Im InterviewFrançois-Xavier Roth über seine Fassung von „Pelléas et Mélisande“

Lesezeit 4 Minuten
So sah es in Paris aus: Szene mit Patricia Petibon und Stanislas de Barbeyrac.

So sah es in Paris aus: Szene mit Patricia Petibon und Stanislas de Barbeyrac.

Köln – Am Sonntagabend erklingt Debussys Oper „Pelléas et Mélisande“ in der Philharmonie – konzertant aufgeführt unter der Leitung von François-Xavier Roth und den Mitwirkenden der Inszenierung am Pariser Théâtre des Champs-Élysées. Regine Müller sprach mit Roth über die Aufführung. 

Ist das Ihre erste Begegnung mit die Oper von Debussy?

Nein, „Pelléas et Mélisande“ war 2002 sogar die erste Oper, die ich überhaupt dirigiert habe! Dieses Stück ist sehr wichtig für mich, denn es ist keine typische Oper. Es gibt so wenig äußere Haltung und keine opernhafte Dramatik und Geste, sondern ein sehr zurückhaltendes Erzählen.

Wie würden Sie die Besonderheiten dieses Werks beschreiben?

Als Debussy das komponiert hat, gab es schon durch Wagner eine Ahnung, in welche Richtung die Gattung Oper sich entwickeln könnte, strukturell und formal. „Pelléas“ geht aber noch weiter als Wagner, es gibt gar keine Nummern mehr, keine Melodien, keine ausgeprägten Soli und Ensembles. Nur Leitmotive und Sequenzen, die wir erkennen können. Alles ist dem musikalischen Fluss untergeordnet, das ist einzigartig. Oper lebt sonst von vielen Konventionen, die das Publikum auch erwartet. Debussy hat da eine Tür geöffnet.

Ohne die Kostüme von Lacroix

In dieser konzertanten Aufführung der Pariser Inszenierung bekommt der Zuschauer leider nicht die Kostüme von Modedesigner Christian Lacroix zu sehen. Aber natürlich erklingen die Stimmen von Patricia Petibon (Mélisande), Stanislas de Barbeyrac (Pelléas), Simon Keenlyside (Golaud) oder Jean Teitgen (Arkel). Die Aufführung in der Philharmonie beginnt am 17.10. um 18 Uhr, Karten-Tel.: 0221/280 280 . (EB)

Ist die Partitur besonders diffizil, schwieriger als Werke seiner Zeitgenossen?

Es ist sehr kompliziert, vor allem die Balance! Wenn man zu sehr aufdreht, klingt es falsch, aber zu klein gespielt macht es auch keinen Sinn. Mit den historischen Instrumenten ist es allerdings viel einfacher.

Was ist anderes bei der Konzeption mit den alten Instrumenten?

Die Farben und die Tempi spürt man durch die alten Instrumente und ihre Grenzen viel besser. Das ist eine große Hilfe. Diese unglaublichen Harmonien sind so schwierig zu spielen, Debussy hat nie pragmatisch gedacht, ganz anders als Ravel. Man muss immer schon vorher die Akkorde innerlich hören.

Und wie anders klingt es?

Nehmen wir nur einen Aspekt, die Darmsaiten, das ist eine total andere Welt! Sie klingen viel wärmer, runder und auch präziser, mit so viel Poesie. Und dann die Holzbläser, die berühmte Pariser Schule mit der speziellen französischen Artikulation. Die Instrumente sind viel schmaler, auch im Blech. Die Posaunen sind so dünn wie Trompeten, und dann die Erard-Harfen! Das ist eine ganz eigene Klangwelt!

Wie lang haben Sie probiert?

Wochenlang, unser Regisseur Eric Ruf hat fast alle Proben geleitet, das hat ungeheuer viel Spaß gemacht. Wir konnten uns richtig tief in das Werk einarbeiten.

In Köln führen Sie die Oper konzertant auf. Profitieren Sie dabei von der szenischen Arbeit in Paris?

Ja, das ist etwas ganz anderes, wenn man eine Oper szenisch erarbeitet hat, als wenn man sie nur musikalisch einstudiert. Man kann sagen, die Erfahrung der Bühne ist die Kirsche auf dem Kuchen, das ist ideal, denn es wird so alles viel dichter, intensiver. Man hat für jeden Moment eine szenische Fantasie entwickelt und konzentriert und detailliert an Text und Musik gearbeitet.

Funktioniert die Oper denn überhaupt konzertant?

Unbedingt. Vor allem auch deshalb, weil wir es vorher hier szenisch gemacht haben. Dank dieser Arbeit hat jeder die szenische Idee vor Augen und diese Assoziationen wirken zurück auf die musikalische Interpretation.

Tatsächlich passiert ja auch kaum äußere Handlung in „Pelléas et Mélisande“, kommt das der konzertanten Aufführung entgegen?

Natürlich, denn es passiert so vieles eben nur im Inneren, in der Fantasie. Ich denke, konzertant kann man besonders gut erleben, dass es in dieser Oper für jeden Satz hunderte von Bedeutungen gibt. Wir hören hinein in ein Labyrinth der Seelen, die Klänge sind die Resonanzen der Empfindungen.

Rundschau abonnieren