MärchenhaftMichael Hampe bringt die „Zauberflöte“ zurück nach Köln

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Zauberflöte Oper Köln

Köln – „Die Strahlen der Sonne vertreiben die Nacht“, singt Sarastro am Ende des Mozart-Singspiels „Die Zauberflöte“. Opern-Intendantin Birgit Meyer zitierte in ihrer Premierenbegrüßung dieses Motiv als freundliches Zeichen zu etwas, das mehr sei als Spielzeiteröffnung. Seit März trafen sich Sänger, Orchester und Bühnenmannschaft erstmals zu einer gemeinsamen Produktion. Diese leitete der dem Kölner Publikum sehr verbundene Regisseur Michael Hampe, ein Altmeister bühnenwirksamer Erzählkunst, ein Spezialist für dieses Werk. Er stand einst selbst als moderierender Theaterdirektor in der „Zauberflöte für Kinder“ in Köln auf der Bühne.

Macht und Gerechtigkeit sollen vereinigt sein, so lautet die Utopie, die Hampe als Kern dieser Oper aus Schikaneders Texten liest. Die zeitpolitische Brisanz in Uraufführungstagen wird heute von der Märchenhandlung um Prinz Tamino und die böse Königin der Nacht überstrahlt – was die Option birgt, wie aus anderen guten Märchen durchaus Lohnendes lernen zu dürfen. Und dass der strenge Priesterbund am Ende bereit ist, sogar Pamina, eine Frau, in ihren Kreis aufzunehmen, deutet die Unverwüstlichkeit des Stoffes an.

Das in manchem Unterton eher frauenfeindliche Skript gipfelt so in der Emanzipation einer starken Frau. Hampe setzt auf die Kraft des Stückes, lädiert durch die harten pandemischen Auflagen für Bühnenkünstler: Wer sich liebt, darf sich nur mit Abstand begegnen. Wenn die Hand der Gerechten die Prüflinge führt, so drückt sie einen Abstandsmesser mit beleuchteter Plastikhand auf die Schulter der Delinquenten – mit Humor Problem gelöst.

Steigende Infektionszahlen verschärften leider auch die Vorschriften fürs Publikum, der Mund-Nasenschutz bleibt auch am Sitzplatz Pflicht.

Hampes Zauberkiste, eine moderne Guckkastenbühne mit zahllosen Schichten und Ebenen als Verwandlungswunder, lässt keine bildnerischen Wünsche offen und ermöglicht mühelos Szenenwechsel ohne Umbauten. Riesige Projektionsflächen zeigen gleich bei Taminos Flucht vor der legendären Schlange, was möglich ist. Während der Prinz mit einem Stück Schwanz auf der Bühne ringt, droht der Rest des Riesenmonsters mit Tyrannosaurus-Gebiss von der Leinwand. Hier erlebt Tamino später spuckende Vulkanlandschaften und reißende Fluten, die Priester starren durch ihre Panorama-Fenster wie „Star Wars“-Heilige ins All.

Hightech trifft auf Großmutters Zeit

Hightech wirkt hier gut dosiert und stößt auf liebevolle Theatertricks aus Großmutters Zeit. Da flattern bunte Vögel an geschwungenen Ruten, und Taminos Flötentöne locken herrlich kostümierte Bühnenstatisten als Nashorn oder Krokodil auf die Bühne – als hätte die Arche Noah eine Ruderpanne.

Diese fantasievollen Kostüme und die Bühne schuf Germán Droghetti, der kürzlich in Santiago de Chile der Pandemie zum Opfer fiel und dem deshalb die Uraufführung gewidmet wurde.

Nach „Rusalka“ liegt für Christoph Gedschold der zweite Märchenstoff auf dem Kölner Pult, er ist hauptamtlich Kapellmeister der Oper Leipzig. Als Spezialaufgabe obliegt ihm die Koordination der Orchestergruppen, die durch einen breit gezogenen Graben Distanzen von rund 25 Metern Entfernung aufweisen – vom Kontrabass bis zur Posaune. Dieser Hollywood-Breitwandsound passt zum farbmächtigen Bühnenbild, und der Maestro dirigiert entsprechend klar und solide. Und auch Chorpassagen, die von Band zugespielt werden, passt der Dirigent mühelos in den musikalischen Fluss. Sechs Sänger im Aufgebot entstammen dem Opernstudio und damit dem hauseigenen Nachwuchs, darunter die Pamina der lyrischen Sopranistin Kathrin Zukowski, die ihre wachsende Rolle wunderbar entwickelt.

Den weiblichen mütterlichen Gegenpart beherrscht die russische Koloratursopranistin Antonia Vesenina, die scharfen Stahl in ihrer Rachearie führt. Ensemble-Mitglied Matthias Hoffmann debütiert in der Rolle des Papageno und entgeht souverän der Absturzklippe zum Klamauk. Der Tamino Julien Behr legt seine Rolle mit schneidigem Ton an, damit erreicht er allerdings nicht die Herzen – ganz im Gegensatz zu den Publikumslieblingen, den Solisten des Knabenchores der Chorakademie Dortmund. Die drei schweben auf ihrem Wolkenmoped herein, rausgeputzt wie weiße Punk-Engel, und sie tönen herrlich im Terzett. Immer erwähnenswert: Stammgast Ante Jerkunica verleiht mit seinem mächtigen Bass dem Sarastro sämtliche Weihen; und segnet Hampes neue Zauberflöte für Köln. Weitere Vorstellungen: 7./8./9./11.  (16 Uhr) / 13./14./16./ 17./18. (16 Uhr)/21./23./24./25. (18 Uhr)/28./29.10. jeweils um 19.30 Uhr, weitere Vorstellungen im November.

Dauer: Drei Stunden mit Pause.

Das Stück: Hampes „Zauberflöten“-Vermächtnis für Köln beschwört die Wirkkraft des Stückes selbst – momentan in Auflagen-gerechter Bearbeitung

Die Regie: Der Erzähler Michael Hampe animiert bildkräftig seine Operngäste, den zeitlosen Gehalt der Zauberflöte für sich zu interpretieren

Die Musik: Dank zahlreicher Doppel- und Tripelbesetzungen reißen Frische und Überraschung bei dieser jungen Ensemble-Leistung nicht ab

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