WM-ReporterJochen Breyer über die Favoriten, das Moderieren und fehlerhaften Fußball

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Moderator Jochen Breyer

Moderator Jochen Breyer

Gemeinsam mit dem amtierenden Weltmeister Christoph Kramer (27), Mittelfeldspieler bei Borussia Mönchengladbach, bildet der 35-jährige Jochen Breyer bei der Fußball-WM in Russland ein wohl rekordverdächtig junges Moderatorengespann. Für den Sportjournalisten Breyer, dessen Traumberuf immer Fußballreporter war, ist es die erste Teilnahme an einer WM. Mit dem studierten Politikwissenschaftler aus München sprach Eric Leimann.

Herr Breyer, spielen Sie noch selbst Fußball?

Ja. Aber nicht im Verein, sondern als Hobbykicker im Englischen Garten in München – mit meinen Kumpels vom Studium. Manchmal treffen wir uns auch in einer etwas verranzten Schwabinger Schulturnhalle.

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Sie haben nie im Verein gespielt, nicht mal Kreisklasse?

Bis zur C-Jugend spielte ich im Verein. In Walldorf bei Heidelberg, wo ich geboren bin. Danach spielte ich Handball und betrieb Leichtathletik.

Wollten Sie damals schon Sportjournalist werden?

Ja. Meine Kumpels wollten Fußballstar werden und träumten davon, das entscheidende Tor im WM-Finale zu schießen. Ich träumte davon, im „Aktuellen Sportstudio“ vor der Kamera zu stehen. So wie mein Vorbild Günther Jauch damals.

Nun haben Sie Ihre erste WM. Wer wird Weltmeister? Und wie weit kommt die deutsche Elf?

Ich glaube, dass die deutsche Mannschaft, je nachdem, wie viel Glück sie hat, sehr weit kommen wird. Das Glück wird auf diesem Niveau immer sträflich unterschätzt. Es spielt aber eine gewaltige Rolle.

Wer steht im Finale? Ihr Tipp?

Am Ende vielleicht doch Deutschland gegen Frankreich. Ich halte die Franzosen für sehr, sehr stark. Sie haben spannende junge Spieler. Wenn sie ins Rollen kommen, könnten die einen unwiderstehlichen Hurra-Fußball zelebrieren.

Und wenn es anders kommt?

Dann hoffe ich, dass vielleicht mal ein Team Weltmeister wird, das man nicht so auf der Rechnung hatte. Ich wünsche mir jedenfalls, dass die WM nicht so sehr eine geschlossene Gesellschaft wird, wie es die Champions League meistens ist.

Wen sehen Sie sonst im erweiterten Favoritenkreis?

Brasilien hat sich wieder aufgerichtet. Sie müssen nach dem schwachen Auftritt im eigenen Land vor vier Jahren viel wieder gutmachen. Auch die Spanier sind immer fürs Finale gut. Vielleicht sehen wir ja aber auch Panama oder Island im Halbfinale – wer weiß? Ich würde mir so etwas wünschen.

Wie haben Sie Christoph Kramer kennengelernt?

Wir sind uns häufiger über den Weg gelaufen. Er war im „Aktuellen Sportstudio“ mein Gast nach der WM 2014. Ich schätze ihn extrem als Gesprächspartner, weil er sehr unterhaltsam und zugleich sehr klug über Fußball reden kann.

Viele Experten geben viele Tipps und liegen immer wieder daneben. Ist der Fußball letztlich doch nicht berechenbar?

Wahrscheinlich ist es so wie mit den Börsenkursen. Da gab es mal ein Experiment, bei dem man die Tipps von Experten mit denen von Schimpansen verglich. Die Schimpansen lagen knapp vorn.

Sie verfolgen die WM in Baden-Baden, fahren also nicht nach Russland. Was sind Ihre Wünsche an das Turnier?

Ich hoffe, dass es keine hässlichen Szenen im Sinne von Hooligan-Gewalt oder Rassismus gibt. Beides hat man auch in Russland schon erlebt.

Ist es nicht ungewöhnlich, dass Sie aus Baden-Baden berichten und nicht die Atmosphäre vor Ort erleben können?

Ich hoffe, dass dieser Umstand nicht zu sehr durchschlägt. Man muss das Ganze etwas komplexer betrachten. Wenn man im Land ist, sitzt man als Moderator letztendlich doch den ganzen Tag im Studio. Und an jenen Tagen, an denen es nicht so ist, muss man sich vorbereiten – zum Beispiel die anderen Spiele schauen. Die Atmosphäre zu schnuppern, ist also gar nicht so einfach. Es ist eben nicht so, dass man sich unters Volk mischt und ständig mit den Einheimischen spricht. Dafür fehlt in meinem Job leider die Zeit.

