Von gut bis gruselig:Das sind die neuen Weihnachtsalben der Saison

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Ein herrliches Familienchaos haben John Legend und seine Frau Chrissy Teigen für die Kleinen angerichtet.

Ein herrliches Familienchaos haben John Legend und seine Frau Chrissy Teigen für die Kleinen angerichtet.

Köln – Rockt es unterm Weihnachtsbaum, oder soll es still und besinnlich werden? Axel Hill hat sich die neuen CDs der Saison angehört und Spreu von Weizen getrennt.

Ein älterer Herr, der in seinem Spätwerk mit einem Weihnachtsalbum auftrumpft und dabei schrecklich danebengreift – das gab es in den letzten Jahren immer mal wieder. Und so war bei Eric Claptons „Happy Xmas“ (Polydor) Vorsicht geboten. Doch „Slowhand“ überrascht auf ganzer Linie. Mit Dezenz und viel Gefühl widmet er sich Bekanntem („White Christmas“) und einigen weihnachtlichen Blues-Perlen, etwa „Christmas in my hometown“ von Sonny James . Einzige Irritation: eine disco-lastige (!) Version von „Jingle bells“, dem verstorbenen DJ Avicii gewidmet.

Die Hoffnung des Soul war John Legend, als er 2004 sein erstes Album herausbrachte. Was für eine Stimme, was für ein Performer. Seitdem hat er sich, einigen Experimenten zum Trotz, musikalisch sehr im sanften Mittelmaß eingerichtet, „A Legendary Christmas“ (Columbia) ist da die logische Konsequenz. Doch das Resultat bleibt ein Mischmasch, wenn auch auf hohem Niveau: ein bisschen Motown, ein bisschen Swing, ein wenig Jazz und Soul, ein Hauch von Blues – so als wolle er zeigen, was er alles kann. Und das klappt am besten bei „Bring me love“ und „By Christmas eve“. Aber insgesamt wäre weniger runder gewesen.

Ein herrliches Familienchaos haben John Legend und seine Frau Chrissy Teigen für die Kleinen angerichtet.

Ein herrliches Familienchaos haben John Legend und seine Frau Chrissy Teigen für die Kleinen angerichtet.

Puren Funk liefert Aloe Blacc („I need a dollar“) mit „Funk Christmas“ (Aloe Blacc Recordings), überzeugt aber nicht: Die neuen Songs sind unaufregend, seine Version der Hits von Mariah Carey und Wham nicht amüsant genug.

Überraschenderweise bringt Pop-Diva Jessie J ein halbes Jahr nach ihrer CD „R.O.S.E.“ nun „This Christmas Day“ (Universal) heraus. Und wenn man die musikalische 180-Drehung akzeptiert, ist das eine ordentliche, Big-Band-lastige Platte einer Sängerin, die hier ihre Stimme mehr zur Geltung bringen kann als für gewöhnlich.

Ihre wunderbar poppige CD „You Make It Feel Like Christmas“ (Universal) wirft Gwen Stefani noch einmal auf den Weihnachtsmarkt, erweitert um fünf Songs, die nicht schlecht sind, aber klingen, als seien sie letzten Jahr nicht gut genug gewesen.

Der Nostalgie hat sich Ingrid Michaelson verschrieben: Ihre „Songs For The Season“ (Cabin 24 Records) sind optisch und musikalisch eine Hommage an die 40er und 50er, das leicht nasale Organ der Singer/Songwriterin passt dazu ganz hervorragend. Und was sie mit Leslie Odom Jr. aus „All I want for Christmas is you“ macht, ist einfach zauberhaft!

Eine musikalische Grenze verläuft nach wie vor zwischen Ost und West, vor allem wenn alte Haudegen wie Dieter „Maschine“ Birr das Mikrofon ergreifen. Das ist auf „Alle Winter wieder“ (Elektrola) keinen Deut anders. Wer nicht auf Ost-Rock steht, wird hier nicht in Weihnachtsstimmung kommen.

Komplett entschleunigt hat das Duo Sund Yard „Weihnachtslieder“ (Q-rious Music) wie „Kommet ihr Hirten“, „Es ist ein Ros’ entsprungen“ oder „Oh du fröhliche“. In der Kombination von Stimme und Klavier (und einem Cello hie und da) betonen Elena Janis und Wolfgang Torkler jedes Wort, jede Note und geben den bisweilen abgenudelten Klassikern ihre ursprüngliche Bedeutung zurück. Eine Platte, die Zeit braucht, die es sich aber zu nehmen lohnt.

Alle zwei Jahre feiert Jazz-Posaunist Nils Landgren „Christmas With My Friends“: Man veröffentlicht eine CD – heuer die sechste (ACT) – und spielt ausverkaufteste Konzerte. Zu Recht: Was der Schwede und seine sieben Landsmänner und -frauen präsentieren, ist Wohlgefühl zwischen Jazz, Klassik und Pop, gespielt und gesungen auf hohem Niveau. Nicht mehr überraschend, aber niemals schlecht.

