Raststätte bei ErkrathSo lief die erste nächtliche Lkw-Großkontrolle auf der A3

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Reul auf der A3

NRW-Innenminister Reul in Erkrath im Gespräch mit einem Polizisten.

Düsseldorf – Es ist 20.52 Uhr, als sich auf der Autobahn 3 bei Erkrath ein Streifenwagen vor einen Lastwagen mit niederländischen Kennzeichen setzt; auf dem Polizeiauto blinkt die Leuchttafel „Bitte folgen“. Bei strömendem Regen wird der Lastwagen zur nächsten Raststätte gelotst – zum Rastplatz Stindertal in Fahrtrichtung Köln. Dort stehen bereits mehrere Laster, die von Polizisten mit neongelben Signalwesten umringt sind. Der niederländische Lkw fährt in die letzte freie Parkbucht. Das sei eine Verkehrskontrolle, klärt ein Polizist den Fahrer auf, nachdem er ihn gefragt hat, ob er Deutsch sprechen würde.

„Fahrzeugschein und Papiere bitte, und steigen Sie bitte aus und öffnen den Anhänger, damit wir uns die Ladung anschauen können“, sagt der Polizist. Der Fahrer, ein Niederländer, muss sich erst einmal Schuhe anziehen; er ist nur mit Socken gefahren. Der Polizist schüttelt den Kopf. Zwischen Montagabend und dem frühen Dienstagmorgen hat zum ersten Mal in Nordrhein-Westfalen eine groß angelegte Lkw-Kontrolle in der Nacht stattgefunden, an zwei Standorten – neben dem Rastplatz Stindertal noch an einem bei Köln. Vorbild der Maßnahme ist die Polizei in Bayern, genauer gesagt die Verkehrspolizeiinspektion im mittelfränkischen Feucht, die ein Jahr lang Lastwagen nachts kontrolliert hat. Dabei kam heraus, dass Lkw-Fahrer nachts häufig die Vorschriften umgehen und die Kontrollgeräte manipulieren.

Tausende Laster täglich auf der A3

Die A3 zählt zu den verkehrsträchtigsten Autobahnen in Deutschland; sie ist für den Gütertransport auf Lastwagen unerlässlich. Täglich sind dort Tausende Laster unterwegs, eine typische Transitstrecke durch NRW. Der Rastplatz Stindertal liegt zwischen der Anschlussstelle Mettmann und dem Kreuz Hilden. 200 bis 250 Lkw fahren dort pro Stunde vorbei. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) schaut sich die Kontrolle am Montagabend vor Ort an, um von den Verkehrspolizisten zu lernen, wie er sagt. Und um ihnen zu danken: „Sie retten mit ihrer Arbeit Menschenleben“, sagt Reul.

Kontrolle bei Erkrath

NRW-Innenminister Herbert Reul machte sich ein Bild von der Lage.

Seit Jahren kommt es immer wieder zu schweren Unfällen mit Lastwagen. Im Jahr 2019 gab es in Nordrhein-Westfalen 4609 Unfälle mit Lkw-B eteiligung, bei denen Menschen verletzt oder getötet wurden; in 3063 Fällen war der Lkw-Fahrer der Unfallverursacher. Demnach sind Lkw-Fahrer für rund zwei Drittel der Unfälle verantwortlich. Laut Polizei spielt bei den Unfällen häufig Übermüdung der Fahrer eine Rolle. Aber: Bei den Kontrollen tagsüber sind die Verstöße gegen das Überschreiten der Lenkzeiten rückläufig – insbesondere seitdem von analogen auf digitale Kontrollgeräte umgestellt worden ist. Daher lautet die Vermutung der Polizei: Fahrer, die nachts durchfahren, könnten die Hauptverursacher der Unfälle tagsüber sein.

