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Mitglieder der „879“-Gang verurteiltJugendstrafen für „Möchtegern-Gangster“

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Auch als Graffiti tauchte "879" immer wieder im Euskirchener Stadtbild auf. (Foto: Peter-Jakob Klein)

Auch als Graffiti tauchte "879" immer wieder im Euskirchener Stadtbild auf. (Foto: Peter-Jakob Klein)

BONN/EUSKIRCHEN – Es istkaum ein Jahr her, da schiendie Kreisstadt Euskirchen festin der Hand von Jugendbandenzu sein. Kinder und Jugendliche hatten Angst, auf denStraßen überfallen zu werden.Manche gingen gar nicht mehralleine aus dem Haus.

An vielen Orten tauchte dasZahlensymbol „879“ als Graffiti an den Wänden auf. Als Labelfanden sich die letzten drei Ziffern der Euskirchener Postleitzahl auch auf Rucksäcken undT-Shirts junger Leute, die damit offenbar mit einer „Bande“dieses Namens sympathisierten. Oder sich zugehörig fühlten. „879“ wurde so zum Synonym für Angst und Schrecken. Wobei es in Euskirchenauch eine Rap-Band gibt, dieunter „879“ firmiert. DieseBand wartet mit höchst problematischen Texten zu Kriminalität und Gewalt auf, so etwain dem Song „Wenn die Bullenkommen“. Die erzeugte Angstvor „879“ haben dann Jugendliche ausgenutzt, um Straftaten zu begehen – bis im März2010 bei einer Reihe von ihnendie Handschellen klickten.

Das Bonner Landgericht hatam Freitag fünf Mitglieder einerJugendgang zu Jugendstrafenzwischen 15 Monaten und zweiJahren Haft verurteilt. DieStrafen wurden allesamt zurBewährung ausgesetzt, um, sodas Gericht, ihnen noch „eineallerletzte Chance“ zu geben.„Beim nächsten Mal“, so derVorsitzende Richter in derUrteilsbegründung, führe derWeg „direkt in die Zelle“. Dennfast alle Angeklagten im Alterzwischen 17 und 21 Jahrensind mehrfach vorbestraft.

„Ausgesprochen feige und schäbig“

In Bonn mussten sie sich für14 Straftaten, in verschiedenen personellen Zusammensetzungen begangen, verantworten. In zehn Fällen, unteranderem wegen räuberischerErpressung, Raub, gefährlicher Körperverletzung, Hehlerei oder Diebstahl, wurden sieverurteilt.

Das „Phänomen 879“ habeman nicht endgültig aufklärenkönnen, hieß es am Freitag. Auchdie Ermittler konnten keineklare Verbindung herstellenzwischen den Songschreibernund ihren Sympathisanten.Außer Frage stehe aber, so dasGericht, dass einige der Angeklagten „verhohlen Sympathiegezeigt haben für die Aufrufezum asozialen Verhalten“. Sicher sei auch, dass die Angeklagten das Symbol „879“ beiihren Straftaten verwendethätten, um Angst bei den Opfern auszulösen. Trotz der milden Strafen ging die BonnerJugendstrafkammer hart mit den Angeklagten insGericht und warf ihnen vor,dass sie bisher nichts in ihremLeben „auf die Reihe bekommen“ hätten und es toll fänden,Kinder in Panik zu versetzen. Man habe respektiert werden wollen, hatte einer der Angeklagten gesagt. Tatsächlichaber, so der Vorsitzende Richter, sei ihr Verhalten „ausgesprochen feige und schäbig“gewesen. Als „Möchtegern-Gangster“ und „Wichtigtuer“bezeichnete er sie im Urteil.

Sich ein Raubopfer auszusuchen, es zu umstellen und ihmdas Handy oder Geld abzunehmen, das sei schon „sehr fies“.Genauso, dass sie nicht davorzurückgeschreckt hätten,Sportkameraden „abzuziehen“oder einen Behinderten auszurauben.

Nur einer der fünf Jugendlichen hatte sich in seinem letzten Wort von den Straftaten –und auch von der Stadt Euskirchen – distanziert. Er lebt mittlerweile in einer Jugendeinrichtung fernab der Kreisstadt.

Auch den anderen hat dasGericht den dringen den Rat gegeben: „Machen Sieeinen großen Bogen um dieEuskirchener Innenstadt!“Und: „Lassen Sie die Fingervom Eigentum anderer!“

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