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Interview zum Film „Ich bin dann mal weg“Auf Hape Kerkelings Spuren unterwegs

Lesezeit 4 Minuten
"Die Menschen haben sich darin wiedergefunden": Julia von Heinz am Filmset. (Foto: Warner)

"Die Menschen haben sich darin wiedergefunden": Julia von Heinz am Filmset. (Foto: Warner)

Waren Sie selbst schon vom Pilgerfieber infiziert, als das Angebot kam, das Buch zu verfilmen?

Ich war zwar immer Kerkeling-Fan, hatte das Buch aber nicht gelesen, weil ich nicht gläubig bin. Ich hatte auch nie über das Pilgern nachgedacht. Es gab aber für mich genug darin, mit dem ich wirklich etwas anfangen konnte: Damit, dass ein Mensch in eine Krise gerät, dass er sich fragt, wer bin ich. Was ist mein Lebenssinn. Und sich dieser Situation aussetzt.

Hape Kerkeling wollte sich nicht selbst spielen - was hat das für Sie bedeutet?

Er sah einfach keinen Reiz darin, als 51-Jähriger sein jüngeres Selbst darzustellen. Es kann sein, dass sich viele Leute den Film ohne ihn gar nicht angucken wollen - das wusste ich von Anfang an. Als Regisseurin war ich aber sogar ganz froh: Wenn es etwa um Szenen geht, wo er zusammenbricht und weint, will das ja auch gelernt sein als Schauspieler. Und er fand Devid Striesow im Film dann auch selbst fast gespenstisch gut, wie er gesagt hat. Das war für mich das Wichtigste.

Fünf Millionen Exemplare wurden von "Ich bin dann mal weg" verkauft - worin liegt für Sie der Grund dieses Erfolgs?

Ich denke, die meisten Leute interessiert dieser Glauben neben der Kirche. Sie waren wahnsinnig dankbar, dass da einer auf Augenhöhe sagt: Ich glaube, und das ist meine Form. Die Menschen haben sich darin wiedergefunden und "durften" plötzlich auch wieder gläubig sein.

Gleichzeitig wird es bei Kerkeling natürlich auch lustig, etwa wenn er lakonisch in Badeschlappen zu einer Bergetappe aufbricht.

Das war für uns ein großes Thema, Kerkeling steht ja immer auch für Unterhaltung und Leichtigkeit. Wie sehr zeigt man da, wenn er zwischendurch an einen Tiefpunkt kommt? Ich wollte auf keinen Fall nur die Comedy-Fans bedienen. Wir nehmen die Geschichte sehr ernst - in dem Maß, wie der Weg ihn ergriffen hat, verliert sich die Komödie.

Sie haben an den Originalschauplätzen am Jakobsweg gedreht, dem legendären Camino Francés mit seinen fast 800 Kilometern Länge. Was haben Sie da erlebt?

Es war mir wichtig, den ganzen Weg zu zeigen. Der Name Kerkeling hat uns unterwegs oft Türen geöffnet. In der Kathedrale von Santiago de Compostela durften wir zum Beispiel nachts drehen. Viele Pilger hatten das Buch sogar bei sich und freuten sich, dass sie als Komparsen mitspielen durften!

Fühlt man sich mit so einem Filmtross auf dem Camino nicht auch oft als Eindringling, schließlich ist es den meisten Pilgern ernst mit der Kontemplation?

Es gab einmal eine Situation am Cruz de Ferro, einem wirklich wichtigen Punkt am Camino. Wir mussten absperren, und ich habe gemerkt, jetzt zerstöre ich den Menschen, die so lange gewandert sind, um dort etwas abzulegen, den Moment. Aber es gab auch da genug, die das spektakulär fanden und Selfies gemacht haben.

Apropos: Nach dem Erscheinen des Buchs im Jahr 2006 wanderten 71 Prozent mehr deutsche Pilger den Jakobsweg als zuvor, man spricht seitdem vom "Kerkeling-Effekt". Haben Sie keine Angst, den neu zu befeuern?

Das vermute ich, leider ja. Denn es ist schon hart, die ganzen Verkaufsbuden, das Merchandising, an den billigen Herbergen stehen Trauben von Leuten zur Übernachtung an. Ich wüsste überhaupt nicht, wie ich da zur Ruhe kommen sollte. Und doch spürt man an vielen Stellen die Bedeutung, die dieser Weg und die Tradition seit Jahrhunderten für die Pilger haben. Das wollte ich zeigen.

Der Film zum Glaubenlernen läuft Heiligabend an. Hilfe von oben?

Ich finde, das passt. Da ist ja erst mal ein schwuler Mann, der sich eng mit zwei Frauen anfreundet. Das kann doch Menschen, die vielleicht alleine mit sich sind in der Zeit, zeigen, wie viele beglückende Beziehungen möglich sind, wenn man sich dafür öffnet.

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