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Literarisches Schreiben an der KHMKathrin Röggla startet als Dozentin in Köln

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Kathrin Röggla ist Professorin für Literarisches Schreiben in Köln

  • Kathrin Röggla unterrichtet Literarisches Schreiben an der Kunsthochschule für Medien

Köln – Mit ihrer neuen Professorin für Literarisches Schreiben hat die Kunsthochschule für Medien (KHM) eine politisch wie ästhetisch hellwache Frau gewonnen. Schon 2012 schrieb Kathrin Röggla „die alarmbereiten“ über Bürgerhysterie und medialen Umgang mit Katastrophen oder Verbrechen. Und da kamen schon „die Panikeinkäufer“ vor, die heute die Toilettenpapierregale leeren.

Das klingt wie eine prophetische Vorahnung der Corona-Krise. „Ja, leider, das Buch ist jetzt plötzlich auch wieder gefragt“, sagt die gebürtige Salzburgerin im Gespräch. Zwar sei die Pandemie jetzt auch aufgrund der politischen Eingriffe besonders einschneidend, „aber die Dynamik von Angst und Panik ist eine alte Geschichte, die immer wiederkehrt“. Wobei Röggla das Virus durchaus auch als Folge globaler Warenströme sieht.

Diktat des Live-Tickers in Corona-Zeiten

Und wie fällt ihr Urteil über die Berichterstattung aus? „Ich finde es wahnsinnig faszinierend, das wir momentan mehr denn je unter dem Diktat des Live-Tickers stehen. Das möchte ich hier auch in einem Seminar über ,Ansteckung‘ thematisieren.“ Positiv registriert sie, „dass gegenwärtig auch der Ungewissheit und dem Zweifel eine Bühne gegeben wird“.

Natürlich ist ihr Start in Köln „ein sehr spezielles Semester“, aber man müsse mit all den Regularien und Umständlichkeiten nun einmal klarkommen. Und wie sieht sie ihre Rolle als Professorin? „Ich möchte das Fach zusätzlich mit Hörkunst und Theater ausstatten, mache aber natürlich auch Prosa.“ Vieles soll interdisziplinär mit Bezug auf Film, bildende Kunst, Sound stattfinden, „denn das macht KHM aus: dass sie eine Art Think Tank ist, ein kreatives Labor, in dem das Miteinander den Kick gibt. Und als ich unten in den Studios war, fühlte ich mich, als sei ich auf eine Goldmine gestoßen.“

Rögglas Texte sind oft vielstimmig, kaleidoskophaft mit ihren Brechungen. Soll das die Blaupause für die Studierenden sein? „Ich sehe mich schon als sehr offen“, sagt sie, „habe mich in vielen Szenen umgetan, aber es wird hier nicht nur um meine Interessen gehen. Die Klimakrise etwa interessiert doch gerade junge Menschen, die damit noch intensiver umgehen müssen als ich. Ich habe nicht vor, ein Archiv auf den Tisch zu stellen und zu sagen: ,Das ist es jetzt‘, sondern komme hier durchaus als Forschende.“

Was macht gute Texte aus?

Auf die Frage nach ihren Kriterien für gelungene oder misslungene Texte meint die Autorin: „Jeder Text trägt in sich das Programm, etwas, das er sagen will. Da kann man fragen: Was behauptet er, was löst er ein.“ Andere Maßstäbe seien Originalität und Wirkung. „Ich selber probiere Texte auch aus, wenn sie noch im Werden sind, dann merkt man beim Vorlesen schnell, was zu viel ist. Ökonomie ist da schon eine relevante Kategorie.“

Zur Person

Enorm vielseitig: Kathrin Röggla schreibt Romane („wir schlafen nicht“), Erzählungen („Nachtsendung“), Essays („Die Rückkehr der Körperfresser“) und Hörspiele. Auch als Dramatikerin ist sie bekannt, spiegelte die Geschehnisse um die Selbstbefreiung von Natascha Kampusch in ihrem Stück „Die Beteiligten“. Zur Zeit schreibt sie an einem Roman über die Münchner NSU-Prozesse und plant ein Drama zur Klimakrise. (EB)

Die 49-jährige Autorin hat gerade ihr „Bauernkriegspanorama“ veröffentlicht, einen Versuch, Werner Tübkes Monumentalgemälde verbal in unsere Gegenwart zu holen. Ein explizit politisches Werk, das mit dem „Wortmeldungen“-Preis ausgezeichnet wurde. Erwartet Röggla diesen kritischen Blick für die Realität auch von ihren Studierenden? „Ich würde nicht von erwarten sprechen, so etwas lässt sich ja auch schulen und wächst hoffentlich ohnehin in dem hier herrschenden Diskussionsklima. Literatur entsteht ja nicht im luftleeren Raum, aber es gibt verschiedene Poetiken, und die müssen vor allem in sich stimmig sein.“ Den berühmten Adorno-Satz, dass es nach Auschwitz barbarisch sei, noch Gedichte zu verfassen, würde sie nicht unterschreiben. „Es ist ein Trugschluss, dass die Welt besser würde, wenn wir alle Kunst unterließen. Kunst ist ja auch eine Überlebenspraxis. Man muss sich schon des Rahmens bewusst sein, in dem man agiert. Und das ist heute schwierig, da sich der Zukunftshorizont durch die Klimakrise einfärbt. Doch das kann ja nicht heißen, dass man die Hände in den Schoß legt.“

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Was Kathrin Röggla ohnehin nicht tut. In ihren Essener Poetikvorlesungen hat sie über ihren stramm getakteten Zeitplan zwischen Jurysitzungen, Lesungen, Workshops, Podiumsdiskussionen und  eigenem Schreiben gesprochen – ist da für eine feste Stelle überhaupt Raum? „Ein Grund dafür, nach Köln zu kommen, war ja mein Bedürfnis, mich stärker zu fokussieren.“ Nun wohnt sie nach langen Jahren in Berlin mit ihrer Familie am Rhein, „wobei mein Mann, der Schauspieler und Theaterregisseur Leopold von Verschuer, schon 15 Jahr lang in Köln gearbeitet hat“. Auch die drei Kinder haben für den Umzug gestimmt, „und auf meine Frage, ob jemand zurück nach Berlin wolle, gab es ein allgemeines ,Nö‘“.

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