Wären Sie lieber nach Russland gefahren?

Klar, man ist als Journalist immer lieber vor Ort. Ich kann die Entscheidung für Baden-Baden jedoch nachvollziehen. ARD und ZDF sparen jeweils eine siebenstellige Summe für die Gebührenzahler ein. Das ist schon eine Hausnummer.

Worauf freuen Sie sich bei diesem Turnier?

Auf guten Fußball. Ich glaube, dass wir in Russland besseren Fußball sehen als zuletzt in der Bundesliga. In Russland wird es viele Teams geben, die in ihrer taktischen Disziplin nicht so gedrillt sind, dass sie sich gegenseitig neutralisieren. Ich glaube auch, dass wir mehr Offensive sehen werden.

Macht fehlerhafter Fußball mehr Spaß?

Mitunter, aber nicht immer. Der fehlerfreie Fußball, den Pep Guardiola mit Barcelona spielen ließ, war auch wunderschön anzusehen.

Auf welche Spieler freuen Sie sich?

Auf jene, die ich jetzt noch nicht kenne. Klar sieht man auch gern einen Neymar kicken. Bei einer WM finde ich jedoch Leute spannender, die man vorher gar nicht auf der Rechnung hatte. 2014 waren alle von James Rodriguez begeistert. Er kam aus dem Nichts und spielte mit Kolumbien begeisternden Fußball. Ich bin mir sicher, dass es auch 2018 wieder einen James geben wird – von dem zuvor kaum jemand gehört hat.

Es ist Ihr erstes großes Turnier als Moderator. Haben Sie Respekt vor dem Stress?

Ja, durchaus. Bei der EM vor zwei Jahren war ich noch Reporter in den Stadien. Über Wochen längere Sendestrecken aus dem Studio zu moderieren, ist neu für mich.

Sie sind damals sehr jung zum Sportmoderator im ZDF aufgestiegen. War das überraschend für Sie?

Es war sehr überraschend. Vor allem, weil mich Leute vor die Kamera stellten und mir den Job zutrauten, bevor ich es selber getan hätte. Ich musste mich von diesen Menschen überzeugen lassen, dass ich es kann. Ich hatte durchaus Zweifel, ob ich dem gewachsen bin.

Worin bestanden Ihre damaligen Selbstzweifel?

Ich fragte mich, ob ich alt und erfahren genug bin. Vor der Kamera braucht man eine gewisse Souveränität, denn sie deckt Unsicherheiten gnadenlos auf. Natürlich machte ich mir Sorgen, ob mich meine Gesprächspartner ernst nehmen. Gerade sehr erfahrenen Trainer oder Funktionäre.

Wie ist das heute, mit 35?

Mittlerweile fühle ich mich sehr wohl in meiner Haut und in meiner Rolle. Als ich anfing, war ich erst 28 oder 29 Jahre alt – und moderierte die Champions League. Dort dann neben einem Jürgen Klopp vor Millionen von Fernsehzuschauern zu stehen, ist nicht ganz ohne.

Hat jemand Sie mal wie ein Greenhorn behandelt?

Komischerweise niemals als ZDF-Moderator vor der Kamera. Ich erinnere mich an eine Szene mit Frank Rost, als ich – noch ein paar Jahre jünger – mal für eine Zeitung nach einem Spiel gefragt habe, ob der Trainer in der Kabine laut geworden ist. Das brachte ihn total auf die Palme, und er sagte, ich solle mal ein paar Jahre älter werden, dann würde ich so eine Frage nicht mehr stellen. Eigentlich finde ich die Frage heute immer noch ganz gut. Vielleicht sehe ich ihn irgendwann, und wir klären das.

Was machen Sie nach der WM? Das ZDF verliert die Champions League Rechte.

Ich sitze dann auf meinem Balkon und lege die Beine hoch. Aber natürlich nicht auf Dauer. Ich arbeite für den Sport im „ZDF-Morgenmagazin“, moderiere „Das aktuelle Sportstudio“ und drehe auch noch Beiträge und Reportagen für den Sender. Trotzdem werde ich nach der WM und ohne Champions League tatsächlich mehr Zeit haben. Meine Familie freut sich schon darauf.

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