Film „Schwarze Adler“Wie Nationalspieler- und spielerinnen Rassismus erleben

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„Der Adler war ein Traum“: Erwin Kostedde, erster schwarzer Nationalspieler. 

Köln – Deutschland ist schön. Der Himmel ist blau, die überaus hübschen Frauen tragen lange blonde Haare und Schuhe mit Absätzen (nicht zu hoch), die Kinder sind adrett gescheitelt. „Ich habe das Land aus dem Otto-Katalog kennengelernt“, sagt Gerald Asamoah. Seine Mutter hatte die Hochglanzware im heimischen Mampong in der bevölkerungsreichsten ghanaischen Region Ashanti eines Tages auf den Tisch gelegt. Mit zwölf Jahren kam Asamoah nach Deutschland. „Ich wollte wissen, ob es da wirklich so aussieht.“ Er sollte lernen, dass es noch ein paar andere Seiten gibt.

Der Dokumentarfilm „Schwarze Adler“ (ab Donnerstag auf Amazon Prime) zeigt, wie sich Rassismus im Alltag anfühlt. Wenn die Leute in der Straßenbahn aufstehen, weil sie nicht neben einem Schwarzen sitzen möchte, oder eine ganze Kurve „Neger raus“ ruft. Fußballspieler und -spielerinnen aus dem Team des DFB berichten, von der Scham auf und abseits des Platzes, wie es ist, beschimpft oder gar verfolgt zu werden.

Asamoah war der erste in Afrika geborene Nationalspieler, der den Adler auf dem weißen Trikot der DFB-Elf trug. Er entschied sich bewusst für die deutsche Elf, schaffte es ins WM-Finale 2002 und war Teil einer sehr vorzeigbaren Integrationsgeschichte. Der Film erzählt vom Stolz, den Adler zu tragen, aber aber auch von den langen Wegen im Schatten, vom Gefühl, immer etwas mehr zeigen zu müssen.

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Asamoah und Otto Addo haben all das erlebt. Als sie mit Hannover im so genannten „Stadion der Freundschaft“ in Cottbus um den Aufstieg spielten und ein entfesselter Fußballmob über die beiden Spieler herzog, sie tausendfach verunglimpfte. Cottbus gewann das Spiel. „Jeder beschäftigte sich danach mit dem verpassten Aufstieg“, sagt Asamoah, „keiner fragte, wie wir uns gefühlt haben.“

Die Einsamkeit der Ausgegrenzten schildert „Schwarze Adler“ so eindrucksvoll, dass es den Atem stocken lässt. Wenn Erwin Kostedde, 1974 der erste schwarze Nationalspieler, berichtet, wie er vor einem Spiel zu hören bekommt: „Wir wollen keine Schwatten bei uns.“ „So etwas geht tief rein, man muss sehr fest sein, um das auszuhalten.“ Er habe dann gespielt „wie ein Eimer Wasser“. Nach einem weiteren Spiel war die Karriere im DFB-Dress beendet.

Produziert hat den Film der Kölner „Broadview“-Chef Leopold Hoesch (siehe Infotext). Regisseur Torsten Körner lässt Jimmy Hartwig, Steffi Jones, Patrick Owomoyela und andere einfach sprechen. Das ist die Stärke des Films, dass niemand einzuordnen versucht, was ohnehin nicht zu erklären ist. Kostedde berichtet, dass er sich als Kind mit Kernseife so lange geschrubbt habe, bis die Haut porös geworden ist. Das sei etwas, „das man nicht gerne erzählt“ – die Verlegenheit berührt.

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Leopold Hoesch ist einer der bekanntesten Filmproduzenten des Landes („Wunder von Bern“, „Drama von Dresden“). Sein Unternehmen Broadview TV ist in der Kölner Südstadt zu Hause.

