Ein Leben mit GiselaKölner Youtuber mit Tourette betreibt eigenen Kanal

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Tim Lehmann (r.) und Jan Zimmermann

  • Jan Zimmermann und Tim Lehmann betreiben zusammen den Youtube-Kanal „Gewitter im Kopf“, den inzwischen über zwei Millionen Abonnenten verfolgen.
  • Thema dort: Das Tourette-Syndrom. Die Freunde nehmen die Zuschauer mit in beinahe jede Alltagssituation.
  • Was das Ziel der beiden ist, wie sie auf die Idee für den Kanal gekommen sind und wer „Gisela“ ist.

Köln – Wer mit Jan Zimmermann spricht, lernt einen redegewandten und sympathischen jungen Mann kennen. Nur ab und zu ruft er plötzlich „Hitler“, „Fotze“ oder „Attentat“. Jan Zimmermann (21) hat Tourette. Zusammen mit seinem besten Freund Tim Lehmann (21) betreibt er den YouTube-Kanal „Gewitter im Kopf“, den inzwischen über zwei Millionen Abonnenten verfolgen.

Die beiden wollen auf ihrem Kanal mehr Aufklärung über die Krankheit Tourette schaffen und Berührungsängste abbauen. Ihr Kanal ist in Deutschland einzigartig. Vor kurzem ist Jan nach Köln gezogen.

Freunde kennen sich aus der Schule

Während des Gesprächs mit ihm entstehen oft unabsichtlich lustige Situationen. Auf die Frage, woher er Tim kenne, antwortet er „Tinder“, beteuert aber gleich danach lachend, dass er ihn aus der Schule kennt.  Auf YouTube nehmen sie die Zuschauer mit in ihrem Alltag, filmen Zoobesuche oder backen Kuchen. Erfolgreich sind auch die Videos, in denen Jan für einen Tag als Kellner oder Dönerverkäufer arbeitet.

Jan war sechs Jahre alt, als bei ihm das Tourette-Syndrom diagnostiziert wurde. Koprolalie, also das unkontrollierte Ausrufen von Schimpfwörtern, hat er allerdings erst, seitdem er 18 ist.  Die Idee für den Kanal kam seinem Freund. „Jan hatte erst nicht so richtig Lust, weil er dachte, die Zuschauer könnten die Krankheit ins Lächerliche ziehen. Unser Ziel ist es, Aufklärung über Tourette zu schaffen“, erklärt Tim. Ihr Kanal sei der einzige auf YouTube, der sich mit dieser Form von Tourette beschäftige.

Syndrom hat den Namen „Gisela“ bekommen

Geschämt hat sich Jan für seine Tics nie: „Ich war eher ratlos. Vor allem in der Zeit als sich die Tics sich verschlimmert haben und ich deswegen meine Ausbildung zum Physiotherapeuten abbrechen musste“, erzählt er. Jan hat seinem Tourette-Syndrom wie viele andere Betroffene einen Namen gegeben: „Gisela“. „Das war Tims Idee und eigentlich nur Spaß“, erklärt Jan.

Je nach Situation sind die Tics unterschiedlich stark ausgeprägt. „Wenn wir an einem Polizeiwagen vorbeikommen, ruft Gisela  gerne mal ,Alarm’ oder sowas. Es kann auch vorkommen, dass wir an einer Synagoge vorbeikommen und Gisela etwas Antisemitisches ruft.“ Das könne auf Außenstehende schnell sehr schockierend wirken.  „Und nicht alle  reagieren da freundlich, auch wenn Tim ihnen erklärt, dass ich Tourette habe.“ Komische Blicke oder dumme Kommentare gibt es immer wieder. Durch die mediale Aufmerksamkeit, die die Youtuber mittlerweile haben, sei das aber deutlich besser geworden.

Kanal hilft anderen Betroffenen

Dass durch Gisela jedoch auch oft ungewollt lustige Situationen entstehen, zeigen die beiden bei „Gewitter im Kopf“ zur Genüge. „Einmal als ich am Flughafen bei der Sicherheitskontrolle war, wurde ich gefragt, ob ich Flüssigkeiten dabei hätte. Gisela hat daraufhin ,Ja, Heroin’ geantwortet. Da waren die Mitarbeiter im ersten Moment geschockt, aber ich habe natürlich direkt erklärt, dass ich Tourette habe.“

Abgeschwächt sind die Tics, wenn Jan stark konzentriert ist: „Wenn ich zum Beispiel Fahrrad fahre oder meine Fingernägel schneide, treten so gut wie gar keine Tics auf. Auch wenn ich eine andere Sprache spreche, habe ich keine Tics“, erklärt Jan.

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Es gibt aber auch Situationen, in denen Jan wegen seiner Tics anders behandelt wird: „Bei einem Arbeitgeber wurde ich abgelehnt, obwohl sie von meiner Bewerbung eigentlich sehr angetan waren.“ Mittlerweile erreichen die beiden viele E-Mails und Nachrichten in den sozialen Netzwerken, dass ihre Videos anderen Tourette-Patienten helfen, selbstbewusster mit ihrer eigenen Krankheit umzugehen.

Jan hat grundsätzlich kein Problem damit, wenn andere über seine Tics lachen. „Generell kann man mit Tourette-Patienten genauso umgehen wie mit allen anderen auch“, sagt er. „Ganz unbefangen und ohne Vorurteile.“

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