Enormer SpannungsgenussDas bringt die neue Staffel der Serie „Haus des Geldes“

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Popkulturelles Politsymbol: Szene aus "Haus des Geldes".

Tokio, Helsinki, Rio, Nairobi, Denver – wer da noch zuerst an die gleichnamigen Weltmetropolen denkt, ist noch nicht in den Bann der Netflix-Serie „Haus des Geldes“ geraten. Die Städte dienen dort als Codenamen für die Mitglieder einer illustren Bankräuberbande, die mit ihrer kriminellen Leidenschaft die Herzen einer globalen Zuschauergemeinde im Sturm erobert hat. Innerhalb weniger Monate avancierte „Haus des Geldes“ 2018 zur am meisten gesehenen, nicht-englischsprachigen Serie des Konzerns. Die wilde Kombination aus klassischem Panzerknacker-Film, hochemotionaler Tele-Novella, packender Action und antikapitalistischer Grundierung funktionierte im globalen Maßstab. Die Bankräuber mit den Dalí-Masken und den knallroten Overalls wurden nicht nur zum Medienphänomen, sondern auch zum popkulturellen Politsymbol.

Robin-Hood-Aspekt  verstärkt

Bei Demonstrationen in Panama, den Gelbwesten-Protesten in Paris und einem Überfall in Nantes tauchten Wiedergänger in einschlägiger Kostümierung auf. Die Macher der Serie haben die Identifizierung ihres Publikums längst mit ins Erzählkonzept aufgenommen und den Robin-Hood-Aspekt der Geschichte verstärkt. Ließen die Ganoven in den ersten beiden Staffeln die Gelddruckmaschinen der spanischen Notenbank noch für den persönlichen Eigenbedarf heiß laufen, regneten zu Beginn der dritten Staffel 140 Millionen Euro aus Zeppelinen auf die Straßen von Madrid.

In dem malerischen Bild bündelt sich das anarchistische Pathos, das jedoch nur einen von vielen Schlüsseln zum Erfolg der Serie darstellt. Denn zuallererst ist „Haus des Geldes“ ein handwerklich präzises und gleichzeitig ungeheuer lustvolles Meisterstück seriellen Erzählens mit gewagten Twists, fiesen Cliffhängern und ei nem gut sortierten Arsenal an Figuren, deren Beziehungen die wildesten Blüten treiben. Das stark pochende Herz der Serie ist der Widerspruch zwischen der genialen Penibilität des Plans, der im Superhirn des Professors (Álvaro Morte) gereift ist, und den unkontrolliert ausbrechenden Gefühlen der ausführenden Komplizen.

Viele spannende Action-Sequenzen

Liebe, Angst, Macht, Trauma, Wut, Stress und Empathie treten hier als chaotisierende Kräfte gegen einen Strategie an, die glaubt alles bedacht zu haben. „Haus des Geldes“ spart nicht an spannenden Action-Sequenzen, aber es ist die Dynamik der Temperamente, die das Publikum nicht mehr loslässt. Und daran mangelt es auch in der vierten Staffel nicht.

Der Plan ist dem Professor aus den Händen geglitten, denn auch er bekommt seine Gefühle nach dem vermeintlichen Tod seiner Geliebten nicht mehr unter Kontrolle. Hinzu kommt ein übereifriger Security-Chef, der sich aus der Geiselhaft befreit und in „Stirb Langsam“-Manier die Bankräuber immer wieder aus dem Hinterhalt angreift. Und dann ist da noch im Zelt des polizeilichen Krisenstabes Alicia (Najwa Nimri) – eine der furiosesten Schurkinnen der Filmgeschichte. Hochschwanger, Lolli im Mund, führt sie die Machos vom Geheimdienst vor und hat immer einen noch schmutzigeren Trick auf Lager.

Frauenfiguren mit mehr Power

Aber auch auf der anderen Seite der Barrikade sind die Frauenfiguren in der Neuauflage noch einmal kraftvoller charakterisiert. Der Kampf der Geschlechter wird hier offen ausgetragen und befeuert die Eskalation der Ereignisse, die erneut für enormen Spannungsgenuss sorgt und mit einem hundsgemeinen Cliffhanger endet. Netflix hat zwar schon zwei weitere Staffeln sowie ein Spin-Off angekündigt, aber wann es mit den Dreharbeiten weitergeht, bleibt wegen der Corona-Krise ungewiss.

Die Serie

„Haus des Geldes“ (Originaltitel: „La casa de papel“, wörtlich „Das Haus des Papiers“) ist eine spanische Fernsehserie von Álex Pina. Bei der Verleihung der International Emmy Awards 2018 wurde die spanische Produktion als beste Drama-Serie ausgezeichnet. (EB)

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