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Kino in Lockdown-ZeitenJesus-Film „Das neue Evangelium“ startet rein digital

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Milo Raus Film holt die christliche Passionsgeschichte mit dem gebürtigen Kameruner Polit-Aktivisten Yvan Sagnet als Jesus ins Hier und Jetzt.

„Corona – Wo stehen wir?“ fragt zur Zeit der erste Online-Kongress der Film- und Medienstiftung NRW.  Der Kölner Produzent Arne Birkenstock weiß ziemlich genau, wo er steht: vor einer Pioniertat. Denn  „Das neue Evangelium“, von seiner Firma Fruitmarket realisiert, startet am 17. Dezember rein digital.

Der  Zuschauer erwirbt sein Online-Ticket für 9,99 Euro, wovon 30 Prozent an das Kino  gehen, das er unterstützen möchte. In Köln stehen Cinenova und Odeon zur Wahl. Die Ticket-ID ist bis Mitte April gültig und  nach der Aktivierung für 24 Stunden verfügbar.

Auf reges Interesse darf Birkenstock durchaus hoffen, denn Milo Raus Film holt die christliche Passionsgeschichte mit dem gebürtigen Kameruner Polit-Aktivisten Yvan Sagnet als Jesus ins Hier und Jetzt. Gedreht wurde im süditalienischen Matera, wo schon Pasolini und Mel Gibson ihre Jesus-Filme schufen. Und der Erlöser wird zum Anführer einer „Revolte für Würde“, in der die oft lebensgefährlich übers Meer gekommenen Landarbeiter aus Afrika gegen ihre Ausbeutung auf den Tomatenfeldern und ihre Kasernierung in Dreckslöchern   aufbegehren. Dabei verschmelzen Bibelkino, Agitprop und Set-Impressionen  äußerst faszinierend.

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Digital-Ticket für den Film: http://www.dasneueevangelium.de

Birkenstock hat auch schon Raus „Kongo-Tribunal“ produziert. „Da haben wir  große Events mit Regisseur und Experten angedockt und so das Kölner Schauspielhaus, das Münchner Residenztheater oder die Berliner Schaubühne vollgemacht.“ So ließ sich die  Zurückhaltung vieler Kinos bei der attraktiven Platzierung von Dokumentarfilmen kompensieren. Derart  üppig dimensionierte Veranstaltungen verboten sich wegen Corona aber schon früh.

Start am 17. Dezember

„Wir haben dann mit unseren Förderern verabredet: Wir starten am 17. Dezember in den Kinos, begleitet von kleinen Events, und wechseln am 27. 12.  auf das rein digitale Angebot.“ Als Ende November mit dem Lockdown auch die  Schließung der Kinos verlängert wurde, „hätten wir den analogen Filmstart nur auf einen Zeitpunkt verschieben können, den wir nicht kennen. Von dem wir aber wissen, dass wir im Startstau mit vielen populären Filmen konkurrieren würden.“ Vermutlich auf verlorenem Posten.

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Also jetzt die „durchaus schweren Herzens getroffene Entscheidung für den digitalen Start mit der Option, nach dem Lockdown noch ins Kino zurückzukehren“. Denn das reine Streamen könne nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

„Wenn man sich etwa Online-Festivals ansieht, dann wirken die oft wie ein schwarzes Loch. Da fehlt die Spannung, die Energie  im Saal, der Beifall, auch die Kritik im Publikum. So bin ich froh, dass wir durch das kleine Fenster gestiegen sind, das sich im Sommer geöffnet hat und den Film groß mit dem ganzen Team beim Festival von Venedig präsentiert haben.“ Was erwartet er vom jetzigen  Experiment? „So viel ich weiß, ist noch kein Film so gestartet. Wir betreten  absolutes Neuland, so dass es keinerlei Erfahrungswerte gibt. Und auch auf das Publikum wartet Neuland, denn für 9,99 Euro bekomme ich ja auch einen Monat Netflix. Was vielleicht für uns spricht:  die Solidarität der Zuschauer mit der Kultur, auch der Film- und Kinokultur.“

Gegenüber oft nur  in Großstädten  anlaufenden Dokumentarfilmen hat man  nun den Vorteil, „dass der Film für jedermann und jederfrau in Deutschland leicht erreichbar ist“.

Kino in Corona-Zeiten – ein Abenteuer

Birkenstocks Kölner Kollegin Bettina Brokemper (Heimatfilm) bekennt auf dem digitalen Filmkongress, dass sie ihr europäisches Roadmovie „Töchter“ kurz nach dem Drehbeginn am Bodensee stoppen musste, „und dann habe ich acht Monate um die Realisierung gekämpft“. Letztlich erfolgreich.

Bei Fruitmarket hatte man mit Milo Raus Werk Glück im Corona-Unglück: „Der Film war im Oktober 2019 abgedreht, und Editoren sind ja ohnehin in einer Art Dauerquarantäne, einsam  in ihren Schneideräumen, wo höchstens mal ein Regisseur hereinkommt“. Also ging alles, auch die Postproduktion, gut.

Allerdings musste man ein anderes Projekt in Kambodscha nach einem Drehtag abbrechen. „Dann haben wir einen größtenteils abgedrehten Film über 100-jährige Frauen, bei dem man sich denken kann, dass jetzt die Beteiligten oder deren Angehörige streiken. Kino in Corona-Zeiten – ein Abenteuer.

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