Nachruf auf den Müll-MönchDer Schöpfer des verrücktesten Gotteshaus Spaniens ist tot

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Kathedrale 2

Die Kathedrale, die Justo Gallego nahe Madrid errichtet hatte. 

Madrid – Der Mann ist ein Beispiel dafür, dass man mit einem unerschütterlichen Glauben geradezu Unglaubliches leisten kann. 60 Jahre lang baute der frühere spanische Mönch Justo Gallego ganz allein vor den Toren Madrids an einer Kathedrale. Ohne Baupläne, ohne Geld und ohne Genehmigung. Aber mit viel Gottvertrauen. Der noch immer unvollendete Tempel, der überwiegend aus recycelten Bauabfällen geschaffen wurde, gilt als das verrückteste Gotteshaus Spaniens.

Bis zum letzten Atemzug schuftete der einsame Kathedralenbauer an seinem Wunderwerk. Seit 1961, als er auf einem vom Vater geerbten Olivenhain den Grundstein für sein Monument des Glaubens legte. Von morgens bis abends. Sechs Tage die Woche. Nur sonntags gönnte er sich eine Pause. Getreu dem Bibelwort: „Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebten Tag sollst du ruhen.“ In der letzten Novemberwoche starb der rastlose Gottesmann mit 97 Jahren.

Verein führt Bau weiter

Kurz vor seinem Tod vermachte Gallego sein Bauwerk, das im Madrider Vorort Mejorada del Campo in den Himmel wächst, der katholischen Hilfsorganisation „Mensajeros de la Paz“ (Botschafter des Friedens). Diese verpflichtete sich, den Kirchentraum Gallegos zu vollenden. Allerdings mithilfe von Architekten und einer regulären Baufirma. Das mit zwölf Türmen geschmückte Gewölbe soll einmal als überkonfessionelles Begegnungszentrum dienen.

Kathedrale aus Müll (1)

Blick auf die Kuppel 

„Die Kathedrale ist ein wahres Wunder“, sagt Ángel García, Chef und Gründer der „Mensajeros“. Der Geistliche, der in Spanien „Pater Ángel“ genannt wird, erwarb mit seinem Hilfswerk für Arme und Obdachlose nationalen Ruhm. Nun wird er mit seinem Plan, das unkonventionelle Kirchenschiff fertigzustellen, zum Retter des bizarren Baus, der mangels städtischer Baugenehmigung und Finanzierung immer wieder vom Abrissbagger bedroht war.

Viele hielten Justo Gallego erst einmal für einen Spinner

Als Gallego am 12. Oktober 1961, dem Tag der spanischen Schutzheiligen Pilar, mit seinem Kirchenbau begann, hielten ihn viele Menschen in seinem Heimatort für einen Spinner. „Die Leute dachten, ich bin verrückt“, erinnerte sich Gallego in einem Interview mit unserer Redaktion. Heute sind die 24000 Einwohner von Mejorada del Campo stolz auf ihren eigenwilligen Bauherrn. Kurz vor seinem Tod wurde er sogar vom Bürgermeister zum Ehrenbürger ernannt. Schließlich verdankt die Kleinstadt ihrem unbeirrbaren Konstrukteur ein Bauwerk, das über die Landesgrenzen hinaus berühmt wurde. Busse mit Touristen und Pilgern kommen. Und sogar das New Yorker Museum of Modern Art widmete diesem kreativen Kirchenbau schon eine Fotoausstellung.

Justo Gallego

Justo Gallego

Eine einschneidende Erfahrung führte vor 60 Jahren zum Bau des Gotteshauses. Nachdem der junge Gallego ins Kloster eingetreten war, erkrankte er nach einigen Jahren an Tuberkulose und musste wegen der Ansteckungsgefahr die Ordensgemeinschaft wieder verlassen. Ihm wurden damals wenig Überlebenschancen eingeräumt. Wider Erwarten erholte er sich von der lebensbedrohenden Lungenkrankheit. „Aus Dank für die Genesung beschloss ich, dem Herrn einen Tempel zu bauen“, berichtete er. 60 Jahre nach Baubeginn ist die Kirche ziemlich fortgeschritten: Gut 50 Meter lang und 20 Meter breit erhebt sich das Kirchenschiff über den Dächern von Mejorada del Campo. Über allem thront in 36 Meter Höhe eine 22 Meter messende blaue Kuppel. Links und rechts des Portals ragen zwei nahezu 60 Meter hohe Türme auf, die noch nicht vollendet sind, aber dieses Monument der Beharrlichkeit weithin sichtbar machen.

Benzinfässer mit Zement

Im Inneren kann man bewundern, wie Gallego mit einfachsten Mitteln an seinem Traum arbeitete: Für Säulen und Stützpfeiler nutzte er alte Benzinfässer und Dosen, die er mit Zement füllte. Die Fensterbögen baute er mit ausgedienten Sprungfedern, die er mit Mörtel ausgoss. Die Wände zog er mit Steinresten von Ziegeleien hoch, die ihm Ausschussware überließen. Aus einem alten Fahrrad konstruierte er einen Flaschenzug, um Steine und Zementeimer nach oben zu hieven. „Ich bin weder Maurer noch Architekt“, bekannte Gallego. „Aber ich habe viele Bücher über Burgen und Kathedralen gelesen.“ Und wenn er nicht weiter wusste, habe er Gott um Rat gefragt.

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Übrigens: Eine Gruppe von Architekten und Statikern bescheinigte inzwischen, dass die „Kathedrale des Mülls“ entgegen mancher Befürchtung erstaunlich solide gebaut ist und keinerlei Einsturzgefahr besteht. Es scheint also ganz so, als ob dem Wunderbau die himmlische Hilfe gut bekommen ist.

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