Interview mit Thomas D.„Wir wollten uns damals mit 15 Leuten in Köln niederlassen“

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Vor 20 Jahren ist Thomas D in ein kleines Dorf in die Eifel gezogen.

  • Im Mai geben die Fantastischen Vier ein Konzert im Bonner Hofgarten.
  • Einer der vier Musiker lebt seit 20 Jahren versteckt in der Eifel.
  • Thomas D im Gespräch über das Leben in der Eifel und ob man die „Ode an die Freude” auch rappen kann.

Bonn – Kalenborn. Dümpelfeld. Schöne Kurven, viele Kurven. Honerath. Bodenbach. Und schon bald ist das finale Dorf erreicht. Das Navi checkt die Straße nicht. Ein analoger Versuch hilft weiter. „Einfach links die Straße hoch“, sagt eine Nachbarin. „Sie können’s nicht verfehlen.“ Stimmt.

Über der Einfahrt zum stattlichen Anwesen hängt ein Schild mit der Aufschrift MARS. Das steht für „Moderne Anstalt Rigoroser Spakker“ und markiert einen Landsitz, den der schwäbische Musiker Thomas Dürr mit 15 Freunden vor 20 Jahren in der Eifel bezogen hat. Der Hausherr empfängt die Bonner Besucher in bester Laune.

Den Namen seines Dorfes mag er nicht in der Zeitung lesen, weil es ein Versteck bleiben soll. Ansonsten ist er um keine Antwort verlegen und freut sich auf das Konzert seiner Fanta 4 am 17. Mai zum 250. Geburtstag von Beethoven im Bonner Hofgarten. Mit Thomas D sprachen Heinz Dietl und Andreas Dyck.

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Thomas, Sie leben seit 20 Jahren in der Eifel. Gibt es im Schwabenland keine geeigneten Verstecke?

Thomas D: Nun, ich bin dort geboren, aufgewachsen und somit selber Schwabe, doch irgendwann wollte ich raus aus diesem Dunstkreis, auch der Mentalität wegen.

Was hat Sie gestört an der schwäbischen Lebensart?

Der Schwabe geizt nicht mit Kritik, bleibt ab er beim Loben eher sparsam. Ganz anders als die rheinische Frohnatur. Ich dachte: Trink doch ene mit, da bekommst du immer einen freien Platz in der Kneipe. Wir wollten uns damals mit 15 Leuten in Köln niederlassen.

Aber die Eifel ist nicht Köln.

Thomas D: Das habe ich dann auch gemerkt. Wir suchten eineinhalb Jahre, doch ein großzügiges Gebäude für 15 künstlerisch aktive Hippies war in Köln nicht zu finden. Dann wurde uns dieses Objekt in der Eifel angeboten.

Existiert die Kommune noch?

Nein. Grundsätzlich sage ich allen, die eine solche Lebensgemeinschaft gründen wollen: Eine Hippie-Kommune steht und fällt in der Küche!

Hätte man wissen können, oder?

Ich hatte bereits zu Beginn mit Edding ins Waschbecken geschrieben: „Lasst mich frei!“ Das konnte man leider nicht lesen, weil immer schmutziges Geschirr im Becken stand. Hinzu kamen finanzielle Spannungen. Ich hatte den Hof gekauft, und bei Künstlern mit unregelmäßigem Einkommen sind Mietzahlungen nicht immer garantiert. Und ich konnte auf Dauer nicht eine „Familie“ mit 15 Kindern ernähren.

Wer wohnt noch auf dem MARS?

Meine Frau, ich, zwei Kinder, vier Katzen und ein Hund.

Kommt die Band zu Besuch?

Ja. Fürs letzte Album „Captain Fantastic“ haben wir hier in meinem Studio zusätzliche Instrumente aufgenommen.

Wird Thomas D in der Eifel als Prominenz wahrgenommen?