Am Lkw mit dem niederländischen Kennzeichen scheint etwas nicht zu stimmen. Es sieht so aus, dass die Ladung nicht vorschriftsmäßig gesichert ist. Auf dem Hänger befinden sich schwere Maschinen, die für Eierfarmen bestimmt seien, wie der Fahrer erzählt. Die Geräte sind mit Spanngurten fixiert und am Boden festgenagelt. Eher sporadisch, befind et der Polizist. „Wir rechnen das aus, ob das so okay ist“, sagt er. „Aus dem Bauch heraus würde ich sagen: Nein.“

Großer Leistungs- und Termindruck in der Branche

Wie lange eine Kontrolle im Schnitt dauert, kann die Polizei nicht sagen. Das sei abhängig von den festgestellten Mängeln, sagt Carsten Gesthüsen, Dezernent beim Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste (LZPD). „Das kann von einer halben Stunde bis zu mehreren Stunden dauern“, sagt er. Kontrolliert wird am Montagabend im Bereich der sogenannten Sozialvorschriften: Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten, der technische Allgemeinzustand der Fahrzeuge und die Ladungssicherung, weil das die Faktoren seien, die für die meisten schweren Verkehrsunfälle verantwortlich seien. „In der Branche gibt es einen ordentlichen Leistungs- und Termindruck. Den müssen die Fahrer irgendwie bewerkstelligen. Manche halten sich an die Vorschriften, manche nicht“, sagt Gesthüsen.

Kontrollen Erkrath

Bei einer groß angelegten Kontrolle des gewerblichen Personen- und Güterverkehrs durch die Polizei Düsseldorf sind zahlreiche Fahrzeuge kontrolliert worden.

Zeitdruck hat auch der Fahrer des niederländischen Lkw, bei dem die Polizei gerade nachschaut, ob die Ladung ausreichend gesichert ist. „Ich habe die Maschinen nicht selbst befestigt“, sagt er. Das sei schon alles so gewesen. Während die Polizei seinen Laster inspiziert, unterhält er sich mit einem Kollegen, den die Polizisten ebenfalls angehalten haben. Der Niederländer, so sagt er, ist auf dem Weg nach Österreich; von dort aus müsse er dann weiter nach Rumänien. Verständnis für die Kontrollen habe er zwar; die müssten sein, weil es schwarze Schafe in der Branche gebe. Aber er gehöre nicht dazu. „Ich muss schnell weiter. Habe keine Zeit zu verlieren. Ich muss liefern“, sagt er.

Es mangelt an Nachwuchs

Die Verkehrspolizei ist überaltert, es fehlt Nachwuchs. Und an Spezialisten. Experten weisen seit Jahren darauf hin. Und auch Reul bestätigt: „Uns fehlen die jungen Leute in dem Bereich. Wir müssen mit den Realitäten leben. Wir haben nicht für alles die aus reichende Anzahl an Experten“, sagt er. Einer dieser Experten ist Georg Leurs, Kontrollbeamter im Verkehrsdienst der Autobahnpolizei in Moers. Er ist einer von ganz wenigen Gefahrgutspezialisten bei der Polizei. Seit 20 Jahren macht er den Job schon. Die Arbeit bei der Verkehrspolizei müsse man auch mögen, sagt er. Sie sei aufwändig, zeitintensiv. „Eine Lkw-Kontrolle kann man nicht mal eben so schnell machen“, sagt Leurs. Um zu den absoluten Profis in dem Bereich zu gehören, bräuchte man mindestens fünf Jahre. „Da gibt es so viel zu lernen, so viel, worauf es zu achten gilt“, sagt er. Ein Grund, wieso viele Polizisten diese Tätigkeit scheuten.

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Das Bauchgefühl hat den Polizisten diesmal getäuscht; die Maschinen für die Eierfarmen auf dem niederländischen Lkw, die auf den ersten Blick eher wackelig fixiert zu sein schienen, sind vorschriftsmäßig gesichert. Nach gut einer Stunde fährt der Laster wieder vom Rastplatz Stinder tal. Der nächste wartet schon, um in die Parkbucht zu fahren.

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