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„Am Ende waren wir alle bewegt“Wie eine Musikerin das Geisterkonzert in Köln erlebte

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Gürzenich

Zeichen der Corona-Pandemie: Das Gürzenich-Orchester vor leeren Rängen

  • Das Gürzenich-Orchester musste wegen Corona vor leeren Reihen spielen.
  • Erst kurz zuvor war das Konzert abgesagt worden, wegen des Verbotes von Veranstaltungen mit mehr als 1000 Zuschauern.
  • Gespielt wurde trotzdem.

Köln – „Das war schon sehr speziell, irgendwie komisch und für die Musiker eine Herausforderung“, sagt Konzertmeisterin Natalie Chee unserer Zeitung über das „Geisterkonzert“ des Gürzenich-Orchesters vom Dienstagabend. Diese ungewöhnliche Darbietung hatte sich in der Corona-Krise sehr kurzfristig aus dem nordrhein-westfälischen Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern ergeben. Somit wurde das Konzert aus der leeren Philharmonie nur per Live-Stream übertragen.

Moderator Patrick Hahn (Künstlerischer Programmplaner des Orchesters) begrüßte das Publikum „zu einem Konzert, wie wir das alle in unserem Leben nicht erlebt haben“. Dirigent Sylvain Cambreling stimmte zu: „Das ist ein neues Experiment für mich. Interessant – probieren wir mal.“ Wobei der Abonnent des Streaming-Kanals aufgrund der kurzfristigen Ansetzung der Übertragung diesmal mit einer starren Kamera vorlieb nehmen musste.

Spielen ohne Zuhörer eigentlich das Schlimmste

Gegenüber Patrick Hahn sprach Konzertmeisterin Chee von einer „wichtigen Erfahrung“, denn es sei „für einen Musiker fast das Schlimmste, ihm das Publikum wegzunehmen“. Nachdem man das  Programm mit Werken von Hector Berlioz und Charles Ives schon zweimal vor vollem Haus gespielt habe, „war vor diesem drittem Mal ohne Publikum schon eine gewisse Irritation im Orchester spürbar“, sagt Chee am nächsten Tag der Rundschau.

Und die Akustik? „Sie ist in der Philharmonie natürlich auf das Spiel vor Publikum abgestimmt, und [WH1] so hat dieses Konzert am Dienstagabend ganz anders geklungen als die vorigen“. Und zwar gegenüber dem normalen Konzert „halliger, fast wie in einem Badezimmer. Was dazu führt, dass man auch die anderen Musiker auf der Bühne schlechter hört“.

Kein störender Husten

Es sei daneben auch ungewohnt, in feiner Konzertgarderobe nur für die Kameras zu spielen. „Das erinnert fast an Karajans Fernsehaufnahmen in den 60er Jahren mit lauter Herren im Frack. Das wirkt heute unglaublich steril.“ Zwangsläufig fehlten zwar Ablenkungen durch Husten oder Beifall an falscher Stelle,  [WH2] „aber vor allem fehlte die Energie und Spannung, die man als Musiker in einem vollen Saal spürt“.

 Doch die bange Ahnung von der anfänglichen Tonprobe, dass man hier nur für sich selbst spiele, verflüchtigte sich. „Wir haben erfahren,  dass offenbar doch 8500 Leute zuhörten. Und am Ende waren wir doch alle sehr bewegt von der Aktion.“ Auch wenn der Beifall nach dem letzten Ton ausblieb.

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Als der NRW-Erlass verkündet wurde, hat die Geigerin durchaus „eine gewisse Ratlosigkeit“ im Kollegenkreis gespürt. Auch sie selbst, die nächste Woche nach Australien zu ihren Eltern fliegen wollte, gerät ins Grübeln, „ob ich ins Flugzeug steigen soll“. Auch frage man sich schon, ob denn 1000 Zuschauer eine vernünftige Grenze darstellten und es bei 900 sicher sei, „aber wahrscheinlich braucht man eben im Moment einfach eine konkrete Zahl“.

Letztlich dürfte sie mit Patrick Hahn einig sein, der zum Schluss ins nur per Bildschirm zuhörende Publikum meinte: „Sie haben uns gefehlt, und wir hoffen, Sie bald wieder im Konzert begrüßen zu dürfen.“

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