AlltagskulturAusstellung „Syrien – Gegen das Vergessen“ in Köln eröffnet

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Ausstellung RJM

Aus Aleppo stammen der Mantel und das grüne Kleid, die zu Hochzeiten getragen werden.

Köln – „Krieg kann Häuser zerstören, aber den Alltag kann er nicht zerstören.“ Jabbar Abdullah weiß, wovon er spricht. Ende 2014 kam der syrische Archäologe als Flüchtling nach Köln. Schon bald entstand die Idee, den Nachrichtenbildern vom Krieg etwas entgegenzusetzen: Artefakte aus der langen Geschichte des Landes in Verbindung zu bringen mit Alltagsgegenständen sowie Fotos und Filmen, von denen einige ganz aktuell entstanden sind. Das Resultat ist nun im Rautenstrauch-Joest-Museum zu sehen: „Syrien – Gegen das Vergessen“.

Die alte Heimat in Raqqa

Die Schau wirft unter anderem Schlaglichter auf die Regionen um die Städte Damaskus, Aleppo und Raqqa. Gerade die neuen Filme aus seinem Heimatort zu sehen, sei für ihn „sehr emotional“ gewesen, so Jabbar Abdullah, der seit gut zehn Jahren nicht mehr dort war und aufgrund der politischen Verfolgung auch nicht in absehbarer Zeit in seine Heimat reisen kann. „Aber ich freue mich, dass alles noch da ist, dass es noch existiert“, sagt er, während in der Projektion Szenen aus einem Dorf zu sehen sind, „durch das ich regelmäßig kam, wenn ich nach Aleppo gefahren bin“.

Kurator Syrien RJM

Kurator Jabbar Abdullah.

Es sind diese persönlichen Geschichten, die noch mehr nachwirken als der Anblick der fein gearbeiteten Schmuckstücke oder des farbenprächtigen Teppichs, beides Handarbeiten aus dem 19. Jahrhundert – wie viele Stücke der Ausstellung sind dies private Leihgaben.

Syrische Ausstellung: Verschiedene Religionen im Land

Syrien ist nicht nur ein Land mit verschiedenen Volksgruppen, sondern auch unterschiedlichen Religionen, von denen vor allem seit der Unabhängigkeit des Landes 1946 die Juden extremer Unterdrückung ausgesetzt waren und das Land verließen, wenn sie konnte. Aber auch sie konnten im Exil ihre Heimat natürlich nicht vergessen. So zeigt Jabbar Abdullah eine Karte des jüdischen Viertels in Damaskus, die ein Mann namens Joseph Elia viele Jahre nach seiner Emigration angefertigt und in der er für ihn wichtige Orte markiert hatte. „Und sie ist zu rund 95 Prozent korrekt“ – wie etwa die dazugestellten Filmaufnahmen belegen.

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Auf Erklärtexte oder Beschriftungen von Vitrinen wurde weitgehend bewusst verzichtet, um die Gegenstände und die (bewegten) Bilder für sich sprechen zu lassen. So können Besucherinnen und Besucher, die aus Syrien stammen (davon gibt es rund 15 000 in Köln) in Erinnerungen schwelgen, alle anderen können zunächst die Alltagskultur durch bloßes Betrachten erkunden – weiterführende Informationen finden sich in einem im Museum ausliegenden Begleitheft.

Auf Arabisch

Bis zum 11.9. ist die Ausstellung im ersten Stock des Rautenstrauch-Joest-Museums zu sehen (geöffnet Di bis So 10–18 Uhr, Do 10-20 Uhr und 1. Do im Monat: 10–22 Uhr).

Auf 19.6. und 14.8. wird Jabbar Abdullah selber durch die Schau führen – auf Deutsch und Arabisch. Informationen zum weiteren Rahmenprogramm unter rautenstrauch-joest-museum.de (EB)

Kurator Abdullah musste viele Museen anfragen

Für Oliver Lueb, den stellvertretenden Direktor des RJM, reiht sich die Präsentation „in die Folge vergangener Ausstellungen ein, in denen Personen und Personenkreise Geschichten erzählen, die uns ansonsten verschlossen sind“. Allerdings öffneten sich diese Türen für Jabbar Abdullah nicht automatisch. Vier Jahre lang schlug er seine Idee verschiedenen Häusern vor, lange Zeit sah es so aus, als würde „Gegen das Vergessen“ im Ideenstadium stecken bleiben. Doch Abdullah ging hier mit derselben Beharrlichkeit zu Werke wie beim Erlernen der deutschen Sprache, die er fließend beherrscht und heute auch nutzt, damit die Kultur seiner alten Heimat nicht in Vergessenheit gerät.

Während in dieser sehr persönlichen Präsentation vieles unbeschwert und lebensbejahend scheint, verbirgt sich dahinter noch eine weitere Ebene: „Es ist nicht ungefährlich, in Syrien zu filmen, deshalb habe ich die Namen von einigen, die Beiträge gedreht haben, nicht erwähnen können.“ Auch das darf nicht vergessen werden.

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