So fit wie Donald Trump?Was es mit dem Demenztest wirklich auf sich hat

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Donald Trump

Lobt seine kognitiven Fähigkeiten: Donald Trump

  • Nachdem Donald Trump mit seinen kognitiven Fähigkeiten im bestandenen Demenztest geprahlt hat, erntete er viel Spott.
  • Auch der Urheber des Tests hat sich geäußert und relativiert das Trump-Bashing.

Na sowas: Donald Trump ist geistig gesund, und das ist wissenschaftlich erwiesen. Sagt er. Der Beweis sei ein Intelligenztest, den er überaus erfolgreich absolviert habe. O-Ton auf FoxNews: „Es ist tatsächlich nicht einfach, aber für mich ist es einfach.“

Gleich mehrere Interviews verliefen suboptimal, die der Tribun mit seinem ehemaligem Lieblingssender dieser Tage zu diesem Thema führte. Der New Yorker Medizinprofessor Marc K. Siegel etwa schien zu grinsen, als Trump ihm erklärte, „nur ganz wenige Leute“ hätten den Test derart erfolgreich bestanden. Das liegt auch daran, dass inzwischen genauer bekannt ist, welchen Test er meinte. Er heißt „Montreal Cognitive Assessment“ (MoCA) und soll (was Trump nicht erwähnte) Demenzsymptome erkennen helfen.

Nun ergießen sich Hohn und Spott über den Immobilien-Tycoon. „Damit herumzuprotzen, in diesem Test »brilliert« zu haben, ist dasselbe, wie damit herumzuprotzen, dass man sich am Morgen die Schuhe zugebunden hat“, ätzt jetzt etwa Twitter-Nutzer „chuuch“ (nach eigener Aussage Psychologe). „Die Art, wie unser Präsident über geistige Gesundheit redet, ist nicht hilfreich“, ergänzt der Demenzforscher Jason Karlawish (Universität Pennsylvania) in der New York Times. „Man könnte annehmen, dass er versteht, wozu der Test diente und was das Resultat war – nicht, dass er es zu einem Wettbewerb über geistige Gesundheit macht.“

Auch der Urheber des Tests hat sich geäußert, der kanadische Neurologe Dr. Ziad Nasreddine. MoCA sei „nicht dazu gedacht, den IQ oder die intellektuellen Fähigkeiten zu messen“, erklärte er der Washington Post. „Wenn jemand gute Leistungen erbringt, können Krankheiten wie Alzheimer, Schlaganfall oder Multiple Sklerose ausgeschlossen werden. Mehr sagt es nicht aus.“

Für Leute wie „chuuch“ hat der Experte keinerlei Verständnis. „Sie sagen, es ist ein Kindergartentest für Fünfjährige. Sie lassen es zu simpel aussehen“, rügt er im marketwatch-Gespräch. „Für Leute, die nicht kognitiv beeinträchtigt sind, soll er einfach sein.“ Mit wissenschaftlicher Neutralität verweigert er sich auch dem Trump-Bashing. „Auf beiden Seiten des politischen Grabens gibt es Fehlinformationen“, sagt er vorsichtig. Statistisch könne im Alter von 75 Jahren bereits jeder vierte Mensch kognitive Beeinträchtigungen aufweisen. Trump ist 74, Biden ist 77. Da überrasche es nicht, „dass diese Frage bei dieser Wahl zum Thema wird“.

Die Bitte nach Beispiel-Testbögen lehnt der Forscher ab. Seit Trump-bedingt allerlei Exemplare im Internet umlaufen (und sich per Google unter „Moca Test Trump“ auffinden lassen), sind er und seine Kollegen genervt, weil der Test seine wissenschaftliche Aussagekraft verliert – jeder kann jetzt fleißig vorab trainieren. Aus diesem Grund darf auch der General-Anzeiger den Fragebogen weder abdrucken noch online verlinken: Die Urheber haben es ausdrücklich untersagt.

Kein Hinderungsgrund jedoch, sich selbst zumindest diesem Teil der Anforderungen zu stellen, die der Anführer einer Weltmacht so zu bewältigen hat. Die Aufgaben passen auf ein Din-A4-Blatt, sollen binnen zehn Minuten absolviert werden und entstammen acht Anforderungsprofilen von „Räumlicher Wahrnehmung“ bis hin zu „Orientierung“. Der Proband wird von einem Experten angeleitet. Es sind unter anderem eine sehr einfache Skizze abzuzeichnen (etwa eines Stuhls oder eines Würfels), eine Folge von 24 zusammenhanglosen Buchstaben abzulesen und zwei vorgesagte Sätze nachzusprechen.

Manche Aufgaben sind aber auch etwas kniffliger. Frage 4c zum Beispiel: Bei 70 anfangend fünf Mal je 7 abziehen und die Zwischenergebnisse nennen (Kopfrechnen, o Gott!). Frage 5b: Man nenne binnen einer Minute mehr als elf Wörter mit S. So einige Zeitgenossen würden an beidem scheitern, oder? Und dann die Sache mit den Tieren in Aufgabe 2. Trump habe einen Elefanten richtig erkannt, spottet die Netzgemeinde. Aber daneben steht dieses aufgewickelte Wesen, das dem Betrachter seinen kragenartigen Hals entgegenreckt. Ist „Kobra“ korrekt? Oder würde doch „Schlange“ reichen? Und die Panzerechse bei Nummer 2c: Krokodil, Alligator oder Kaiman?

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In Frage 1b („Zeichnen Sie eine Uhr, die zehn nach neun anzeigt“) hat der Schreiber dieser Zeilen im Selbstversuch doch glatt vergessen, wie gefordert die Ziffern dazuzumalen. Noch kein Grund zur Sorge: Wer tatsächlich Alzheimer hat, zeichnet bei dieser Aufgabe zum Beispiel alle zwölf Ziffern in die obere Hälfte ein oder vergisst die Zeiger komplett. Doch Aufgabe 6 („Abstraktion“) reicht ins Metaphysische. Zwischen zwei Begriffen ist jeweils eine gedankliche Verbindung zu ziehen. „Beispiel: Banane und Orange = Frucht“, sagt die Anleitung. Was also ist die abstrakte Verbindung von „Bett“ zu „Tisch“? Wohnung? Hausrat? Möbel? Ehe? Ikea? Ach, der Möglichkeiten sind zu viele.

Gar nicht erst versucht habe ich Aufgabe 3: Da muss man sich fünf zusammenhanglose Wörter merken und sich fünf Minuten später noch daran erinnern können. „Das ist der schwierigste Teil des Tests“, sagt selbst Dr. Nasreddine. Jedenfalls für Leute mit kognitiver Beeinträchtigung. Vielleicht sollte ich mir also doch Sorgen machen. Dabei bin ich doch erst 50 und nicht 77.

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