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Viele Haustiere sind verstörtGroßer Rettungseinsatz für Tiere in der Flutkatastrophe

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Vor Hochwasser gerettete Tiere

Aus dem Teich- und Tiergehege in Sinzig konnten fast alle Tiere gerettet werden. 

Bonn – Hunde, die bei Evakuierungen ihrer Halter per Hubschrauber zurückgelassen werden mussten; vermisste Katzen, die während des Starkregens unterwegs waren, Rinder, die auf überschwemmten Weiden eingeschlossen oder Fische, die nach Ablaufen der Flut auf dem Land gestrandet waren - auch viele Tiere sind Opfer der Flutkatastrophe in Westdeutschland geworden. Nicht nur bei der Rettung von Menschen haben viele in den vergangenen Tagen angepackt.

Nach einem Hilferuf der Feuerwehr im Ahrtal ist beispielsweise ein elfköpfiges Team der Tierrettung Südbaden ins Katastrophengebiet geeilt. Es konnte zahlreiche Haustiere, aber auch Hühner, Gänse und Schafe retten. Hühner eines Stalls in Hanglage mussten etwa evakuiert werden, weil er abzurutschen drohte, erzählt Bernd Metzger vom Vorstand des Vereins. Noch immer herrsche an der Ahr „der absolute Ausnahmezustand“. Viele Tiere seien verstört und ängstlich. „Wie die Menschen sind sie völlig durch den Wind.“ Deutlich anzusehen sei ihnen auch, dass sie über Tage unterversorgt waren.

In Erftstadt war die Situation besonders kritisch

Von der Flut betroffen sind auch tierhaltende Höfe wie Pferdeställe und Milchviehbetriebe, erklärt Marielena Kipp, Sprecherin des rheinischen Landwirtschaftsverbandes. Besonders kritisch sei die Situation um Erftstadt gewesen; alle betroffenen Tiere hätten aber durch Freiwillige rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden können. In der Not habe es einen „großen Zusammenhalt“ zwischen Landwirten und ihren Nachbarn gegeben. In Wesel konnten mithilfe der Feuerwehr Rinder, die auf einer Weide am Rhein vom Wasser eingeschlossen waren, auf eine Anhöhe getrieben werden.

Auch der Deutsche Tierschutzbund unterstützt Tierfreunde bei der Rettung. Am Wochenende hat der Verband eine Notfallhotline freigeschaltet, über die Betroffene rund um die Uhr an Anlaufstellen vermittelt werden. Retter hätten „Übermenschliches“ geleistet, um Tierhaltern und Tieren zu helfen, lobt Tierschutzbundpräsident Thomas Schröder. Der Verein Tasso hat die Aktion „Trockene Pfoten“ ins Leben gerufen und eine Hotline für vermisste Haustiere freigeschaltet. Unter anderem schicke er Transponder-Lesegeräte ins Katastrophengebiet, erklärt Tasso-Sprecherin Sonja Slezacek. So können gechippte Fundtiere schneller identifiziert und Halter ausfindig gemacht werden.

In der freien Wildbahn sind Jungtiere besonders betroffen

Betroffen sind auch Wildtiere. Das bestätigt Günther Klein, Sprecher des Landesjagdverbandes Rheinland-Pfalz: Vor allem Jungtiere könnten durch die großen Verwüstungen ums Leben gekommen sein, weil sie sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten. Dies treffe vor allem den Nachwuchs von Bodenbrütern, deren Gelege weggeschwemmt wurden, oder auch Junghasen. Wildtiere leiden nach Angaben des Tierschutzbundes aber auch unter ausgelaufenem Benzin und Heizöl, das Trinkwasser verunreinigt und das Gefieder von Vögeln und Fledermäusen verkleben kann.

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Tierretter Metzger betont, dass die Hilfe auch den Haltern gut tut - dem verzweifelten Mann, der stundenlang um seine auf einen Baum geflüchtete Katze bangt, die in Tränen aufgelöste Frau, deren Hund verletzt ist. Metzger ärgert es, dass die Tierrettung zunächst als „unnötig erachtet“ worden sei. „Wir hatten anfangs große Probleme, in die Gebiete reinzukommen, inzwischen ist die Akzeptanz sehr groß“.

Viele Tiere mussten tagelang ohne Futter ausharren

Das bestätigt auch Marcus Barke vom Leverkusener Verein Dogman Tierhilfe, der mit seinem Team über 100 Tiere gerettet hat. „Erst nach langem Kampf konnten wir helfen“, sagt er. Er habe mit den Verantwortlichen vor Ort zweieinhalb Tage gerungen, bevor sein Team Tiere holen konnte, die mehrere Tage ohne Futter und Wasser ausharren mussten. Manche Halter hätten sich auch geweigert, ohne ihr Tier ihr Zuhause zu verlassen, und dadurch ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt.

Eine Haltung, die der Münsteraner Theologe Rainer Hagencord gut verstehen kann. Es sei „sehr verständlich, wenn Menschen in Krisensituationen mit ihrem Herzen an ihrem Tier hängen und alles tun, mit ihm zusammen zu bleiben beziehungsweise dieses Tier auch zu retten“, findet der Gründer des Instituts für Theologische Zoologie. Gerade für Senioren seien Katzen, Hunde und Co oftmals die einzigen Begleiter in ihrer Einsamkeit, so Hagencord.

Tierretter Barke wünscht sich, „dass Tiere einen höheren Stellenwert bekommen“ und dass die Tierrettung in den Katastrophenschutz eingebunden wird. Vielleicht inspiriert dabei ein Blick ins Alte Testament: Auf der Arche Noah wurden Tier und Mensch vor der Flut gemeinsam gerettet. 

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