Im InterviewDiese Königswintererin möchte als erste deutsche Astronautin ins All

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Die Astronautin Insa Thiele-Eich beim Parabelflug

  • Insa Thiele-Eich will als erste deutsche Frau ins All. Schon seit ihrer Kindheit träumt die gebürtige Heidelbergerin von der Raumfahrt.
  • Ihr Vater Gerhard Thiele hat es ihr im Jahr 2000 vorgemacht: Als zehnter deutscher Astronaut.

Köln – Guten Tag, Frau Thiele-Eich. Nach früheren Plänen sollten Sie oder Ihre Kollegin Suzanna Randall 2020 als erste deutsche Frau zur Weltraumstation ISS fliegen. Weshalb hat es noch nicht geklappt?

Der Zeitplan war aus meiner Sicht schon zum Zeitpunkt meiner Bewerbung im April 2016 nicht haltbar, weil die kommerzielle Raumfahrt, und auf die sind wir für den Transport zur ISS angewiesen, noch nicht soweit war. SpaceX hat den ersten erfolgreichen astronautischen Start nicht wie damals im Oktober 2016 geschafft, sondern „erst“ im Juni 2020.

Allerdings braucht es natürlich immer auch ein Datum, auf das man hinarbeiten kann. Aber weil man in der Raumfahrt nie genau sagen kann, wann es denn tatsächlich losgeht, werden alle Termine mit einem „not earlier than“, also einem „nicht früher als“ versehen. Matthias Maurer beispielsweise hat sich 2008 als Astronaut beworben und startet jetzt nicht früher als Herbst 2021, bei meinem Vater war es übrigens von Bewerbung bis Start ein ähnlich langer Zeitraum. Wenn ich es also schaffe, vor 2029 ins All zu fliegen, bin ich noch gut dabei.

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Sie sind jetzt 38 Jahre. Gibt es eine Altersgrenze für den Flug ins All?

Nein, nur für die Bewerbung. Man konnte sich gerade bei der ESA als Astronaut:in bewerben, und durfte zu dem Zeitpunkt nicht älter als 50 Jahre sein. Das soll garantieren, dass man noch fit ist, wenn man ins All fliegt.

Sie sind also noch nicht ungeduldig?

Nein, tatsächlich nicht. Die Ausbildung dauert zwei Jahre und im Durchschnitt vergehen bis zum Flug gute fünf Jahre. Das sind Zeiträume die mir sehr vertraut sind, weil ich ja durch meinen Vater quasi in der Raumfahrt groß geworden bin. Mein Antrieb Astronautin zu werden basiert auch nicht allein auf dem Traum, ins All zu fliegen.

Ich ziehe tagtäglich Positives aus meinem Alltag als Astronautin. Ich empfinde eine große Dankbarkeit für das vielfältige und gleichzeitig anspruchsvolle körperliche und kognitive Training, und gleichzeitig mit so vielen Menschen über Raumfahrt und meine Arbeit als Klimaforscherin sprechen zu dürfen. Wenn es dann auch noch mit dem Flug ins All klappt, freue ich mich natürlich umso mehr. Auch wenn erstmal nur eine von uns fliegen darf.

Die Astronautin

Die private Initiative „Die Astronautin“ hat das Ziel, erstmals eine deutsche Frau ins All fliegen zu lassen. Bisher waren alle elf deutschen Astronauten männlich, mit Dr. Matthias Maurer, der im Herbst zur ISS fliegen soll, sind es dann sogar zwölf Männer.

Die Bremer Raumfahrtmanagerin Claudia Kessler hatte das Projekt gegründet, um Frauen und Mädchen für Technik und Naturwissenschaften zu begeistern. Mehr als 400 Frauen hatten sich beworben, sechs kamen in die Endrunde. Die Wahl fiel schließlich auf die Eurofighter-Pilotin Nicola Baumann und die Meteorologin Insa Thiele-Eich aus Königswinter. Baumann stieg jedoch überraschend aus. Für sie rückte 2018 die Astrophysikerin Dr. Suzanna Randall nach. Die gebürtige Kölnerin arbeitet an der Europäischen Südsternwarte in Garching und auch für „Alma“, eines der größten Radioteleskope der Welt in Chile. Sie beschäftigt sich mit der Evolution der Sterne. (kmü)

Verstehen Sie und Suzanna Randall sich als Team oder Konkurrenten?

Ich kenne wenige vergleichbare Situationen, in denen zwei Menschen über Jahre auf ein Ziel hinarbeiten, aber es dann tatsächlich zunächst nur eine erreichen kann. Wir haben aber trotz dieser vermeintlich großen Konkurrenzsituation ein sehr entspanntes Verhältnis.

Wie steht es um die Finanzierung des Projektes? Stimmt es, dass es nur spendenfinanziert ist?

Das Projekt sollte nie allein aus Spenden finanziert werden. Nur ganz am Anfang gab es eine Crowdfunding-Aktion für das allererste Training. Alle Kosten für das Basistraining, inklusive meinem Gehalt für meine 50 Prozent-Stelle, haben wir selbst erwirtschaftet. Der Flug zur ISS selbst spielt aber in anderen Dimensionen, er kostet 40 Millionen Euro.

