Großer ÜberblickSo ist die Lage in der Region zwei Monate nach der Flut

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KiesgrubeERftstadtBlesssem

Die Abbruchkante in Blessem nach der Flut.

Das Unwetter Bernd hat das Rheinland am 14. und 15. Juli erschüttert. Wie geht es den Betroffenen und den Kommunen jetzt?

Kreis Euskirchen

Zwei Monate nach der Flutkatastrophe steckt der Wiederaufbau im Kreis Euskirchen bestenfalls in den Kinderschuhen. Erst ganz vereinzelt sind Geschäfte wieder geöffnet oder Hausbesitzer schon mit den Sanierungsarbeiten beschäftigt. Stattdessen sind die Abbrucharbeiten längst nicht überall beendet. In den meisten Häusern laufen die Trocknungsgeräte auf Hochtouren. Es wird Wochen, oft Monate dauern, bis mit dem Wiederaufbau begonnen werden kann. Für diejenigen, die nicht versichert sind, ist entscheidend, in welcher Höhe sie mit staatlicher Finanzhilfe rechnen können.

Mit Blick auf den nahenden Winter ist klar, dass nicht alle, die in ihren beschädigten Häusern wohnen, die zerstörte Heizung ersetzt haben werden. Viele werden sich mit elektrischen Geräten behelfen müssen. (rah)

Rhein-Erft-Kreis

In Erftstadt, wo insbesondere Blessem und Bliesheim schwer getroffen wurden, zeigt sich, dass beim Wiederaufbau viel Solidarität von Menschen aus Nah und Fern zu spüren wart. Neben breiter Bereitschaft zu Geldspenden von Bürgern aus dem ganzen Bundesgebiet, wurden viele Sachspenden geleistet – von kompletten Küchen bis zu Fahrzeugen. Die Stadt Erftstadt verteilt an die Bürger insgesamt 6,7 Millionen Euro Spendengeld. Rund 340 000 Euro wurden bereits ausgezahlt. Das Gros der gefluteten Gebäude ist inzwischen komplett geräumt, die Berge von Bauschutt und Sperrmüll werden beim örtlichen Unternehmen Remondis entsorgt. Bautrockner sind in sehr vielen Häusern noch rund um die Uhr im Einsatz. Der große Krater am Blessemer Ortsrand ist kaum mehr wiederzuerkennen, das gesamte Areal soll langfristig als hügeliges Naherholungsgebiet samt See und Versickerungsbecken gestaltet werden.

Über die Haustreppe eines ehemaligen Gebäudes schweift der Blick auf die Großbaustelle.

Über die Haustreppe eines ehemaligen Gebäudes schweift der Blick auf die Großbaustelle.

Karl Berger, der unweit der Blessemer Kirche wohnt, kennt die Stimmung im Ort. Als Vorsitzender des Bürgerforums Blessem weiß er: „Der Müll ist aus dem Ort, die Häuser werden saniert. Nach wie vor gibt es Sach- und Geldspenden. Vieles ist geschafft, aber eine Menge an Herausforderungen liegt noch vor uns.“ Dabei gehe es nicht nur um die Häuser, sondern darum, wieder gemeinschaftliches Leben in den Ort zu bringen. Die einzige Gaststätte, das „Blessemer Eck“, ist verwüstet.

Wie es dort weitergeht, ist offen. Von der Stadt würden sich viele Bürger mehr Bürgernähe und Fachleute wünschen, die vor Ort sind, um kompetent zu beraten. „Das ist gerade für viele ältere Menschen wichtig, damit sie sich nicht für Hilfe jedes Mal zum Rathaus begeben müssen“, sagt Berger. (kom)

Rhein-Sieg-Kreis linksrheinisch

65 Tage voller Entsetzen, Trauer, Wut und Unverständnis, aber auch voller Solidarität und Zuspruch liegen hinter den Flutopfern in den besonders betroffenen Kommunen Rheinbach und Swisttal.

Wenige Tage nach der Flutkatastrophe war die Frankenstraße in Swisttal-Odendorf von Schlamm und Sperrmüll bedeckt.

Wenige Tage nach der Flutkatastrophe war die Frankenstraße in Swisttal-Odendorf von Schlamm und Sperrmüll bedeckt.

Frankenstraße heute: Nun sind sandiger Staub, ein eingezäunter Internetverteiler und ein Baucontainer die letzten Zeugen. 

Frankenstraße heute: Nun sind sandiger Staub, ein eingezäunter Internetverteiler und ein Baucontainer die letzten Zeugen. 

Wie auch Tausende Privathaushalte ist die Gemeinde Swisttal weiterhin in der Aufräumphase: Die Verwaltung hat in dieser Woche die Projektsteuerung zum Wiederaufbau auf den Weg gebracht. Eine Grundschule und ein Dorfhaus, mehrere Sportanlagen sowie Teile des Rathauses können bis auf Weiteres nicht mehr genutzt werden.

