Neue Doku bei ArteWo Reinhold Messner seinen Bruder Günther verlor

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Messner und sein Bruder

Der damals 25-jährige Reinhold Messner (rechts) und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Günther im Jahr 1970

Berlin – Reinhold Messner kennen die meisten als den wohl berühmtesten Bergsteiger aller Zeiten. Er wäre es nicht geworden, hätte ihn im Sommer 1970 nicht ein unbändiger Überlebenstrieb vor dem fast sicheren Tod bewahrt. „Geplagt von Halluzinationen, abgemagert, völlig am Ende war ich bereit zu sterben. Mich in den Tod fallen zu lassen, wäre einfacher gewesen als weiterzugehen“, sagt er heute über diese Schicksalstage vor 51 Jahren.

Der Südtiroler ist und war längst nicht nur Bergsteiger. Er hat bereits einige Filme gedreht. Einer kommt nun ins Fernsehen – und handelt vom einschneidendsten Erlebnis, das Messner in seinem Leben widerfahren ist: „Nanga Parbat – Mein Schlüsselberg“ heißt er und kommt eigentlich ein Jahr zu spät. Denn 2020 jährte sich zum 50. Mal die Expedition auf den neunthöchsten Berg der Erde, bei der Messner seinen Bruder Günther verlor und jahrzehntelange Diskussionen um die Schuld auslöste.

König der Berge und „Killer-Berg“

Nanga Parbat heißt so viel wie „Der nackte Berg“. Von den Einheimischen im Norden Pakistans wird er auch „Diamir“ genannt – König der Berge. Andere sprechen vom „Killer Mountain“. Und im Nazi-Deutschland der 1930er-Jahre galt er als „Schicksalsberg“, weil damals etliche deutsche Bergsteiger bei dem Versuch ums Leben kamen, erstmals seinen Gipfel zu erklimmen – was erst 1953 dem Tiroler Hermann Buhl gelang.

Reinhold und Günther Messner sind 1970 zum ersten Mal im Himalaja, als sie an einer von Karl Maria Herrligkoffer geleiteten Expedition teilnehmen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den Nanga Parbat erstmals über die Rupalwand zu besteigen, die mit ihrer Höhe von 4500 Metern die gewaltigste auf der Erde ist. Zur Expedition gehört auch ein Kameramann, dem es Messner verdankt, dass er heute auf etliche bislang unveröffentlichte Bilder zurückgreifen kann.

Schlechtes Wetter lässt das Unterfangen beinahe scheitern, doch Reinhold Messner, der zusammen mit seinem Bruder im letzten Höhenlager ausharrt, hat mit Herrligkoffer ausgemacht, dass er den Aufstieg zum Gipfel im Alleingang wagen kann, wenn es den anderen Teilnehmern unmöglich ist. In der Nacht zum 27. Juni 1970 steigt aus dem Basislager eine rote Leuchtrakete auf – das Signal für schlechtes Wetter.

Gefährlicher Gipfelgang „wie in Trance“

Nachts um drei macht sich Messner auf den Weg – und bemerkt erst Stunden später, dass sein Bruder ihm gefolgt ist. Auf eigene Faust, schlecht ausgerüstet. Im Film spricht Messner von einem Gipfelgang „wie in Trance“. Oben angekommen, können sich die beiden über ihren Erfolg gar nicht recht freuen – es überwiegt die Sorge: Wie kommen wir hier bloß wieder runter? Günther Messner hat durch den schnellen Aufstieg die Höhenkrankheit ereilt, ein Abstieg über die Rupalwand wird unmöglich, zumal die beiden kein Seil zur Sicherung dabei haben. Sie entscheiden sich für eine andere Route.

Reinhold, der stets ein Stück vorauseilt und nach eigenen Angaben immer wieder von Halluzinationen heimgesucht wird, bemerkt nicht, wie sein Bruder von einer Lawine erfasst wird. Seine Suche ist erfolglos, mit letzter Kraft irrt er tagelang durch ein Gletschertal, hat sein erstes Nahtoderlebnis. Schließlich wird er von Baumfällern entdeckt, die ihm das Leben retten.

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Im Film spart Reinhold Messner auch die Vorwürfe von Expeditionsleiter Herligkoffer und anderer Teilnehmer nicht aus, die noch 2003 der Ansicht waren, er habe seinen Bruder dem Ehrgeiz geopfert. Erst 2005 werden Günther Messners Überreste in der Nähe des Diamir-Basislagers entdeckt, wohin er offenbar von schmelzenden Schneemassen getragen worden ist. Dies entkräftete den Verdacht, Reinhold habe seinen Bruder über die Rupalwand zurücksteigen lassen, während er selbst auf der Diamirseite abgestiegen sei.

Für seinen Film ist Reinhold Messner 2019 noch einmal zum Nanga Parbat gereist. „Kein Berg hat mich stärker geprägt als der Nanga Parbat“, sagt er. Und den Menschen, die ihm 1970 das Leben retteten, ist er bis heute verbunden: „Allein um den Nanga Parbat herum konnte ich vier Schulen errichten.“

Nanga Parbat – Mein Schlüsselberg. Arte, 1. Juli, 20.15 Uhr.

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