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Kermani stellt neues Buch vorDer Unendlichkeit mit Gott begegnen

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Schriftsteller Navid Kermani sprach im Schauspiel Köln über sein neues Buch und den Glauben an Gott.

Schriftsteller Navid Kermani sprach im Schauspiel Köln über sein neues Buch und den Glauben an Gott.

Köln – Geschrieben hat Navid Kermani sein neues Buch „Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen“ für seine beiden Töchter. Die Idee dahinter: In einer verständlichen Sprache zu schreiben, die Jugendlichen zugänglich ist. Bei der Präsentation des Buches im ausverkauften Depot 1 des Schauspiel Köln waren viele Senioren und mittlere Jahrgänge anwesend, Jugendliche eher nicht. Sie werden den Text aber womöglich doch noch für sich entdecken. Denn dass er zum Bestseller mutiert, zeichnet sich schon ab.

Buch widmet sich der Unendlichkeit von Gott

Auch deshalb, weil der in Köln lebende Kermani ein Buch über Gott geschrieben hat, das die Religion nicht über die Kämpfe der islamischen Welt und ihren Fundamentalismus definiert. Außerdem sei es natürlich kein Geheimnis, dass er „in einer Stadt wie Köln (spricht), in der man nicht aus der Kirche austreten kann, weil es so viele Anträge gibt.“

Das Argument der Tochter, dass man ein anständiger Mensch auch ohne Gott sein könne, gibt Kermani zu, weist aber darauf hin, dass der Blick auf Kirchen und Moscheen wie der Blick auf die Kleidung eines Menschen sei, dessen Person man deshalb noch nicht kenne.

Der Autor widmet sich in seinem Buch der Unendlichkeit, stets bewegt er sich dabei mit seiner Vorstellung, „dass Gott in allem ist und alles in Gott“ am Rande des Pantheismus.

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Kermanis Gäste nahmen diesen Faden offenbar gerne auf, sie verwandelten diesen komplexen, intensiven und mit 150 Minuten ausufernden Abend in etwas anderes als eine Lesung. Am Piano spielte die lange Zeit an der Musikhochschule lehrende Pi-hsien Chen Mdem Sonaten von Domenico Scarlatti und ein Impromtu von Franz Schubert. Komponist Manos Tsangaris improvisierte auf einem Tisch mit Alltagsgegenständen. Martin Reinke las und philosophierte mit seiner warmen, schleifenden Stimme über die Möglichkeit, das Gott auch „Godot“ heißen könnte. Und mit Heino Falcke hatte dann noch ein Astrophysiker seinen Auftritt. Falcke zeigte die erste visuelle Darstellung eines Schwarzen Lochs. Für den gläubigen Wissenschaftler sei Gott unendlich, während die Physik im Unendlichen gefangen bleibe.

Mit Hingabe der Vergänglichkeit begegnen

Navid Kermani betont, dass sowohl die Bibel als auch der Koran „nicht vom Himmel künden, sondern von dem, was auf der Erde geschieht.“ Vielleicht gerade weil das Buch mit dem Tod des Großvaters beginnt und Kermani gegenüber der Tochter immer wieder von dem unendlichen Formenreichtum der Natur spricht, ist ein gewisser Ton der Verzweiflung nicht zu überhören. Manches sei in Scherben gegangen und die Vergänglichkeit setzt Kermani zu. Gegen sie bringt er das Moment der selbstvergessenen Hingabe in Stellung, sei es in der Liebe, der Arbeit oder der Fürsorge.

Beziehungsreich eingerichtet im Umkreis der Glasfenster des Bühnenbilds der Schauspielproduktion „Das Himmelreich wollen wir schon selbst finden“ weist der Abend durch die Beschäftigung mit dem Unsagbaren auf das Phänomen des Staunens. Was lässt uns staunen?, fragt Kermani. Findet die Begegnung mit dem Göttlichen heute eher in einem Theater, einem Konzertsaal oder einem Museum als in einer Kirche statt? Heino Falcke brachte die Botschaft von Kermanis Buch da auf die treffende Feststellung: „Gott kann man erleben ohne ihn zu fassen.“

Navid Kermani: Jeder soll von da, wo er steht, einen Schritt näher kommen. Carl Hanser Verlag, 240 S., 22 Euro

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