Auch die Nachbarstadt Rheinbach ist noch an vielen Stellen mit der Schadensbeseitigung beschäftigt, in Teilen hat aber auch der Wiederaufbau begonnen. Noch acht Wochen nach dem Rückgang des Wassers sacken teilweise Straßen ab, weil sich Hohlräume gebildet haben. Sofern der Winter Frost bringt, rechnet die Verwaltung mit weiteren Schäden. Ein Lichtblick für Pendler: Seit zwei Wochen fährt die S-Bahn 23 wieder im Abschnitt zwischen Bonn und Rheinbach. (Bir)

Rhein-Sieg-Kreis rechtsrheinisch

In Lohmar haben sechs Jahre alte Pläne Fahrt aufgenommen, die Agger zu renaturieren. Das alte Campingplatzgelände in Höhe von Burg Stolzenbach soll als Retentionsraum genutzt werden, der Fluss soll mäandern und einen Altarm bilden, was die Fließgeschwindigkeit vermindere und den Pegel nicht so anschwellen lasse. Ein zwölf bis 13 Zentimeter niedrigerer Pegel helfe der Ortschaft Donrath bereits, so die Argumentation von Kommunalpolitik und Stadtverwaltung. 80 Häuser waren beim Hochwasser überflutet worden, der Damm brach nur dank des Einsatzes der Feuerwehr und des städtischen Bauhofs nicht.

Finanzielle Soforthilfe des Landes

53,4 Millionen Euro sind bislang an Soforthilfen in den nahezu komplett betroffenen Kreis Euskirchen geflossen. 13 271 Anträge über eine Gesamtsumme von 28,5 Millionen Euro für Privathaushalte, 1689 (9,9 Millionen Euro) für Unternehmen. Zudem erhielt der Kreis 15 Millionen Euro, die auf die Kommunen verteilt wurden. (rah)

Der Rhein-Sieg-Kreis erhielten insgesamt zehn Millionen Euro, von denen circa 6,5 Millionen Euro auf die Bürger und etwa 1,5 Millionen Euro auf Unternehmen entfallen. In die im Linksrheinischen am stärksten betroffene Gemeinde Swisttal flossen 4,621 Millionen Euro. Die Städte Rheinbach und Meckenheim erhielten zwei Millionen Euro und 500 000 Euro. (jr)

3500 Soforthilfe-Anträge wurden im Rheinisch-Bergischen Kreis bislang gestellt. Wie hoch die beantragte Summe ist, kann der Kreis allerdings nach eigenen Angaben nicht sagen.

Die Kommune Erftstadt hat mit sechs Millionen Euro die gesamte Soforthilfe des Rhein-Erft-Kreises erhalten. Das hatten die Bürgermeister in einer gemeinsamen Sitzung entschieden. Die Stadt hat das Geld bereits Anfang August erhalten. (rom)

Hennef war bereits am 4. Juni vom Starkregen getroffen worden. Eine Bahnunterführung wurde geflutet, zahlreiche Keller standen voll, durch Kindergärten und Häuser rauschten die Fluten. Anwohner des Stadtteils Edgoven und Bürgermeister Mario Dahm (SPD) wandten sich an Ministerpräsident Armin Laschet und baten darum, dass die unbürokratischen Hilfen für die Opfer der Katastrophe vom 14. Juli auch für die Hennefer möglich gemacht würden. Dahm erhielt aus der Staatskanzlei die Antwort, dass die Landesregierung die Programme nicht für Betroffene aus Hennef von Anfang Juni öffnen wird. „Wäre mein Haus am 14. Juli von Starkregen und Überflutung getroffen worden, könnte ich Soforthilfe beantragen. Da es mich aber am 4. Juni erwischt hat, kann ich es nicht“, sagte Annette Becker, deren Haus vom Lüppigsbach überschwemmt wurde. (seb/rvg)

Rhein-Berg-Kreis

Nach der Hochwasserkatastrophe läuft im Rheinisch-Bergischen Kreis einiges gut an, an anderer Stelle hapert es noch. Die Hilfe durch Feuerwehr und Müllabfuhr, aber auch die Nachbarschaftshilfe in den Tagen nach der Katastrophe sind in Rhein-Berg besonders gelobt worden. Vor allem in Bergisch Gladbach und Rösrath gab es auch lokale Spendeninitiativen, die von öffentlicher Seite koordiniert wurden.

In sämtlichen betroffenen Kommunen sowie in den politischen Gremien des Kreises hat ein Umdenken eingesetzt. Insbesondere sämtliche künftige Bebauungsoptionen für Auenflächen sollen auf den Prüfstand und möglichst vermieden sowie zusätzliche Präventionsmaßnahmen getroffen werden. Gerade ist auch eine (schon vor der Flut initiierte) Starkregenkarte für den Kreis fertig geworden, die die Gefährdung an jeder Stelle im Kreisgebiet ausweist. (tr, wg)

Als unzureichend beschreiben Flutopfer in dem stark betroffenen Rösrather Stadtteil Hoffnungsthal, in dem das einzige Todesopfer im Kreisgebiet zu beklagen war, die Präsenz und Kommunikation durch die Stadt. Nun stehen wie überall die Ursachenanalyse und Maßnahmen zur Vorsorge an. (tr)

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