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Corona-PandemieStudie zeigt verschwindend geringes Risiko in Konzertsälen

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Die Kölner Philharmonie.

Es gibt keinen bekannten Fall, dass es in den Theatern zu Infektionen gekommen ist“, sagte Bonns Generalintendant Bernhard Helmich im vergangenen Oktober, bevor der sogenannte Lockdown light die Vorhänge auf unbestimmte Zeit niedergehen lassen sollte. Doch wo Helmichs Formulierung damals noch vorsichtig genug gewählt war, dass sie mögliche Infektionsgeschehen zumindest nicht ausschloss, geht der Intendant des Konzerthauses Dortmund Raphael von Hoensbroech nun einen entscheidenden Schritt weiter. Er sagt: „Konzerthäuser und Theater sind keine Infektionsorte.“ Für diese Aussage hat der Musikmanager gute Argumente. Er kann sich dabei auf eine wissenschaftliche Untersuchung berufen, die das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut Goslar unter Leitung von Wolfgang Schade im Konzerthaus vorgenommen hat.

Ausbreitung von Aerosolen untersucht

Gemeinsam mit der Messtechnik-Firma ParteQ hat das Fraunhofer Institut die räumliche Ausbreitung von Aerosolen und CO2 in einem Konzertsaal experimentell untersucht und die Ergebnisse vor einigen Tagen veröffentlicht.

Auch das Umweltbundesamt und Hygieneexperten waren in die Studie involviert, bei der es sich um die erste ihrer Art handelt. Bislang war zwar die Verbreitung von Aerosolen durch Musiker und Sänger untersucht worden, jedoch nicht vom Publikum. Den Forschern und dem Konzerthaus Dortmund, das den Auftrag für die Studie erteilte, ging es nun darum, belastbare Daten „zur Beurteilung einer möglichen Corona-Ansteckungsgefahr bei Besuchen von Konzerthäusern zu gewinnen“. Die haben sie im vergangenen November an drei Tagen mit variierenden Versuchsanordnungen gesammelt.

Das zentrale Versuchsobjekt der Reihe heißt „Oleg“ und ist ein Dummy, der einen atmenden Konzertbesucher simuliert. Mit dem Unterschied, dass der Mensch durchschnittlich 16 Atemzüge pro Minute macht, „Oleg“ aber laut Studienbeschreibung durchgängig „ausatmet“, sodass seine Aerosol/CO2-Emission sogar etwa vier mal stärker ausfällt als bei seinem Äquivalent aus Fleisch und Blut. Dennoch ist die Aerosol-Verteilung auf direkten Nachbarplätzen kaum nachweisbar. Grund dafür ist die Lüftungsanlage, die alle 20 Minuten die komplette Raumluft austauscht.

Gefahr der Ansteckung „nahezu ausgeschlossen“

Das Ergebnis der Versuchsreihe klingt entsprechend ermutigend. „Die Auswertungen der experimentellen Untersuchungen zeigen, dass insbesondere im Saal unter den gegebenen Bedingungen die Gefahr der Übertragung von Infektionen durch Aerosolübertragung nahezu ausgeschlossen werden kann“, teilte das Konzerthaus nach der Auswertung mit. Vorstellbar sei demnach sogar, den Saal auch während der Pandemie komplett mit Publikum zu besetze n. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes halten die Wissenschaftler bei einer möglichen Vollbesetzung aber nach wie vor für unabdingbar, auch wenn er laut Studie im Saal selbst eine geringere Rolle bei der Vermeidung von Übertragungen spielt als gedacht. Der Grund, weshalb die Wissenschaftler dennoch von einer Komplettbesetzung der Plätze abraten, liegt in den Zuwegen und dem Aufenthalt der Besucher im Foyer.

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Eine Stärke der Studie ist, dass sie auch im sensiblen Foyerbereich Messungen vorgenommen hat. Nimmt man dies alles zusammen, empfehlen die Wissenschaftler während der Pandemie „eine Saalbelegung im Schachbrettmuster und damit 50 Prozent der Saalkapazität“.

Die für Dortmund gewonnenen Erkenntnisse ließen sich durchaus auf andere Konzerthäuser und Theater übertragen, heißt es in der Studie. Voraussetzung seien freilich zumindest ähnliche Hygiene-Bedingungen, wie sie etwa ideal eingestellte Lüftungsanlagen gewährleisten können. Für Häuser, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, bietet das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut zusätzliche Studien an, die mit „relativ wenig Aufwand“ durchgeführt werden könnten.

So lange es darum geht, mithilfe des Lockdowns grundsätzlich Kontakte zu minimieren, wird sich durch die Studie an der aktuellen Situation für die Theater und Konzerthäuser nichts ändern. Das sieht auch NRW-Kultur- und Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen so. „Das Thema Belüftung ist ein entscheidender Faktor für die Wiedereröffnung von Kultureinrichtungen“, ließ sie mitteilen. „Mit Blick auf die große Relevanz der Belüftung hat die Landesregierung eine gemeinsame Arbeitsgruppe unter anderem mit Vertreterinnen und Vertretern von Kultureinrichtungen eingesetzt, die auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen derzeit eine differenzierte Öffnungsstrategie erarbeitet.“ Das lässt für die nähere Zukunft hoffen.

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