„My Favourite Christmas Songs“ (Okeh/Sony), ihren liebsten Weihnachtsliedern widmet sich auch Jazzsängerin Lyambiko, nur begleitet von einem Quartett aus Klavier, Gitarre, Cello und Bass. Sehr warm, sehr intim, fast schon kuschelig – und mit von Mickey Rooney geschriebenen „Little Christmas tree“ findet sich in der Sammlung sogar eine sehr selten gesungene Perle.

Ein wenig mehr Pep versprüht dagegen „It’s Christmas Time Again“ (Alive/Supermusic) von Judy Rafat. Die in Deutschland lebende Kanadierin bietet gutes Entertainment, satte Arrangements und eine prima Stimme. Sie wäre die perfekte Ergänzung für jede Weihnachtsfeier, dem Album würde man auf Strecke nur vielleicht die eine oder andere Kante wünschen – aber nicht zwingend.

Rolando Villazón ist der Gute-Laune-Mann der Klassik, der mit seiner Fröhlichkeit in TV-Shows manchmal fast etwas nervt. Aber: Was er auf „Feliz Navidad“ (Deutsche Grammophon) abliefert, ist einfach herausragend! Interessante Songs („Los peces en el rio“) treffen auf spannende Arrangements von Klassikern („What child is this?“). Und natürlich wird in Sachen Orchester und Chor immer mal wieder eine Schippe mehr drauf gelegt. Aber so gehört sich das auch bei einem so sehr strahlenden Sänger!

Sein Tenor-Kollege Daniel Behle singt seine „Schönsten Weihnachtslieder“ (Sony Classical) im Stile von Hausmusik, und man hat das Gefühl, bei den mehr als 20 deutschen Liedern dürfte kaum ein bekanntes fehlen. Aber es ist genau diese Masse von Musik, die zu den leichten Ermüdungserscheinungen ab circa Track 15 beiträgt. Aber das schöne an CDs: Man kann sich seine Favoriten ja programmieren.

Früher Weihnachtsmusik widmen sich Ariana Savall und Petter Udland Johansen mit ihrem Ensemble Hirundo Maris. Zwischen Folklore und Alter Musik angesiedelt, versammelt „Silent Night“ (Deutsche Harmonia Mundi) Lieder aus verschiedenen europäischen Ländern, deren unterschiedliche musikalische Traditionen hier zu einem organischen Ganzen zusammenwachsen – von einer leicht spröden, aber betörenden Schönheit.

Geradezu beseelt klingen die Weisen, die der Chor „Sirventes Berlin“ unter der Leitung von Stefan Schuck anstimmt. In perfekter Harmonie erklingen unter dem Motto „Berliner Weihnacht“ (Carus) Chorstücke aus dem 19., 20. und 21. Jahrhundert – allesamt von Komponisten, die auf die eine oder andere Weise mit der Hauptstadt in Verbindung zu bringen sind.

Wesentlich leichtfüßiger kommen da die „More Christmas Surprises“ (Sony Classical) daher, die der Chor des Bayerischen Rundfunks und das Münchner Rundfunkorchester aus dem Süden der Republik ins weihnachtliche Rennen werfen. Allein: Richtige Begeisterung will sich bei dieser unausgegorenen Mischung aus Klassik und Entertainment nicht einstellen.

Eine satte Überdosis Zucker verpasst „Christmas At The Movies“ (Sony Classical) dem geneigten Hörer, man wundert sich, dass diese CD des Czech Philharmonic Orchestra nicht klebt wie Kinderhände nach dem Backen. Musik aus Filmen, mal mehr („Home Alone“), mal weniger („Harry Potter“) weihnachtlich, immer ein wenig zu süßlich, Kinder- und andere Chöre inklusive.

Eine weitere Interpretation des Weihnachtsoratoriums (Naxos) steuern Bachchor und Bachorchester Mainz unter der Leitung von Ralf Otto den zahllosen bisherigen Aufnahmen bei und reißen ab dem berühmten „Jauchzet, frohlocket“ mit.

Eher gefällig denn gefühlig Mal gehen die Klazz Brothers und Cuba Percussion ihren zweiten Aufschlag ihres Genremischmasches „Christmas Meets Cuba“ (Sony Classical) an. Man scheint eher an Galaauftritten interessiert (was an sich keine Schande ist!), vergisst aber dabei, Herzblut zu investieren.

Nein, singen konnte Captain Kirk noch nie, und auch auf „Shatner Claus“ spricht sich William Shatner durch mehrheitlich schräge Versionen meist amerikanischer Standards und lässt sich dabei von überraschenden, oft raubeinigen Musikern begleiten: etwa Iggy Pop bei „Silent night“, oder Henry Rollins bei „Jingle bells“. Ein Gag, der einen nicht in himmlische Sphären beamt.

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