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Auftakt unserer „Abba“-SerieAbba will es noch mal wissen – muss das sein?

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Björn, Agnetha, Anna-Frid und Benny (von links), als sie für die Abba-Voyage-Show gefilmt wurden.

Björn, Agnetha, Anna-Frid und Benny (von links), als sie für die Abba-Voyage-Show gefilmt wurden.

  • In unserer sechsteiligen Serie begleiten wir das Wirken der schwedischen Kult-Band Abba.

Köln – Wer Abba hört? Alain Barthel weiß Bescheid: „Alle Menschen, die lebenslustig sind“, sagt er, „von acht bis achtzig“. Und wenn Barthel „alle“ sagt, meint er alle: „Handwerker, Büroangestellte, Akademiker.“ Um das zu untermauern, holt er zum ganz großen Vergleich aus: „Es ist wie bei den Beatles. Die Musik ist generationenunabhängig, weil es jeden mal erwischt.“ Glück und Trauer, Liebe und Leid: Abba hat Musik für alle Lebenslagen geschrieben.

Barthel ist mehr als nur ein Abba-Fan. Er hat die Webseite „abba.de“ ins Leben gerufen. Auf dieser Seite gibt es gefühlt nichts, was es nicht gibt im Abba-Kosmos: die neuesten Neuigkeiten und das Basiswissen über die Band und die vier Musiker, Videoschnipsel und Fotos, den Onlineshop für Fanartikel und Tonträger. Wer die Seite anklickt, begibt sich auf eine Zeitreise – technisch ist abba.de auf dem Stand von 1997 hängen geblieben; damals hat Barthel die Seite online gestellt.

Lobhudeleien auf dem virtuellen Abba-Stammtisch

Die 300.000 Mitglieder im Forum stört das nicht: Hier sitzen sie ohne Sperrstunde am Abba-Stammtisch, um sich virtuell gegenseitig den gottgleichen Status der Band zu bestätigen. Ob jetzt der Relaunch ansteht und abba.de den Schritt mitgeht, den die Band gegangen ist? Bei ihrem Comeback präsentiert sich Abba mithilfe der neuesten Raffinessen, die die Computertechnik bietet: Sie haben „Abbatare“, virtuelle Abbilder ihrer selbst, erstellen lassen, die ab 27. Mai 2022 in der eigens erbauten Abba-Arena in London neben echten Musikern auf der Bühne schweben werden. Die Fortsetzung einer Erfolgsgeschichte, die mit der „Pause“ 1983 keineswegs endete.

Der Durchbruch gelang Abba mit „Waterloo“

Zehn Jahre lang hatten Agnetha Fältskog, Anni-Frid Lyngstad, Benny Andersson und Björn Ulvaeus bis dahin ein gewichtiges Wort in der Welt des Pop mitgesprochen. Der Durchbruch gelang 1974 beim Grand Prix D’Eurovision mit „Waterloo“, darauf folgte Hit auf Hit: „Fernando“, „Chiquitita“, „Money Money Money“, „Mamma Mia“, „The Winner Takes It All“. Das Bemerkenswerte dabei: Abba bedient ein breites Spektrum musikalischer Genres, vom Rock’n’Roll bis zur Ballade, vom Charleston-Retro bis zum Musicalpop. Und dabei ist Anderson und Ulvaeus das Kunststück gelungen, bei aller Variabilität den typischen Abba-Sound zu schaffen. Den wiederum haben der Einfallsreichtum, die Perfektion und vor allem die Stimmen von Agnetha und Anni-Frid maßgeblich geprägt. Gleichzeitig haben die Songs einen hohen Wiedererkennungswert: Wer auch nur an Abba denkt, hat sofort einen Song im Ohr und bekommt ihn stundenlang nicht aus dem Kopf.

In den 90ern Ikonen in der Schwulen- und Lesbenbewegung

Abba lebte trotz Pause weiter. Anfang der 1990er-Jahre entdeckte die Schwulen- und Lesbenbewegung die Musik, 1999 folgte das Musical „Mamma Mia“, das 2008 verfilmt wurde, später tourte eine Ausstellung mit Abba-Devotionalien durch die Welt und fand im Abba-Museum in Stockholm eine Heimat. Am 27. April 2018, gaben die vier bekannt, dass sie ihre Pause beenden würden.

Vierzig Jahre später sind Agnethas und Anni-Frids Stimmen älter geworden – die beiden Sängerinnen sind mittlerweile 71 und 76 Jahre alt; da verändert sich das Timbre unweigerlich. Der Sound erscheint hingegen nur leicht modifiziert: Es ist der Abba-Sound auf die Höhe unserer Tage gehoben. Das kommt an: Seit „I Still Have Faith in You“ und „Don’t Shut Me Down“ auf Youtube zu hören sind, überschlagen sich die Fans in ihrer Begeisterung. Als „Regen in der Wüste“ bejubelt einer im Forum auf abba.de die Songs.

Doch nicht alle Abba-Fans teilen die Euphorie. René Deutscher, Sohn des Schlagerstars Drafi Deutscher, ist selbst Schlagerproduzent und bekennender Abba-Fan. Auf seiner Facebook-Seite schreibt er, er habe Schwächen bemerkt, die vor Jahren undenkbar waren: Die Chöre sitzen nicht!“ Im Gespräch sagt Deutscher: „Abba der 1980er-Jahre war ohne Technik auf den Punkt.“ Jetzt lässt das Ergebnis Wünsche offen, trotz modernster Technik. Außerdem kritisiert Deutscher das Marketing; die Singles haben die schlechteste Bilanz aller Abba-Singles eingefahren. Und die Show mit den Avataren? „Das finde ich wahnsinnig interessant“, sagt Deutscher. „Es ist gut, dass Abba nicht live auf der Bühne steht. Da kann man nur verlieren.“ Ansehen wird er sich die Show aber nicht. „Ich lasse mir meinen Eindruck nicht kaputtmachen“, sagt er.

Der neuen Abba-Manie tut das keinen Abbruch. Am 5. November erscheint das Album, die Show läuft ab 27. Mai 2022 in London beinahe täglich.

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