Sensationelle Ausstellung„Lucas Cranach. Meister - Marke - Moderne“ in Düsseldorf

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Cranach Madonna

Anmut pur: Lucas Cranachs d. Ä. "Madonna mit Kind" (1518) aus dem Kölner Wall­raf-Ri­chartz-Mu­se­um

Düsseldorf – Bisweilen vergisst man in dieser exzellenten Cranach-Ausstellung, dass sich das alles schon vor 500 Jahren ereignet hat - so modern muten die Verbreitungs-Strategien an, so dynamisch der Ideentransfer in einer wahrhaft boomenden Medienlandschaft, so innovativ die Markenbildung und das politische Branding. Wenn man gegen Ende der Düsseldorfer Schau vor der arg braven und wenig inspirierten Umsetzung von Lucas Cranachs "Bildnis einer jungen Frau" aus der St. Petersburger Ermitage durch Andy Warhol steht, ist Kopfschütteln angesagt. Der König der Pop-Art war ein Marketinggenie, hatte eine "Factory" - wie Cranach auch. Doch nicht nur beim Output überflügelte ihn der schlaue Cranach. Ein Blick aufs wunderbare Original der jungen Frau aus Petersburg, das die Lichtregie im Düsseldorfer Museum Kunstpalast suggestiv aus dem Dunkel schält, unterstreicht Cranachs Klasse.

Brennpunkt der geistig-moralischen Wende

1472 wird Lucas Cranach im oberfränkischen Kronach geboren. Erst mit 30 startet er durch, dann aber richtig. In der Metropole Wien trifft er auf die geistige Avantgarde, die Humanisten um Conrad Celtis. 1505 beruft ihn der sächsische Kurfürst Friedrich III., genannt der Weise, als Hofmaler nach Wittenberg. Wittenberg? Ein bedeutungsloses Nest, dessen Bewohner laut Martin Luther "in termino civitatis", an der Grenze zur Zivilisation lebten. Bis der exzellent vernetzte Friedrich der Weise eine Universität gründete, bis der Ort zum Brennpunkt der geistig-moralischen Wende, der Reformation wurde.

Cranach gründete hier nicht nur eine Malerwerkstatt, er reüssierte auch als Apotheker, hatte einen Weinausschank, war Ratsherr, Bürgermeister und Verleger. In seiner Druckerpresse wurden Luthers Übersetzung des Neuen Testaments und etliche reformatorische Schriften gedruckt, in seiner hochprofessionellen, arbeitsteiligen Werkstatt entstand das sozusagen offizielle Porträt des Reformators. Von 130 Porträts weiß man - wir sehen Luther heute durch Cranachs Brille. Beide waren eng befreundet: Cranach war Trauzeuge der Skandalhochzeit zwischen dem Mönch Luther und der entlaufenen Nonne Katharina von Bora, Cranach und Luther waren jeweils Taufpaten der Kinder des anderen.

Grafisches Werk begeistert

Die Bildpropaganda, der Wissenstransfer der Reformation lief über Cranachs Werkstatt. 5000 Bilder sollen dort entstanden sein, 1500 sind heute noch erhalten. Der Kunstpalast zeigt einen exquisiten Ausschnitt aus dieser Produktion. Frühe Gemälde aus der Wiener Zeit sind zu sehen, richtig begeisternd aber ist das grafische Werk. Am Hof Friedrichs III. bewies sich Cranach mit seiner Werkstatt, zudem als guter Porträtist. Am Hof des Kurfürsten herrschte ein reger Kunstaustausch, niederländische und italienische Grafik und Gemälde kursierten. Und Kunst Albrecht Dürers, dessen Grafik Cranach seit seiner Wiener Zeit studierte. Die Ausstellung zeigt etwa anhand des Adam-und-Eva-Motivs, wie der Dialog zwischen Dürer und Cranach verlief.

Die Schau unterstreicht seinen Rang als ausgezeichneter, koloristisch versierter Maler und intelligenter Schilderer komplexer Themen. Und in Punkto Erotik überflügelt er Dürer deutlich. Der mag zwar den ersten autonomen Akt nördlich der Alpen gemalt und das Genre des "nacketen Bildes" begründet haben. Cranach jedoch überzeugt mit seinen überaus sinnlichen Madonnen, mit den nackten oder nur spärlichst verhüllten Lucretias, Dianas, Grazien und Evas. Was war der Zweck dieser offensichtlich erotischen Bilder? Eines davon, eine schöne, nackte Venus, trägt Cranachs Warnung: "Bezwinge mit ganzer Anstrengung deine Liebesgelüste, damit nicht Venus dein umnebeltes Herz besitzt." Folgt man der Bonner Professorin Anne-Marie Bonnet, die sich im Katalog lesenswert mit der Nacktheit befasst hat, ging es Cranach nur um einen Beitrag im Diskurs über die Schönheit des Frauenakts und die Augentäuschung der Malerei - im Dialog mit den Humanisten.

Mit einem nicht sehr aussagekräftigen Dialog mit der Moderne (Picasso, Baldessari, Dix, Giacometti und Co.) klingt diese mit rund 200 sensationellen Leihgaben unter anderem aus Budapest, Prag, und New York bestückte Schau aus.

Museum Kunstpalast Düsseldorf; bis 30. Juli. Di-So 11-18, Do, Sa bis 21 Uhr.

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