Tausende AnzeigenEntwickeln wir in Corona-Zeiten eine Blockwart-Mentalität?

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Auch die Abstandsregel gilt nach wie vor.

  • In vielen Städten melden Bürger vermehrt Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung.
  • In Dortmund attestiert die Verwaltung manchen Bürgern gar eine „Blockwart“-Mentalität.
  • In der Regel wird allen Meldungen nachgegangen.

Düsseldorf – Volle Parks, gesperrte Spielplätze, auf denen trotzdem Kinder klettern, Spaziergänger, die zu dicht nebeneinander laufen, Jugendliche, die sich in kleinen Grüppchen treffen, oder der Nachbar, der zu viele Freunde eingeladen hat: In vielen Städten in der Region melden Bürger vermehrt Verstöße gegen die sogenannte Corona-Schutzverordnung bei der Stadt, wie eine Umfrage unserer Redaktion ergeben hat. „Der Inhalt der Anrufe variiert zwischen Aufklärung, Information, Nachfragen und Verstoß-Meldungen“, sagt eine Sprecherin der Stadt Köln. Dort sind bis zum 18. April 7359 Anrufe zum Thema Corona eingegangen. Die Zahlen würden einerseits den hohen Aufklärungs- und Informationsbedarf der Bevölkerung zeigen. „Und sie verdeutlichen gleichzeitig das Bestreben des Großteils der Bürger, sich zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus richtig zu verhalten“, so die Sprecherin.

Drei Cluster von Beschwerden

In Dortmund hat die Stadt zur Qualität der Beschwerden drei sogenannte Cluster ausgemacht: 1. Angstgesteuerte Beschwerden. 2. Beschwerdeführer, die sich an alle Regeln halten und es nicht einsehen, dass sich andere Menschen nicht an gültige Vorgaben und Regeln halten. 3. Blockwart-Beschwerden. „Dadurch, dass viele Menschen selbst zu Hause sind und Zeit auf dem Balkon verbringen, achten sie auch mehr auf ihre Umgebung und schicken dann Beschwerden“, sagt eine Sprecherin der Stadt Dortmund.

„Außerdem war festzustellen, dass zahlreiche Nachbarschaftsquerelen nunmehr einen Corona-Zusammenhang erhalten haben, die ein behördliches Einschreiten erforder lich machten“, so die Sprecherin.

Die Stadt Duisburg zählt bislang mehr als 2000 Meldungen. „Die Bürger reagieren im gesamten Stadtgebiet sehr aufmerksam und sensibel auf mutmaßliches Fehlverhalten“, sagt eine Stadtsprecherin. In Bonn sind in den vergangenen Wochen mehr als 700 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Kontaktverbot eingegangen. „Die Bußgeldstelle hat 360 Bußgeldbescheide erlassen“, so ein Sprecher der Stadt.

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In Remscheid sind seit Inkrafttreten der Regeln etwa 400 Meldungen eingegangen, in Moers sind es etwa 200 gewesen. „In zirka 70 Prozent der Fälle ging es um Verstöße gegen das Kontaktverbot, 30 Prozent bezogen sich auf Verstöße von Geschäften wegen Hygienemängeln“, sagt ein Sprecher der Stadt Moers. Jedoch würden sich viele Beschwerden bei den anschließenden Kontrollen nicht bestätigen, insbesondere bei den Geschäften.

Beim Ordnungsamt der Stadt Aachen gehen täglich etwa 60 bis 100 Anrufe von Bürgern ein, die Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung melden, dazu verzeichnet die Behörde etwa 150 Mails innerhalb der vergangenen vier Wochen. Das sei deutlich mehr als in Vor-Corona-Zeiten. Allen Meldungen werde nachgegangen.

Nicht alle Städte führen eine Statistik

Die Beschwerden gehen bei den Ordnungsämtern auf unterschiedliche Weise ein; in der Regel über Telefon und per Mail. Ebenso werden der Polizei Verstöße gemeldet. In Dortmund gleichen die beiden Leitstellen von Polizei und Ordnungsamt die jeweilig gemeldeten Einsatzorte ab, damit keine doppelte Arbeit anfällt und man schnellstmöglich eine Streife dorthin schicken kann.

Kontaktverbot und Abstand

Kontaktverbot: Bis 3. Mai sind Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen in der Öffentlichkeit vorerst weiterhin verboten. Ausnahmen gelten für häusliche Gemeinschaften, den öffentlichen Nahverkehr, Beerdigungen, die Begleitung von Minderjährigen und Personen, die Unterstützung benötigen sowie zwingend notwendige Zusammenkünfte. Abstand: Weiterhin gilt das Gebot, Abstand zu halten. Mindestens 1,5 Meter sind die Vorgabe der Landesregierung. Das gilt auch im Freien. Bei Verstößen können Bußgelder bis 200 Euro verhängt werden.

Nicht in allen Städten werden die Anzeigen gezählt oder in einer Statistik erfasst – etwa in Oberhausen. Aber dennoch bestätigt man dort ein erhöhtes Anzeigenaufkommen. „Bei der Stadt Oberhausen gehen seit Inkrafttreten der Corona-Schutzverordnung zahlreiche Anrufe ein“, sagt ein Sprecher der Stadt. Entsprechende Kontrollen werden dann durchgeführt. Auch in Leverkusen gibt es keine zentrale Erfassung. Dort hat man neben der Zunahme von Meldungen wegen des Coronavirus noch eine andere Beobachtung gemacht. „Gleichzeitig nehmen Meldungen wegen üblicher Verstöße wie Falschparken tendenziell ab“, so eine städtische Sprecherin.

Die Umfrage zeigt aber auch, dass es Städte gibt, in denen es kaum entsprechende Anzeigen gibt. Zum Beispiel in Witten. „Die Anzahl der Meldungen lässt sich an einer Hand abzählen“, sagt ein Sprecher der Stadt. Ähnlich sieht es in Hilden aus. In Neuss gehen täglich zehn bis 15 entsprechende Mails ein; hinzu kommen Anrufe. Dort stuft man das Anzeigeverhalten für so eine Lage nicht als auffallend ein. Und in Kleve meldet die Stadt: „Es sind nur sehr wenige Anzeigen von Dritten bei der Stadt eingegangen.“

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