Berühmte KünstlerinVor 75 Jahren starb Käthe Kollwitz – was von ihr bleibt

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Köln – Was bleibt von einem Menschen? Erinnerungen wie: „Sie konnte wunderschön zuhören“. „Sie konnte herzlich lachen“. „Von ihren Augen ging eine suggestive Kraft aus“. In ihrem Fall viel mehr. Starke druckgrafische Zyklen wie „Ein Weberaufstand“ und „Bauernkrieg“. Plakate, die es förmlich herausschreien „Deutschlands Kinder hungern!“ oder die kraftvoll fordern „Nie wieder Krieg“. Skulpturen wie „Trauernde Eltern“, die dem Leid um den gefallenen Sohn schmerzvollste Form geben. Heute vor 75 Jahren starb die Grafikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz.

Sinnbilder des Lebens und Überlebens

Wie keine andere versteht sie es, Sinnbilder des Lebens und Überlebens zu schaffen. Mit Kreide, Kohle und Pinsel, in Kupfer geätzt, mit Stein gedruckt, in Bronze gegossen, werden Tod, Trauer und Verzweiflung, aber auch Liebe, Geborgenheit und Friedenssehnsucht fühlbar. Man hat sie als Anwältin des Proletariats und der Revolution gepriesen. Als Vorläuferin einer sozialistisch-realistischer Kunst bezeichnet, zur Ikone des Pazifismus gemacht, auch Feministinnen reklamieren sie für sich. „Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und so hilfsbedürftig sind“, schreibt sie 1922 ins Tagebuch. Nicht um Ideologien geht es ihr. Es geht ihr um Menschen.

Was passiert derzeit im Käthe Kollwitz Museum Köln?

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Hannelore Fischer, seit Januar 1990 Leiterin des Käthe Kollwitz Museum Köln

Das Käthe Kollwitz Museum Köln macht aus der Not eine Tugend. Wie alle Museen ist es seit 14. März aufgrund der Coronakrise geschlossen. „Wir haben alles ausgelagert und führen derzeit notwendige Bauarbeiten durch“, sagt die Direktorin Hannelore Fischer. In Vorbereitung: ein virtueller Rundgang durch das Haus und die neue Ausstellung „Liebe und Lassenmüssen…“, die im 75. Todesjahr persönliche Momente im Werk von Käthe Kollwitz zeigt.

Sie soll am 9. Juni eröffnet werden und bis 20. September laufen. Die ursprünglich ab Ende März geplante Sonderschau „Art Déco – Grafikdesign aus Paris“ ist in den Herbst verschoben worden, sie wird ab 25.9. bis Anfang kommenden Jahres, 10.1.2021, gezeigt. Das am 22. April 1985 eröffnete Museum in Trägerschaft der Kreissparkasse Köln beherbergt auf 1 000 Quadratmetern die weltweit größte Käthe Kollwitz Sammlung, Fischer amtiert seit 1990 als dessen Direktorin. Mehr Infos: www.kollwitz.de (sus)

Sie selbst passt auch in keine Schublade. Freiheitsliebend und fürsorglich, lebenslustig und depressiv, eine Bürgerstochter, die sich als Bohemienne versucht und die immer wieder, auch als sie längst verheiratet und zweifache Mutter ist, eigene Wege geht.

Am 8. Juli 1867 wird Käthe Schmidt in Königsberg geboren. Ihr Vater, ein Mann mit liberal-sozialistischen Idealen, lässt sie an Künstlerinnenschulen in Berlin und München studieren. Der „freie Ton der Malweiber“ entzückt die junge Frau, „die freie Künstlerschaft lockte sehr“. Dennoch kehrt sie zurück nach Königsberg, um ihren Verlobten, den Mediziner und Sozialist Karl Kollwitz zu heiraten. 1891 Umzug nach Berlin, in die Weißenburgerstraße. 1892 und 1896 kommen die Söhne Hans und Peter zur Welt.

Die Uraufführung von Gerhart Hauptmanns „Die Weber“ 1893 bedeutet für sie „einen Meilenstein in meiner Arbeit“.

Sechs Jahre ringt sie mit ihrer Umsetzung des Weberaufstands. Die Technik erlernt sie weitgehend autodidaktisch. 1898 stellt Kollwitz den Zyklus auf der Großen Berliner Kunstausstellung vor – er wird zur Sensation. Ihre Radierungen, Lithografien, später auch Holzschnitte, finden ab da große Verbreitung.

Traurige Tragödien der Großstadt

Wohnung und Praxis liegen im Arbeiterbezirk Prenzlauer Berg. Hier sieht sie hungernde Kinder, hochschwangere Heimarbeiterinnen, vom Suff gezeichnete Tagelöhner. Ihre Arbeiten zeigen, „was noch lange nicht genug gesagt worden ist: die vielen stillen und lauten Tragödien des Großstadtlebens.“

1901 und 1904 lässt sie sich von Paris bezaubern, im Blick hat sie bereits die Bildhauerei. Glückliche Jahre. Dann, 1914, fällt ihr Sohn Peter in Flandern: „von da an datiert für mich das Altsein. Das dem Grabzugehn. Das war der Bruch.“ „Krieg“, so gnadenlos wie in der Holzschnittfolge von 1920-22 dargestellt, soll nie wieder stattfinden. Bevor er das doch tut, kommen die Nationalsozialisten an die Macht. Kollwitz` Werke dürfen nicht mehr ausgestellt werden.

Um sie wird es düster und einsam. „Man schweigt in sich hinein“ notiert sie 1936. Selbstbildnisse zeigen eine in sich versunkene, gebeugte Frau. 1939 Kriegsbeginn. 1940 Tod des „getreuen Lebenskameraden“ Karl, 1942 fällt der zweite Peter, ihr Enkel. Erschöpfung und mehr: „tot sein, o ja, das ist mir oft ein guter Gedanke“. November 1943 wird das Haus in der Weißenburgerstraße ausgebombt. Kollwitz ist schon nach Nordhausen in Thüringen evakuiert. Fast ihr ganzer Besitz, darunter auch einige Zeichnungen, Grafiken und Druckplatten wird zerstört.

Sie stirbt im Alter von 77 Jahren

Letzte Station: das sächsische Moritzburg. Zwei Zimmer im Wirtschaftshof, der zum Schloss gehört. Ein Prinz, der Kollwitz` Kunst verehrt, hat sie eingeladen. Hier stirbt Käthe Kollwitz am 22. April 1945, kurz vor Kriegsende, im Alter von 77 Jahren. Was bleibt von einem Menschen? Zum Beispiel ihr Mahnmal „Trauernde Eltern“, das sich auf einem Soldatenfriedhof im Belgien befindet, dort wo Sohn Peter begraben liegt. Eine Kopie der Grabplastik wird 1959 als erste Bundesgedenkstätte für die Toten der beiden Weltkriege in der Kölner Kirchenruine Alt St. Alban eingeweiht.

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