Sportler-Porträts wie „Kroos“ über Real-Madrid-Superstar Toni Kroos wurden zu einem Markenzeichen. Auch „Klitschko“ oder „Der perfekte Wurf“ über Basketball-Star Dirk Nowitzki stammen aus dem Hause Hoesch. Der 52-Jährige und sein Team haben unter anderem den Deutschen Fernsehpreis und den Emmy gewonnen. (mft)

Körner hat auch „Die Unbeugsamen“ über Frauen im Politikbetrieb der männerdominierten Bonner Republik gedreht. Der Film ist aufgrund der Corona-Pandemie bislang nicht in die Kinos gekommen. Auch in „Schwarze Adler“ zeigt Körner ein beklemmendes Bild des Landes. Und zwar nicht nur in den 50er und 60er Jahren, als sich das vom Krieg geschundene Land nach neuer Reinheit sehnt. Mütter schwarzer Kinder galten als „Negerhuren“ und wurden in TV-Dokumentationen ganz selbstverständlich gefragt, warum sie ihr Kind nicht zur Adoption frei geben. Jimmy Hartwig, Star des Hamburger SV in den 80er Jahren, ist Sohn eines amerikanischen GI und einer deutschen Mutter. Er berichtet von der Stärke seiner Mutter und dem Schutzraum Fußball. „Beim HSV waren wir eine Gemeinschaft – 90 Minuten auf dem Platz und beim Training.“ Darüber hinaus aber nicht. „Wenn mich da ein Spieler beleidigt hat, kam keiner und hat mir tröstend auf die Schulter geklopft.“

Beverly Ranger schoss im Sommer 1975 das Tor des Monats. Die Jamaikanerin wurde für einen Sololauf im Trikot des Bonner SC ausgezeichnet. Vor der Übergabe der Medaille lief in der Sportschau Vico Torrianis Lied „Schön und kaffeebraun, und Moderator Ernst Huberty strahlte angesichts der Exotik im Studio. Es ist ein Moment zum Fremdschämen, auf den Ranger heute irritiert zurückblickt. Es folgte Wim Thoelkes Präsentation des ersten Frauen-Länderspiels, das wie eine skurrile Zirkus-Attraktion vorgeführt wurde. „Männer, was regt ihr euch auf, die Frauen waschen die Trikots doch selbst?“

Oder Shary Reeves. Die Kölnerin, Moderatorin und Autorin, hat für Borussia Kalk gespielt. Sie berichtet, was der Fußball sein kann, wenn es gut läuft: „Wir waren Mädchen aus unterschiedlichsten sozialen Bereichen. Aber so einen Zusammenhalt habe ich nie wieder erlebt.“ Sie erzählt auch, wie sie auf dem Platz ein ganzes Spiel lang beleidigt wurde und der Schiedsrichter nur die Achseln zuckte.

Die Muster sind die gleichen geblieben – bis heute

Reeves Tränen über diese Anstrengungen sind ebenso bestürzend wie Anthony Baffoes Lachen. Baffoe stammt aus Bad Godesberg, er spielte für den 1. FC Köln und Fortuna Köln. Er entschied sich für die Auswahl Ghanas, gegen den DFB, aber den Kampf gegen Rassismus trug er aus. Wenn er als „Bimbo“ beschimpft wurde, sagte er: „Du bist bald arbeitslos, dann kannst Du auf meiner Plantage arbeiten.“ Er erzählte das im Sportstudio des ZDF, das Publikum applaudierte schallend lachend. Baffoe lachte mit, aber dahinter sieht man, wie viel Kraft so eine Haltung kosten muss.

Die Muster des Rassismus sind die gleichen – bis heute. Am Ende des Films steht der Platzverweis für Jordan Torunarigha von Hertha BSC. Er hat wutentbrannt eine Getränkekiste vor der gegnerischen Bank weggeworfen, nachdem er von Schalke-Fans rassistisch beleidigt worden war. Das war vor einem Jahr. Beverly Ranger sagt: Fortschritt sei immer eine Frage der Betrachtung. „Aber sind wir weit genug? Ich denke nicht.“

„Schwarze Adler“: Dokumentarfilm von Torsten Körner, ab Donnerstag bei Amazon Prime, am 18. Juni im ZDF.

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