Ahnungslos im InternetExperten fordern Medienkunde-Schulfach

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Jugendliche sollen im Umgang mit Medien geschult werden. (Symbolbild: dpa)

Jugendliche sollen im Umgang mit Medien geschult werden. (Symbolbild: dpa)

Berlin/Erfurt – Es ist eigentlich das perfekte Bild für diesen Tag, an dem es um das Internet geht. Drei Schülern haben die Köpfe über einem Smartphone zusammengesteckt, sie scrollen durch eine Nachricht. In der Aula der Ellen-Key-Schule in Berlin-Friedrichshain soll es an diesem Morgen um die Sicherheit im Netz gehen, es ist „Safer Internet Day“.

„Ich finde es gruselig, dass man total kontrolliert werden kann“, sagt die 20-jährige Schülerin Meltem Celik, die gerade noch auf das Smartphone ihrer Freundin geschaut hat. „Deswegen poste ich nichts mehr auf Facebook.“

Bewusster Umgang mit den Medien

Doch ganz auf Facebook und Co. verzichten wollen viele Jugendliche nicht. Experten wollen die Teenager deshalb dazu bewegen, bewusst mit ihren Informationen umzugehen. Denn ihre Kenntnisse sind oft nur oberflächlich. Im weltweiten Vergleich zeigte eine Umfrage, dass deutsche Achtklässler in Sachen Computerkenntnisse im Vergleich mit anderen Industrienationen nur im Mittelfeld liegen. Andere Erhebungen bescheinigen Deutschland zwar eine gute Verbreitung des Internets - den Nutzern jedoch Ahnungslosigkeit bei Begriffen wie „Cloud“, „LTE“ oder „Cookies“.

Für Datenschützer und Experten ein Grund, Alarm zu schlagen. Es brauche ein eigenes Schulfach Medienkunde: „Die querschnitthafte Vermittlung von Medienkunde hat nicht funktioniert - sonst hätten wir andere Umfrageergebnisse“, sagt der rheinland-pfälzische Datenschutzbeauftragte Edgar Wagner auf einer Fachtagung zum Thema Medienkunde in Erfurt. In Deutschland gibt es nach Angaben der Kultusministerkonferenz (KMK) momentan kein eigenständiges Fach Medienkunde. Die Themen würden an über in mehrere Unterrichtsfächer hinweg vermittelt. Wie umfangreich das Thema behandelt wird, entscheiden die Bundesländer.

Vielen Schülern fehlt es an Wissen

Ob das reicht, ist unklar. Edgar Wagner weiß, wovon er spricht: In den vergangenen Jahren habe seine Behörde Workshops für etwa 60 000 Schüler veranstaltet. Oft hatte er dabei den Eindruck, dass Medienkunde in der Schule gar nicht vermittelt werde: „Manchmal hatten wir das Gefühl, wir waren die Ersten.“ Dennoch habe sich in den vergangenen Einiges getan. Die Schulen seien besser ausgestattet, aber vielen Schülern fehle es weiterhin an Wissen. „Ich finde schon, dass es einen Fachbereich Medienkunde geben sollte“, sagt auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff. Sie betont jedoch zugleich, dass man zwischen Pro und Contra abwägen müsse. Trotz dieser Zurückhaltung würde aber auch sie ein eigenes Fach Medienkunde „für sehr sinnvoll“ halten.

Die Professorin Ira Diethelm gibt zu Bedenken, dass das Problem schon in der Ausbildung der Lehrer beginne. Für die Professorin für Didaktik der Informatik an der Universität Oldenburg kann es echte Verbesserungen nur dann geben, wenn auch die Lehrer entsprechend vorbereitet werden. Eine mediale Ausbildung sei in den meisten Bundesländern nicht einmal verpflichtend. Was passiert, wenn Lehrer sich nicht auskennen, macht Florian Funke deutlich. Der Lehramtsstudent erzählt, er sei vor kurzem bei einem Workshop gewesen, bei dem eine Lehrerin stolz davon berichtete, dass sie im Unterricht oft eine interaktive Tafel benutze, um Videos in den Klassenraum zu streamen. Allerdings habe sie nicht gewusst, dass die von ihr favorisierte und inzwischen gesperrte Website „Kino.to“ ein Raubkopien-Portal war.

Generation Online

Selbst die Fachleute hinken manchmal der Entwicklung hinterher. Denn die Mediennutzung der Jugendlichen wandelt sich rasant. In der Aula der Berliner Ellen-Key-Schule appelliert die Klicksafe-Vertreterin Pepper an das Verantwortungsbewusstsein der Jugendlichen. „Sie sind eigentlich die erste Generation, die damit konsequent aufwächst und damit lebt“, sagt sie über das Internet und Smartphone-Apps.

„Wir kommen aus der Generation Nokia Handys“, widerspricht der 19 Jahre alte Onur Erkol später. Er meint die klobigen alten Geräte aus den Anfängen des Mobilfunkzeitalters. Die wirkliche Internet-Generation seien die Jüngeren, die viel aktiver auf Online-Netzwerken seien. Facebook nutze er kaum noch. Aber es gebe eine Ausnahme, räumt seine Klassenkameradin Meltem Celik ein. „Wir schreiben selten SMS, bei WhatsApp sind wir permanent.“ (dpa)

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