Nährstoffe aufzunehmen. Die Wirbelsäule sollte dazu annähernd so gebettet sein, wie es ihrer natürlichen Form entspricht. Für die Matratze gilt: Sie soll gut stützen, in der Schulter- und Beckenregion aber nachgeben. "Sonst kann es sein, dass die Wirbelsäule durchhängt", erklärt er. Welcher Matratzentyp und welcher Härtegrad geeignet sind, ist unterschiedlich. "Man sollte sich beim Kauf gut beraten lassen und im Geschäft Probe liegen. Der Mensch merkt, ob er gut liegt oder nicht."

Worauf sollte man im Büroalltag achten?

"Nicht-Bewegung ist Gift für unsere Wirbelsäule", betont Orthopäde Kladny. Deshalb ist es ungesund, lange in derselben Position zu verharren - sei es beim Sitzen oder Stehen. "Pro Stunde sollte man zwei bis drei Haltungswechsel für etwa fünf Minuten einplanen", rät der Experte. Dazu kann man sich fürs Büro allerlei Tricks einfallen lassen: "Ich lasse mir zum Beispiel Briefe zum Unterschreiben nicht auf den Schreibtisch legen", sagt Kladny. "Ich gehe dazu ins Sekretariat und stelle mich an die Theke."

Oder man stellt den Papierkorb in eine andere Zimmerecke, um sich selbst zu zwingen, öfter aufzustehen. Solche Positionswechsel sind am Ende wichtiger und bringen mehr als ein Spezialstuhl.

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