Ausstellung zu Marcel DuchampFrankfurt zeigt eine umfassende Dada-Schau

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Pissoir Duchamp

Das Exponat "Porzellanurinal (1917/1964)" 

Frankfurt/Main – Man steigt niemals in den gleichen Fluss, das hat schon Heraklit gesagt, und das hat sich Marcel Duchamp (1887 -1968), einer der Protagonisten des New Yorker Dada, offensichtlich zu Herzen genommen.

Wenn dazu noch eine so perfekte Inszenierung kommt wie gegenwärtig im Frankfurter Museum für Moderne Kunst (MMK), dann kann neues Nachdenken beginnen über jene sonderbare Strömung zwischen den beiden großen Weltkriegen, die sich Surrealismus nennt. Kuratorin und Museumsleiterin Susanne Pfeffer hat einige Jahre darauf verwendet, sich auf diese umfassende Ausstellung vorzubereiten und die 700 Exponate aus aller Welt zusammen zu holen.

Natürlich kennt wohl jede(r) den berühmten „Flaschentrockner“ oder das Urinal mit dem Titel „Fountain“ (1914) aus der Reihe der Readymades. Hier hängen diese Alltagsgegenstände hoch unter der Decke akzentuiert im Raum und werfen ihre langen grauen Schatten (gemalt) an die Wand.

Kreative Anstöße

Doch wer sich durch das Haus mit seinen drei Etagen langsam nach oben schraubt und den Zeichner und Maler Marcel Duchamp in der ersten Etage hinter sich gelassen hat, der wird eben diesen Readymades in immer neuen Abwandlungen begegnen. Bis er schließlich ganz oben in den berühmten Schachtelkoffern eine Zusammenschau findet. In der Ausstellung sind zum ersten Mal alle 7 kleinen Schachteln, jede in einem Koffer, zusammengekommen. Was ist da drin?

Kleine Repliken, gedruckte Reproduktionen, signiert oder eben nicht, zufällig Gefundenes, Geschriebenes, Originales und Imitiertes, all das scheint völlig egal zu sein. Alles ist eben Teil seiner Antikunst und entfaltet doch seinen Charme in jedem dieser kleinen sorgfältigst angefertigten Miniaturmuseen.

Aus heutiger Sicht aber kann man gar nicht aufhören, diese kreativen Anstöße zu entdecken, die bis in die Rolle des – überhaupt nicht mehr faustischen – Künstlers hinein ihren Niederschlag finden, topaktuell bis zu den jüngsten Gendererwägungen: Ohne weiteres schlüpft Duchamps in die weibliche Rolle unter dem Namen Rose Sélavy. Der Name heißt anders geschrieben auch: „So ist das Leben“ und „Rose“ enthält dieselben Buchstaben wie „Eros“.

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Doch das Versteckspielen mit sich selbst versteht er schon, seitdem er 1917 in Amerika sein Urinierbecken Fountain unter dem Pseudonym „Richard Mutt“ für eine Ausstellung eingereicht hatte. Es wurde (wie zweifellos beabsichtigt) nicht angenommen. Daraufhin spielt er den „Fall Richard Mutt“ in der Schrift „The Blind Man“ hoch und kommt zu dem Fazit: „Ob Mr. Mutt die Fontäne mit eigenen Händen gemacht hat oder nicht, ist unwichtig. Er WÄHLTE sie aus... und schuf einen neuen Gedanken für dieses Objekt.“

Zur Person

Im französischen Blainville-Crevon wurde Marcel Duchamp 1887 geboren. Er war Wegbereiter des Dadaismus und Surrealismus. Während seine ersten Bilder, die er als 15-Jähriger und wenig später im Kunststudium in Paris malte, noch vom Impressionismus geprägt waren, kam es 1912 zum Stilwandel. Er stellte den gängigen Kunstbegriff radikal in Frage und zog 1915 nach New York. Später kehrte er nach Frankreich zurück und starb 1968 in Neuilly -sur-Seine bei Paris. (EB)

Und seine Impulse für die Kunstgeschichte sind bis heute nicht beendet. Mit der im Glas eingefangenen „Pariser Luft“ passt er in die Bonner Avantgarde-Ausstellung „Die Welt in der Schwebe, Luft als künstlerisches Material“. Seine Gebrauchsgegenstände führen in die Arte Povera, seine beweglichen Räder in die „Op Art“ und „konstruktive“ Kunst, sein Sinnieren, was Kunst ist oder nicht, in die Konzeptkunst (bis zu Beuys). Seine Aktionen begründen die Performance-Kunst und der Schnurrbart, der die Mona Lisa 1919 ziert, landet Jahrzehnte später direkt bei Dalí.

Kein Problem: Plagiate gibt es ausdrücklich nicht bei Marcel Duchamps.

Bis 3. Oktober, Museum für Moderne Kunst Frankfurt, geöffnet Di bis So 11−18 Uhr, Mi 11−19 Uhr.

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