Anfang vergangenen Jahres gab es hier vielversprechende Gespräche mit der Bundesregierung, die dann wegen bekannten Gründen nach hinten geschoben wurden. Die Gespräche sind aktuell wieder aufgenommen, und wir werden hier sicher in nächster Zeit Fortschritte machen.

Weshalb bedarf es überhaupt einer privaten Initiative, um als erste deutsche Frau ins All zu fliegen? Andere Nationen schicken doch schon seit vielen Jahren immer wieder Frauen zur ISS.

Da haben Sie Recht (lacht). Die letzte ESA-Auswahl war 2008, sieben Personen haben sich für das aktuelle Corps qualifiziert, darunter nur eine Frau. Das ist wenig, entspricht nicht mal dem prozentualen Eingang der Bewerbungen. Claudia Kessler hat dann 2014 während der ISS-Mission von Alexander Gerst allerdings gespürt, welche Begeisterung die astronautische Raumfahrt ausgelöst hat.

Es geht dabei um eine Grenze, die wir noch nicht kennen, die es zu entdecken gilt. Das ist ja etwas, was uns als Menschen ausmacht. Und wie wichtig wäre es, wenn auch einmal eine Frau von diesem Abenteuer berichtet. Wenn natürlich aktuell keine Stellenausschreibung aktiv ist, kann sich auch keine deutsche Frau qualifizieren – also hat sie die Initiative gegründet und eine Ausschreibung gestartet, die dann in großen Teilen sehr ähnlich zur ESA Auswahl 2008 ablief.

Wären Sie Stand heute bereit, ins All zu fliegen?

Ja. Suzanna Randall und ich könnten nahtlos ins missionsspezifische Training wechseln. Das dauert zwischen neun Monaten und einem Jahr. Unser Basistraining haben wir im November abgeschlossen, seitdem erhalten wir unsere Kenntnisse im erweiterten Basistraining. Zuletzt waren wir in der Humanzentrifuge und bei einer Höhlenmission für mehrere Tage unter der Erde.

Sie haben in Ihrer Ausbildung sowohl den Tauch- als auch den Flugschein gemacht. Was für Flugzeuge dürften Sie fliegen?

Cessnas, also Kleinflugzeuge, keine Rakete (lacht).

Gibt es schon konkrete Forschungsaufträge für Ihre Mission?

Wir werden auf jeden Fall Experimente zum Verhalten des Körpers in der Schwerelosigkeit machen. Das ist wichtig, weil es in Europa kaum Datensätze von Frauen gibt, da diese international nur eingeschränkt geteilt werden. Wir haben zwar mit dem DLR in Köln eines der führenden raumfahrtmedizinischen Institute, aber das hat nur zwei Datensätze von Frauen im All.

Es gibt aber signifikante Unterschiede im Verhalten zwischen männlichen und weiblichen Körpern in der Schwerelosigkeit. Vor allem bei den Augen, wo ich zumindest keine Unterschiede erwartet hätte. Bei etwa einem Drittel der Astronauten können Veränderungen an der Sehkraft festgestellt werden, bei Astronautinnen hat man das bisher auch international nicht beobachten können. Es gibt zwar Theorien zu dem Phänomen, aber wir haben Grundlegendes über die Augen offensichtlich noch nicht verstanden. Und dazu werden wir beitragen. Neben den Experimenten am eigenen Körper, was ein Sechstel der Zeit an Bord der ISS ausmacht, stehen weitere Experimente zur Materialforschung und natürlich auch Bildungsprojekte an. Aktuell haben wir unseren Grundschulwettbewerb Code4Space abgeschlossen, bei dem Kinder einen Minicomputer programmieren lernen und ein Programm für ein Experiment auf der Raumstation schreiben Das Gewinnerprojekt wird jetzt flugtauglich gemacht.

Falls statt Ihnen Suzanna Randall fliegen sollte, würde Sie dann die Experimente ausführen?

Ja. Wir trainieren beide bis zum letzten Tag zusammen, es kann ja immer noch sein, dass einer etwas passiert. Erst mal wird dann eine fliegen und idealerweise bei einer zweiten Mission die andere. Aber damit die zweite fliegen kann, muss erstmal die erste fliegen.

Würden Sie dann am Boden die Mission begleiten?

Ja. Dabei tröstet es mich, dass man Astronautin nicht nur im All, sondern auch schon während des Trainings und der Arbeit auf der Erde ist, wenngleich man per Definition mindestens 100 Kilometer über der Erde gewesen sein muss. Aber diese Begrifflichkeit ändert sich gerade, sicher auch dank der Kommerzialisierung der Raumfahrt und zunehmend, weil reiche Menschen einen kurzen Flug in diese Höhen kaufen können. Astronauten wie Alexander Gerst beispielsweise wären sie dann aber immer noch nicht.

Das Gespräch führte Klaus Müller

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