70 Jahre PeanutsEin Hoch auf das Universum der sympathischen Verlierer

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Die Charaktere der Peanuts feierten einen weltweiten Siegeszug.

  • Vor 70 Jahren erschien der erste „Peantuts“-Comic.
  • Zeichner Charles M. Schultz schuf ein Universum liebenswerter Verlierer.
  • Bernhard Hartmann blickt auf die Geschichte zurück.

Bonn – Es gibt einige Tage, die im Kalender von Charlie Brown und seinen Freunden rot angestrichen sind. An Halloween wartet Linus, der mit der Schmusedecke, sehnsüchtig auf den Großen Kürbis, der, so glaubt der sensible Knirps, den Kindern erscheint und ihnen Geschenke bringt.

Schroeder, der mit dem Spielzeugklavier, zelebriert hingegen alljährlich am 16. Dezember den Geburtstag seines Idols Ludwig van Beethoven. In diesem Jubiläumsjahr 2020 hätte nicht nur Schroeder allen Grund zu feiern, denn neben dem Umstand, dass sein Lieblingskomponist am nächsten 16. Dezember vor genau 250 Jahren in Bonn geboren wurde, könnte er zusammen mit Charlie Brown, Snoopy, dem Hund, Linus, Lucy und allen anderen Freunden ebenfalls einen runden Geburtstag begehen: Denn vor genau 70 Jahren, am 2. Oktober 1950, veröffentlichte der Cartoonist Charles M. Schulz den ersten Comic-Strip seiner „Peanuts“-Reihe, der zugleich in sieben US-amerikanischen Zeitungen erschien. Und gleich wird Charlie Brown von einem unbekannten Jungen angegangen: „Der gute alte Charlie Brown“, ruft der dem Vorbeigehenden vermeintlich wohlwollend zu – um im letzten Bild zu rufen: „Wie ich ihn hasse!“

In 75 Ländern abgedruckt

Insgesamt wurden die Abenteuer von Charlie Brown und seinen Freunden von rund 2600 Zeitungen in 75 Ländern gedruckt und zählen noch heute zu den erfolgreichsten Comic-Serien aller Zeiten. Ihr Ende kam erst im Jahre 2000, als Charles M. Schulz mit 78 Jahren den Zeichenstift für immer aus der Hand legte.

In den meist aus vier Bildern bestehenden Cartoons skizzierte Schulz eine Gruppe amerikanischer Vorstadtkinder, die sich zwischen Schule und Baseball mit den  Widrigkeiten des Lebens auseinandersetzen müssen. Erwachsene spielen in dieser Welt keine Rolle; wenn sie in späteren Zeichentrick-Animationen auftauchen, sprechen sie im Gegensatz zu den Kindern nicht, sondern geben lediglich unverständliche Laute von sich.

Im Mittelpunkt immer: Charlie Brown, kein durchtriebener Lausbub, sondern ein klassischer Verlierertyp. „Gewinnen ist großartig, aber nicht lustig“, verriet Schulz einmal seine Motivation, einen solchen Antihelden zu erschaffen. Der Junge mit dem zickzackgemusterten gelben Pullover und den drei Haaren auf dem kahlen Kopf schaut meist eher melancholisch drein und ist permanent dem Spott seiner Umwelt ausgesetzt. Vor allem als Trainer des Baseball-Teams, das sich aus seinen Freunden rekrutiert und  — natürlich — äußerst erfolglos agiert.

Die Liebe spielt immer mit

Ach, ja, auch die Liebe spielt in Schulz’ „Peanuts“-Mikrokosmos eine große Rolle. Sally liebt Linus, die bebrillte Marcie und Peppermint Pattie lieben Charlie Brown. Der weist beide jedoch kühl zurück. Er träumt von dem kleinen rothaarigen Mädchen aus der Parallelklasse und wünscht sich nichts mehr, als das Pausenbrot mit ihr zu teilen. Wozu es natürlich nicht kommt, was Chsrlie Brown zu dem denkwürdigen Seufzer bringt: „Nichts auf der Welt raubt Erdnussbutter so sehr den Geschmack wie unerwiderte Liebe.“

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Charles M. Schulz vor einem Blatt mit der gezeichneten Figur des Charlie Brown. 

Auch Lucy ist schwer verliebt. Schroeder ist ihr Angebeteter – der kleine Virtuose am Spielzeugklavier. Man weiß freilich nicht so recht, warum Lucy Schroeder liebt und schmachtend halb auf seinem Kinderflügel liegt. Denn weder mag sie klassische Musik, noch wird ihre Liebe erwidert: Jemand, der Beethoven nicht liebt, hat bei Schroeder schlechte Karten.

Manchmal aber kann Schroeder sie nicht ignorieren. In einem der Strips fragt ihn die listige Lucy, ob er am Samstag einen guten Tag gehabt habe. „Samstag?“, fragt Schroeder zurück, ohne den über die Tasten gebeugten Kopf zu heben. „Letzten Samstag“, insistiert Lucy, „16. Dezember, Beethovens Geburtstag!“.Man sieht Schroeder selbst in der Schwarz-Weiß-Zeichnung förmlich erbleichen und entsetzt den Kopf heben. Mit einem „Oh, no“ senkt sich der Kopf wieder über die Tasten. Für Schroeder wahrscheinlich die schlimmste Kränkung seiner ewig jungen Karriere.

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Tatsächlich ist der Knirps ein zurückgezogen lebendes Wunderkind. Auf dem Spielzeugklavier, das ohne schwarze Tasten auskommen muss, spielt er die virtuosesten Sonaten. Selbst die für manche Profis unspielbare „Hammerklaviersonate“ zählt zu seinen Repertoirestücken.

Auch Schroeder ist ein Antiheld – in der Zeit des aufkommenden Rock ’n’ Roll in den 50-er Jahren, als Chuck Berrys „Roll Over Beethoven“ die Klassik-Fans das Fürchten lehrte. Er tut es nicht wegen der bildungsbürgerlichen Eltern. Sondern ganz einfach,  weil der kleine Schroeder Beethoven liebt.

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