Ironie oder Hohn?Was sich hinter dem Hashtag #allesdichtmachen verbirgt

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Collage Allesdichtmachen

Die Kombo aus einzelnen Video-Standbildern der Internetaktion #allesdichtmachen via Youtube zeigt Schauspieler, die sich an der Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen beteiligen.

Köln – Die Kampagne #allesdichtmachen hat für große Diskussionen gesorgt. Ist die Kritik der Schauspieler ein gelungener Protest oder gehen die ironisch-sarkastischen Videos zu weit?

Was ist #allesdichtmachen?

Unter dem Hashtag #allesdichtmachen veröffentlichten 53 Schauspieler am Donnerstag ironische Videos über die Corona-Politik der Bundesregierung. In den Videos machen sich unter anderem Jan Josef Liefers, Ulrich Tukur, Meret Becker, Wotan Wilke Möhring oder Volker Bruch über die Verschärfungen in der Corona-Pandemie lustig. Die Aktion sorgte innerhalb kürzester Zeit für heftige Diskussionen, Lob und großer Kritik in den sozialen Medien. Hinter der Kampagne steckt die Münchner Firma „Wunder am Werk“. Zur Intention sagte Geschäftsführer Bernd K. Wunder dem Spiegel nur: „Das ist Kunst.“

Worüber sprechen die Prominenten?

Das Schema ist in fast allen Videos das gleiche. Die Schauspieler befürworten die Maßnahmen der Bundesregierung oder fordern teilweise noch strengere Regeln. Durch den ironischen Unterton ist klar, dass sie die politischen Entscheidungen dabei ins Lächerliche ziehen.

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Ulrich Tukur fordert: „Schließen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden Handelsplatz. Nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken, Buchhandlungen, Knopfläden, nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte und vor allem auch all die Supermärkte.“ Schauspieler Richy Müller spricht sich als Befürworter der „Zwei-Tüten-Atmung“ aus. Würde die jeder befolgen, „hätten wir schon längst keinen Lockdown mehr“, sagt er und atmet abwechselnd aus einer blauen Plastiktüte ein und in eine gelbe Plastiktüte aus. Volker Bruch sagt: „Ein Jahr lang hatte ich durchgehend Angst. Doch diese Angst lässt jetzt nach. Er appelliert an die Regierung: „Macht uns mehr Angst! Denn ohne Angst habe ich Angst.“ Jan Josef Liefers möchte einfach mal Danke sagen und äußert damit Kritik an den Medien des Landes. Die würden „seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben“, sagt er mit ruhiger Stimme.

Wer kritisiert die Aktion?

Auf Twitter rangierte der Hashtag #allesdichtmachen am Freitag mit rund 150 000 Tweets auf Platz 1 in Deutschland. Heftige Kritik gab es in den sozialen Medien von vielen Schauspielkollegen. Christian Ulmen schrieb, er schäme sich für seine Kollegen. Elyas M’Barek kommentierte das Video von Volker Bruch: „Das ist doch Blödsinn.

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Was unterstellst du denn da unserer Regierung? Kann ich null nachvollziehen. Mit Zynismus ist doch keinem geholfen.“ Nora Tschirner warf den Kollegen Handeln aus Langeweile vor, Moderator Micky Beisenherz sagte in seinem Podcast: „Für mich ist es inhaltlich absoluter Blödsinn, aber dafür wenigstens herrlich prätentiös umgesetzt.“

Dialogangebot von Jens Spahn

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat den Initiatoren der Aktion #allesdichtmachen ein Dialogangebot gemacht. Er könne sich gut vorstellen, das Gespräch miteinander zu führen, sagte Spahn am Freitag in Berlin. „Dass es Kritik und Fragen gibt an den Maßnahmen, das finde ich nicht nur normal, das finde ich in einer freiheitlichen Demokratie wünschenswert.“

Er habe sich noch nicht selbst alle Videos der Kampagne anschauen können, sagte der Gesundheitsminister. Er fände es aber schade, „wenn der Eindruck da wäre, dass es nicht auch kontroverse, abwägende Diskussionen gibt“. Dies habe im Bundestag stattgefunden. „Es waren ja sehr kontroverse Diskussionen, gesellschaftlich, politisch, in ganz vielen Bereichen.“ (dpa)

Der Deutsche Journalisten-Verband kritisierte Jan Josef Liefers Video. Es bediene Narrative der „Lügenpresse“-Rufer. „Ein verbaler Schlag ins Gesicht aller, die trotz ständiger Drohungen und Angriffe berichten“, schrieb der Verband auf Twitter.

Gibt es auch Lob für die Kampagne?

Für ein „Meisterwerk“ hält der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit die Aktion. „Es sollte uns nachdenklich machen. „Großartig“ fand der frühere Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans Georg Maaßen, den Künstler-Aufstand gegen die Coronapolitik. Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht bezeichnete die Videos als „wunderbar ironisch“. Lob gab es für die Aktion auch aus der Querdenker-Szene und der AfD.

Haben die Beteiligten auf die Kritik reagiert?

Viele beteiligte Schauspieler reagierten am Freitag auf die Kritik. Jan Josef Liefers distanzierte sich von Querdenkern. „Es gibt im aktuellen Spektrum des Bundestages auch keine Partei, der ich ferner stehe, als der AfD“, schrieb er. Meret Becker räumte auf Instagram ein, die Aktion sei nach hinten losgegangen. Sie schrieb: „Ich entschuldige mich dafür, dass das falsch verstanden werden konnte.“ Und: „Wir hätten vielleicht mehr das sagen sollen, was eigentlich gemeint ist.“ Ken Duken schrieb: „Ich befürworte sinnvolle Maßnahmen und eine Impfstrategie. Diese Aktion ist gründlich in die Hose gegangen. Auch Heike Makatsch hat ihr Video mittlerweile gelöscht.

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