Der Krimiautor Jacques Berndorf wohnt um die Ecke. Auch Wolfgang Niedecken hat eine Adresse in der Region. Die Frage ist: Wie berühmt bin ich überhaupt?

Sie hätten in Ditzingen bleiben und wie der Vater und der Opa Tankwart werden können. Keine Option?

Ich habe in der Tankstelle gearbeitet, sie gehört uns sogar noch und ist verpachtet. Doch keiner der drei Söhne wollte in diese Fußstapfen treten.

Ditzingen bietet noch andere Karrieremöglichkeiten. Etwa beim Fußballverein TSF Ditzingen, wo Mario Mandžukić kickte, bevor er zu Bayern München wechselte.

Ja, wir hatten mit Fanta 4 sogar mal einen Auftritt beim TSF im Bierzelt, mein Vater hatte mich überredet. Die Polizei kam, weil es etwas zu laut war.

Die Fantastischen Vier sind seit 30 Jahren als Band unterwegs. Was war der Plan bei der Gründung?

Drei Jahre, wenn überhaupt. Es gab keine Pläne, aber spannende Momente. Spätestens mit dem Album „Lauschgift“ 1995 hatten wir uns vom lustigen „Die da!?!“-Image befreit und ein erwachsenes Album hingelegt. Einige in der Band dachten: Das ist der Höhepunkt, ab jetzt geht’s bergab.

Das Album hat gut 500 000 Exemplare verkauft. Haben sich die Zweifel nicht schnell verflüchtigt?

Nein. Erst 2009, als wir beim Cannstatter Wasen vor 65 000 Fans „20 Jahre Fanta 4“ gefeiert haben, wurde uns klar: Die Fantastischen Vier sind hier, um zu bleiben. Und damit wurde auch meine Mutter widerlegt.

Was hat sie damit zu tun?

Sie meinte immer: Er hat Friseur gelernt, wenn’s mit der Musik nichts wird, kann er wieder zum anständigen Beruf zurückkehren.

Spielt Ihnen dabei die Routine in die Karten, dass man das Handwerk des Liedermachens perfektioniert hat?

Schöne Theorie, aber die Praxis kennt auch das Gegenteil, nämlich: Du hast immer mehr Songs schon geschrieben. Die Dinge, die dir noch einen Kick bringen, nehmen ab, weil du sie bereits erlebt hast. Beispiel: erste Liebe, erster Love-Song. Beim siebten Mal tut Herzbruch weniger weh.

Wie haben Sie eigentlich den deutschsprachigen Hip-Hop erfunden?

Smudo und ich sind 1988 durch die USA gereist, wir haben uns in der Rap-Szene bewegt und eigene Stücke präsentiert. Zum Fremdschämen: Zwei Weißbrote aus Germany rappen auf Englisch! Dann packst du zwei deutsche Stücke aus, und die Amis sagen: „Okay, wir verstehen zwar kein Wort, aber das ist echt, das seid Ihr!“ Mit dieser Erkenntnis sind wir zurück nach Deutschland: Wir müssen in unserer Muttersprache singen.

Waren die Kollegen Michi Beck und Andreas Rieke sofort einverstanden?

Ja, und keine zwei Minuten später hatten wir unseren Bandnamen: Die Fantastischen Vier.

Können Sie auch mit der Kurzform leben?

Ja, Fanta 4 ist okay – und allemal besser als Die Funtastischen Vier mit dem U, ein Manager hatte die Idee. Huuuuaaa, schlimme Vorstellung.

Kann es sein, dass die Band mit ihrem ersten Hit nicht immer glücklich war?

Ja, der Song wirkte zunehmend wie eine Kriegsverletzung, weil wir plötzlich nicht mehr die Fantastischen Vier waren, sondern nur noch „die da“. Wir haben den Titel 20 Jahre lang nicht gespielt.

Hat „Die da!?!“ nicht alle Türen geöffnet?

Doch. Schwimmbadclub Heidelberg, legendäre Szene: 300 passen rein, 1500 stehen vor der Tür. Wir mussten auf der Tour jede Location umbuchen. Das hatten wir diesem gespielten Witz zu verdanken.

