Klimaaktivisten auf der BühneSo lief die Premiere von „Recht auf Jugend“ in Bonn

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Recht auf Jugend

Umjubelte Szene: Disco-Performance mit dem siebenfachen Christian Lindner. 

Bonn – So viel Jugend war lange nicht im Schauspielhaus. Das passte, denn auf dem Spielplan stand die Premiere von „Recht auf Jugend“. Lothar Kittstein hat das 1913 entstandene Stück des Österreichers Arnolt Bronnen (1895–1959) an die Gegenwart angekoppelt. Im Zentrum steht die drohende Klimakatastrophe: Anlass genug für den Regisseur Volker Lösch, drei „Aktivisti der Letzten Generation“ ins Ensemble aufzunehmen. Deren Organisation wirbt für mehr Klimaschutz, indem sie zum Beispiel in Museen berühmte Gemälde mit Tomatensuppe bewirft oder sich auf Straßen festklebt.

Die Teilnahme von Zoë Ruge, Irma Trommer und Tim Jakob Wechselmann-Cassim lockte zahlreiche junge Menschen ins Theater, und das ist auch für die folgenden Vorstellungen zu hoffen. Stück und Inszenierung sind wie geschaffen dafür, um über Klimawandel und die Methoden der „Letzten Generation“ nachzudenken und zu diskutieren – möglichst kontrovers.

Eltern, die ihre Kinder ins Theater begleiten, sollten eine gewisse Offenheit und Toleranz mitbringen. Schuldig gesprochen an der drohenden Katastrophe, erfahren sie heftige Kritik von der Bühne. „Die Eltern sind ein Misthaufen der Kultur“, heißt es einmal. Die Kluft zwischen den Generationen scheint unüberbrückbar.

Für die Dramen Bronnens, der mit dem Stück „Vatermord“ berühmt wurde, fand der legendäre KKritiker Alfred Kerr eine explosive Formel: „Bumms ohne Inhalt. Knall an sich. Leere mit Tempo.“ In „Recht auf Jugend“ lehnt sich der 17-jährige Hans Harder gegen die Elterngeneration in einer konservativ-bürgerlichen Gesellschaft auf, in der die Jugend ihrer Freiheit beraubt werde. Dabei denkt er über Aufstände, Gewalt und Märtyrertum nach. Im „heiligen Kampf für eine neue Zeit“ stößt er einen Freund aus dem Fenster, opfert die Freundin, massakriert den Vater und am Ende sich selbst. Bronnen hatte wüste Fantasien. In Bonn kommt Harder gar nicht vor, hier spielen Klima und Kollektiv die Hauptrollen.

Auf Valentin Baumeisters Bühne mit der Anmutung eines Laborraums oder einer Gummizelle bewegen sich sieben Körper in weißen Overalls und Turnschuhen wie verwundete Schlangenmenschen: Es sind die letzten Zuckungen einer Jugend ohne Zukunft. Immer wieder tickt eine Uhr düster drohend, im Laufe des Abends läuft immer mehr schwarze Farbe die Wände hinunter, zum Schluss herrscht Dunkelheit auf der Bühne. Eindeutige Symbolik.

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Die Inszenierung ist anregend und anstrengend zugleich. Anregend, weil sie die Perspektiven der „Letzten Generation“ immer wieder in konträren Ansichten spiegelt: von Eltern, Bundeskanzler, einer Grünen-Politikerin, Stimmen aus der Bevölkerung („Nichts als gewalttätige Vollidioten seid ihr“) und Christian Lindner.

Fast permanentes Brüllen im Chor

Nun zu den Mühen der Ebene. Der typische Volker-Lösch-Sound, das fast permanente Brüllen im Chor, hat eine ermüdende Wirkung und macht vieles unverständlich. Die sieben von Schauspielern und „Generations“-Originalen dargestellten Aktivisten skandieren sich die Seele aus dem Leib. Sie artikulieren sich im Empört-euch-Modus oder mit apokalyptischem Tremolo. Kittsteins Text vereint wissenschaftliche Erkenntnisse mit einem mit sprachlichem Pathos aufgeladenen Plädoyer in eigener Sache der „Aktivisti“. „Recht auf Jugend“ ist eine leidenschaftliche Polemik und ein vielstimmiges Pamphlet.

Das Klima-Septett auf der Bühne stellt das Sendungsbewusstsein, die Selbstgewissheit und die Selbstüberschätzung einer Gruppe aus, die noch die größten Schmähungen von außen als Auszeichnung und Ansporn begreift. Und sich kurioserweise als sensibles Opfer eines repressiven Systems, von Polizei, Medien und empörten Bürgern stilisiert.

Nach rund zwei pausenlosen Stunden ist Schluss. Die Bühne und die Wände sind mit schwarzer (ölfreier?) Farbe bedeckt, die Kostüme (Teresa Grosser) allesamt durchgeschwitzt und/oder mit Farbe durchtränkt. Wer soll das alles sauber machen? Wo bleibt da die Nachhaltigkeit?

Zwei Stunden, wieder am 3., 9., 13., 19. und 26. 11. Karten unter anderem bei Bonnticket.

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