Kölner dreht RoadmovieDiese Theatergruppe geht mit dem Heuwagen auf Tour

Lesezeit 4 Minuten
Still_DER WAGEN_Stueckpremiere

Das Theaterensemble der „buehnendautenheims“ auf Tour mit ihrem Heuwagen 

Köln – Die Räder des hundert Jahre alten Heuwagens klappern, der Motor des Traktors, der ihn zieht, knattert ohrenbetäubend. Vierzig Kilometer muss dieser ungewöhnliche Tross jeden Tag hinter sich bringen – ob er die teils schwierigen Strecken über Wald, Wiese und ostdeutsche Landstraße übersteht, weiß niemand. Das Ensemble der Theatergruppe „buehnendautenheims“ ist 2019 von Alzey (Rheinland-Pfalz) zu einer Tour quer durch Deutschland aufgebrochen – 17 Tage lang, durch sechs Bundesländer, mit dem Ziel Berlin.

Jeder packt mit an

Im Gepäck haben sie das barocke „Welttheater“ des spanischen Dramatikers Pedro Calderón de la Barca, das sie jeden Abend an einem anderen Ort aufführen. Und zwar, wie zu der Entstehungszeit dieses Fronleichnams-Prozessionsspiels üblich, als fahrende Schauspieltruppe – mit dem betagten Heuwagen als Bühne und Transportmittel. Der Kölner Theaterkünstler und Filmemacher Dominik Hallerbach hat die Tournee mit der Kamera begleitet und gemeinsam mit Co-Regisseur Johannes Karl ein herzerfrischendes Roadmovie gezaubert, das nun ebenfalls auf Deutschlandreise geht.

Still_DER WAGEN_Reifenpanne

Hier strandete die Truppe mit einer Reifenpanne mitten im Nirgendwo. 

Die Idee zu der Tour kam von der Dautenheimer Theaterleiterin Annette Storr, die damit zu den Wurzeln des Stückes zurückkehren wollte. „Ich wurde dann angefragt, einen Film darüber zu machen, und bin sozusagen ins kalte Wasser gesprungen“, sagt Dominik Hallerbach. „Das Projekt ist aber auf eine sehr positive Resonanz bei den Leuten gestoßen – was gut war, denn wir waren ja von den Spielorten und den Menschen dort abhängig, um das durchziehen zu können. Jeder Ort musste uns willkommen heißen.“

Barcas „Großes Welttheater“

„Spiele gut, denn Gott sieht zu“, heißt es im „Welttheater“ von Pedro Calderón de la Barca (1600-1681). In dem allegorischen Stück teilt der Schöpfer persönlich den Schauspielern ihre Rolle zu: der König, die Schönheit, die Weisheit, der Reiche und der Arme, ein einfacher Bauer oder „Landmann“ und ein Kind. Sie müssen ihre Rolle in der Welt finden und mit dem, was sie haben, zurechtkommen. Dabei bieten die Figuren auch Identifikationspotenzial: „Gerade in ländlichen Regionen hat in unserem Stück der Landmann viel Anklang beim Publikum gefunden“, sagt Dominik Hallerbach. (crb)

Wie gut das geklappt hat, zeigt sich etwa an der Unterstützung durch die lokalen Musikvereine. „Teilweise haben wir erst zwei Tage vorher angerufen und gefragt, ob sie bei der Aufführung mit uns spielen können“, sagt Hallerbach lachend. „Manchmal hatten wir eine komplette Blaskapelle, dann wieder nur zwei Jazztrompeter, und einmal auch einen Schalmeienchor. Clara Gervais, die für die Musik zuständig war, hat manchmal auf die Schnelle noch Partituren für die entsprechenden Instrumente geschrieben.“

Aber natürlich geht auf so einer Reise nicht alles reibungslos. Schlafentzug und Magen-Darm-Infektionen plagen die Schauspieler. Auch klischeedeutsche Polizisten, die bezweifeln, ob der Heuwagen denn auch allen Sicherheitsvorschriften der Straßenverkehrsordnung entspricht, werfen der Truppe Steine in den Weg. Doch wenn sich der Heuwagen im Wald festgefahren hat und weit und breit kein Abschleppseil in Sicht ist, muss eben eine Eisenstange aus der Requisite als Ersatz herhalten. Und wenn gar nichts mehr funktioniert, heißt es für die Reisenden: absteigen und schieben.

Gehaust wird oft an ungewöhnlichen Orten

Auch die Übernachtungsplätze der Gruppe sind oft abenteuerlich: „Als wir in Frankfurt waren, hat ein Ruderclub uns seine Umkleidekabine zum Schlafen zur Verfügung gestellt. Zeitgleich fand im Gebäude darüber eine Hochzeit statt, direkt am Mainufer“, erinnert sich Dominik Hallerbach. „Wir mussten deshalb immer den Hintereingang nehmen, damit das vagabundierende Volk nicht auf den Hochzeitsfotos zu sehen war.“

Doch nicht nur große Städte wie Frankfurt und Halle steuert die Truppe an, sondern auch die versteckten Fleckchen auf der Landkarte – wo sich die (ost-) deutsche Kleinbürgerprovinz von ihrer schönsten Seite zeigt. „Wir kamen als internationales Ensemble in diese kleinen, teilweise richtig abgehängten Dörfer, und wurden so herzlich empfangen“, erinnert sich Regisseur Hallerbach. „Einmal musste unser Traktor repariert werden, und wir waren umringt von Leuten, die uns geholfen und dann noch Würstchen und Bier in die Hand gedrückt haben.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Geblieben von dieser turbulenten Reise ist nun ein sehenswerter Film, der viele rührende Momente, aber auch einiges an Schmunzelpotenzial bietet. Inspiriert vom Konzept der Dautenheimer bringen Johannes Karl und Dominik Hallerbach ihn mit ihrem „Freilichtspielhaus“ auf die Open-Air-Bühne – auch wenn dabei diesmal kein Heuwagen, sondern ein ausrangiertes Feuerwehrauto mit darauf montierter Leinwand zum Einsatz kommt. Der Charme ist jedoch der selbe: nostalgisch, und vor allem ganz nah am Zuschauer.

Vorführung in Köln: Montag, 15. August, 20 Uhr. Orangerie Theater, Volksgartenstraße 25. Eintritt frei, Klappstühle können mitgebracht werden.

Rundschau abonnieren