„Ohne Schuld“Charlotte Links neuer Roman ist ungewöhnlich brutal

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charlotte Link

Krimi mit Kopf­kino-​Qua­li­tät: Charlotte Link.

Köln – Seit Jahrzehnten führt sie die Bestsellerlisten an und hat inzwischen mehr als 25 Romane veröffentlicht. Nicht alle konnten überzeugen, einige, wie „Das andere Kind“ (2009), waren ausnehmend schwach. Mit „Ohne Schuld“, dem dritten Band ihrer Reihe um die Polizisten Kate Linville und Caleb Hale, hat Charlotte Link nun aber wieder einen Treffer gelandet.

Auch wer die beiden Vorgängerbände, „Die Betrogene“ (2015) und „Die Suche“ (2018), nicht kennt, nimmt schnell Anteil an den Hauptfiguren. Kate Linville, äußerlich unscheinbar und mit schwachem Selbstwertgefühl ausgestattet, verfügt in hohem Maße über Intuition, wenn es um die Aufklärung von Verbrechen geht: „Sie war ein kluger Kopf, hatte einen scharfen, analytischen Verstand, daneben auch die Fähigkeit, Dinge zu erahnen, die ungreifbar und nur schattenhaft im Raum schwebten.“ Caleb Hale ist eine Führungspersönlichkeit. Doch der gut aussehende Endvierziger leidet unter seinem Beruf, er betäubt sich mit Alkohol und Sex.

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Als die Handlung einsetzt, hat Kate gerade bei Scotland Yard gekündigt, um mit Hale als künftigem Chef bei der North Yorkshire Police anzuheuern. Er ist der Einzige, der ihre Fähigkeiten würdigt, auch gefühlsmäßig ist er ihr keineswegs gleichgültig. Doch dann gerät eine Geiselnahme außer Kontrolle und Hale, im Dienst angetrunken, wird suspendiert. Dass sie trotzdem wieder gemeinsam ermitteln, versteht sich von selbst.

Überzeugende Psychogramme der Akteure

In gewohnter Link-Manier werden Geschehnisse, die in der Vergangenheit liegen, in Form von Rückblicken und Erinnerungen erzählt. Es gibt einen Ich-Erzähler, von dem man nicht weiß, wer er ist, dem aber eine Schlüsselfunktion in einer Tragödie zukommt, die sich einst ereignet hat. Was das mit dem Mordversuch an einer übergewichtigen Hausfrau mittleren Alters und dem Attentat auf eine sportliche junge Lehrerin zu tun hat, müssen Leser, Linville und Hale gleichermaßen enträtseln. Lange Zeit tappen alle im Dunkeln, viele Hinweise führen in die Irre, es gibt immer wieder Überraschungen.

Überzeugend geraten die Psychogramme aller beteiligten Figuren. Statt sie stereotyp in Schwarz und Weiß zu zeichnen, hat Link ein subtiles Gefühl für Graustufen. „Ohne Schuld“ ist kaum jemand in dieser Geschichte, auch Täter können Opfer sein oder Opfer zu Tätern werden. Stellenweise geht es dabei, für Linksche Verhältnisse, sehr brutal zu. Fast übler noch als das, was beschrieben wird, ist das, was die Autorin weglässt. Am Ende des Krimis läuft das Kopfkino weiter. Und statt Erleichterung macht sich namenloses Grauen breit.

Charlotte Link: Ohne Schuld. Blanvalet, 543 S., 24 Euro.  

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