Corona-Talk bei „Anne Will“Kölner Professor Hallek liefert den Moment des Abends

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Die Runde bei Anne Will am Sonntag.

Köln – Die Talk-Runde bei „Anne Will“ hat am Sonntagabend über die Corona-Maßnahmen – oder fehlende Maßnahmen – diskutiert. Inzidenzen steigen, Intensivstationen sind überfüllt und der Ärger auf Politikerinnen und Politiker wächst. Moderatorin Anne Will fragte deswegen: Streit um die „Bundesnotbremse“ – lässt sich die dritte Welle so brechen?

So viel vorab: Wir wissen es nicht. Die Talk-Runde fand, angesichts der verschiedenen Positionen auch nicht verwunderlich, keine einheitliche Lösung. So lief der Corona-Talk.

Die Gäste und ihre Positionen

Michael Hallek ist Internist und Professor am Universitätsklinikum Köln. Er ist Befürworter der NoCovid-Bewegung und hat mit seinem Team zahlreiche Vorschläge gemacht, wie die Pandemie mit einem harten Lockdown einzugrenzen wäre.

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„Es ist fünf nach 12“, so wurde Hallek in den vergangenen Wochen immer wieder zitiert. Auch in der Sendung taucht das Zitat immer wieder auf. Hallek unterfütterte die Aussage zu Sendungsbeginn mit Zahlen zur Lage in den Kliniken.

Und dann machte der Kölner Professor den Schlag in Richtung Politik: „Diese Situation ist mit Ansage“, so Hallek, „unsere NoCovid-Gruppe warnt seit Anfang Januar vor dieser Lage.“ Hallek erklärte, dass die Medizin am besten sei, wenn sie präventiv arbeiten könne, nicht wenn sie reparieren müsse.

Nach einer langen Redepause lieferte er den Moment des Abends: Ein deutliches Statement des Vertrauensverlust in die Demokratie und die Aufgabe für Politikerinnen und Politiker dieses wieder herzustellen.

Peter Altmaier (CDU) ist Bundeswirtschaftsminister und seit 1994 im Deutschen Bundestag. Er konterte die spitzen Fragen der Moderatorin und berief sich auf bisherige Erfolge und Prozesse der Regierung in der Pandemie. Sah sich aber danach mehrfach Attacken von Katrin Göring-Eckard ausgesetzt und machte bei seinen Erklärungen eine eher schwache Figur. Eine Testpflicht in Firmen lehnt er weiter ab, da sich laut Altmeier „auch viele Betriebe freiwillig bereit erklären“ Vorkehrungen zu treffen.

Michael Mülller (SPD) ist Regierender Bürgermeister von Berlin und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie ist er im engen Austausch mit den Länderchefs und der Kanzlerin. „Ich werbe dafür, dass wir die Beratungen aus der Wissenschaft mehr einfließen lassen. Die Notbremse ist richtig, aber mit Augenmaß“, so Müller mit Blick auf Langzeitfolgen der Pandemie. Blieb im Rest der Diskussion eher unauffällig.

Katrin Göring-Eckard (Die Grünen) ist seit 2013 Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Sie nahm vor allem Peter Altmaier in die Pflicht, der aus ihrer Sicht „endlich“ für verpflichtende Corona-Regeln in Betrieben sorgen sollte. „Ich bin sehr für Stufen-Pläne, aber jetzt brauchen wir die Notbremse“, machte Göring-Eckard klar.

Christian Lindner (FDP) ist Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Er begann mit einer Spitze gegen die Große Koalition und die verpatzte „Osterruhe“. In der Frage der Bundes-Notbremse machte er deutlich, wie schwer für ihn der Eingriff in die Grundrechte angesichts von Ausgangssperren wiegt.

Melanie Amann ist Leiterin des „Spiegel“-Hauptstadtbüros. In ihrem ersten Statement gab sie direkt FDP-Chef Lindner contra, indem sie seinen Wendekurs anprangerte. Danach machte sie deutlich: „Es ist die Aufgabe des Staates seine Bürger zu schützen. Aber dieses Gesetz wird uns aus der Situation nicht befreien“, sagte sie über die Bundes-Notbremse. Trat im Rest des Abends eher als Wills Co-Moderatorin auf.

So lief die Diskussion

Bundestagig. Garniert mit scharfen Fragen der Moderatorin. Die Gäste, mit Ausnahme von Melanie Amann alle Politikerinnen und Politiker, machten ihre Positionen klar. Mehrfach auch durcheinander. Der Wahlkampf-Ton war dieser Runde deutlich anzumerken. Eine Lösung im Streit über die Corona-Notbremse hat das nicht gebracht.

Der Moment des Abends

„Wir haben in den Krankenhäusern das Gefühl bekommen, unsere Demokratie ist nicht mehr in der Lage, mit einer Bedrohung wie dieser Pandemie so zurecht zu kommen, dass die Menschen sich sicher fühlen.“ Es ist ein Satz wie eine Granate, den der Kölner Professor Michael Hallek äußert. Und für einen Moment ist die angeregte Debatte beendet, die Gäste hören zu. 

„Es liegt an Ihnen und allen demokratischen Parteien, dieses Gefühl wiederherzustellen“, sagte Hallek weiter, „ich bitte Sie eindringlich, sich in den kommenden Wochen zusammenzusetzen und dann so schnell wie möglich eine gemeinsame Lösung zu erzielen, da kommt es nicht immer auf jede Kleinigkeit an.“

Fazit: Keine Lösung für Notbremse, aber schöne Wahl-Hilfe

Hat die Diskussion geholfen, um eine Lösung im Streit um die Corona-Notbremse zu finden? Nein, nicht wirklich. Es ist vermutlich vermessen zu glauben, dass es in einer Stunde Sendezeit Lösungen gibt. Besonders zu Fragen, die seit Monaten durch die Gremien und Ausschüsse gejagt werden.

War die Sendung also unsinnig? Absolut nicht!

Denn Anne Will hat Spitzenpolitiker und eine -politikerin eingeladen, die ihre Positionen klar machen mussten. Die Sendung hat dem kommenden Mittwoch, wenn über die Corona-Notbremse entschieden wird, wohl wenig geholfen. Die Sendung war aber gut für den September, wenn die Bundestagswahl entschieden wird.

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