War „Die Da !?!“ nur ein Witz?

Na ja, mit autobiografischem Hintergrund. Smudo und ich hatten eine kurze Affäre mit der gleichen Frau. Nichts Dramatisches, wir waren halt Teenager und nicht nachtragend.

Wie sehen Sie den aktuellen Zustand des deutschen Rap?

Entscheidend ist, dass man den Stil nicht kopiert, sondern zu seinem eigenen Ding macht. Samy Deluxe ist authentisch, einfach genial, eine Maschine, ich liebe ihn. Bei anderen wiederum höre die Amerikaner durch, die über Goldketten, Frauen und dicke Autos rappen.

Wie entsteht Rap technisch? Zerlegen Sie einen fertigen Text in Silben und rühren den Rohstoff rhythmisch neu an?

Puh! Kann man nicht generalisieren. Man überlegt sich die Geschwindigkeit, passt die Poesie an, Buchstaben streichen oder umstellen. Die Stimme wird zum perkussiven Instrument.

Wir haben ein Textbeispiel mitgebracht. Die „Ode an die Freude“ aus Beethovens 9. Sinfonie. Kann man das rappen? Der Autor Friedrich Schiller ist sogar ein Landsmann von ihnen.

Freude, Freude, ein Schwabe! Mal schauen: Also, wir haben hier ein einfaches Reimschema, wobei der Junge wirklich richtig gut gereimt hat. Er hat jedenfalls nicht die Grammatik gequält.

Wie aber geht man vor?

Jedenfalls nicht so: „Freu-de, schö-ner Göt-ter-fun-ken“, das wäre amateurhaft. Samy Deluxe würde mehr Tempo reinbringen: „Freudeschönergötterfunken, Tochterauselysium“. Doch es müsste noch mehr Reim rein, damit der Text kickt. Heutzutage sind Doppelreime Standard – mit dem Trend zum Trippelreim, wo sich die letzten drei Endungen reimen.

Reimt sich „Heiligthum“ überhaupt auf „Elysium“?

Halbwegs. Halbe Reime sind erlaubt, zum Beispiel „werden“ auf „gehen“, aber der Flow sollte stimmen, die Zeile muss fließen. Man müsste die „Ode“ zerlegen, um einen Flow reinzubringen.

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Noch bleibt dazu Zeit. Sie spielen im Mai in Bonn, einen Steinwurf von Beethovens Geburtsstadt entfernt.

Wer weiß, was bis dahin noch geschieht. „Wem der große Wurf gelungen“, sehr clever.

Was bedeutet Ihnen Beethoven?

Er war ein Genie, alter Schwede! Aber ich gestehe: Die klassische Musik hat sich mir zwar theoretisch, aber noch nicht praktisch erschlossen. Ich arbeite daran, der Kollege Smudo hat mir unlängst seine Klassik-Bibliothek zugänglich gemacht.

Die Eintrittskarten zu Ihrer Tournee gibt es nur über einen Discounter. Wie kommt’s?

Wir wollten unser Ticketing breiter aufstellen und ein Zeichen setzen gegen die gängigen Zusatzgebühren. Unsere Tickets gibt es deutschlandweit zu wesentlich geringeren Gebühren in mehreren tausend Aldi-Filialen und auf unserer Homepage.

Was spielt die Band in Bonn?

Ein stadiontaugliches Programm. Große Gesten, eindeutige Aussagen. Wenn wir uns auf der Bühne gegenseitig ins Wort fallen, was Rapper gern tun, ist das kontraproduktiv. Das kriegt bei 25 000 Leuten keiner mit. Trotzdem: Wir sind zwar über 50, aber keine Barhocker.

Was will uns der Künstler damit sagen?

Wir hauen auf den Putz, feuern ein fulminantes Feuerwerk ab. Die Schlagzahl ist hoch.

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