Premiere von „Faking Hitler“Was das Filmfestival Cologne noch zu bieten hat

Lesezeit 4 Minuten
La Civil

La Civil“ 

Köln – Das Film Festival Cologne (21.-28.10.) ehrt neben Regisseur Steve McQueen („Shame“) auch den sonst auf Skandale abonnierten Kollegen Gaspar Noé, der jüngst mit „Vortex“ einen überraschend ruhigen Film über Alter und Tod gedreht hat. Was sich abseits großer Namen lohnen könnte, stellt Hartmut Wilmes vor.

Tor zur Welt

Die Reihe „Benelux meets NRW“ klingt nach kleinem Grenzverkehr, öffnet aber ein Tor zur Welt. Mit „Do not hesitate“ (25. 10. 17.30 Uhr, Filmpalast) glückt Shariff Korver ein alle Klischees meidender Antikriegsfilm. In einer Steinwüste im Mittleren Osten strandet ein Panzerfahrzeug des niederländischen Militärs. Und als es im nahen Gebüsch verdächtig raschelt, eröffnet einer der nervösen Soldaten das Feuer. Sein Opfer: eine Ziege.

Das Tier gehörte einem Jungen, der nun Genugtuung fordert. Ein Kinderspiel für schwer bewaffnete Männer? Nein, letztere haben hier einen Kleinkrieg angezettelt, in dem Korver den Spannungsknoten unbarmherzig zuzieht. Und zeigt, wie rasch die Zivilisationskruste vermeintlich überlegener Kulturen bricht.

Noch albtraumhafter wirkt „La Civil“ (27. 10. 22 Uhr Filmpalast), da die belgisch-rumänische Regisseurin Teodora Mihal in Mexikos Herz der Finsternis blickt.

Cielo muss erleben, dass ihre Tochter Laura von einem Kidnapping-Kartell entführt und trotz Lösegeldzahlung nicht freigelassen wird. Die von der Polizei im Stich gelassene Mutter gibt nicht auf, kooperiert mit einer knallharten Militäreinheit – und teilt mit dem schockierten Zuschauer einen Blick ins zynische Geschäft der Erpresser.

Kunst trifft Krimi

Das nennt man Preisexplosion: 2005 kaufte ein Amerikaner für 1175 Dollar ein Christusbild „nach Leonardo“, 2017 wurde es von Christie’s als echter Da Vinci für 450 Millionen Dollar versteigert. Doch ist „Salvator Mundi“ wirklich ein eigenhändiges Werk des Renaissance-Genies?

Der schwedische Regisseur Andreas Koefoed hat für „The Lost Leonardo“ (23. 10. 19.30 Uhr Filmpalast) keine Recherchemühen gescheut.

Letzte Klärung der Authentizitätsfrage gibt es dennoch nicht, wohl aber desillusionierende Schlaglichter auf die Maschinerie des Kunstmarkts: Londons National Gallery betätigt sich per Ausstellung als Echtheits-Anwalt des umstrittenen Werks, ein gewinnsüchtiger Genfer Geschäftsmann, ein russischer Oligarch und schließlich der saudische Prinz Mohammed bin Salman sind die schillernden Figuren der Verwertungskette. Ein Kunstkrimi mit offenem Ende.

Alle Infos und Tickets unter filmfestival.cologne

So aufregend fällt der Besuch der Kölner Dokumentarfilmerin Corinna Belz „In den Uffizien“ (26. 10. 19 Uhr Filmhaus) zwar nicht aus. Doch man schaut dem deutschen Direktor Eike Schmidt als Hüter der Florentiner Medici-Schätze beim Gespräch mit US-Sponsoren, bei der Hängung künftiger Ausstellungen oder beim Aufheben abgelaufener Eintrittskarten gern zu.

Vor allem aber tastet die Kamera respektvoll die überwältigenden Gemälde von Botticelli, Caravaggio oder eben Leonardo da Vinci ab. Wobei keine Zweifel an der Echtheit bestehen.

Der doppelte Udo

Die Festivalreihe „Look“ gilt als Garant für visuelle Wagnisse. Zweifach ist diesmal der in Hollywood erfolgreiche Kölner Mime Udo Kier beteiligt. In der Ausgrabung des 1983 gedrehten Films „Pankow ’95“ (23. 10. 21 Uhr Filmhaus) ) spielt er den gescheiterten Musiker Johannes Wolfgang Amadeus Zart, der in einer DDR-Nervenklinik wegen fixer Ideen behandelt wird.

Promis kommen

Einige Filme werden in Anwesenheit der Darsteller gezeigt:

Zu „Zero“ kommen Heike Makatsch und Sabin Tambrea (Filmpalast, Samstag, 23. Oktober,18 Uhr) .

„Monte Verità – der Rausch der Freiheit“ wird in Anwesenheit von Maresi Riegner, Max Hubacher und Philipp Hauß gezeigt (Filmpalast, Montag, 25. Oktober, 19 Uhr).

Lars Eidinger und Daniel Donskoy sind bei der Premiere des „Schtonk“-Remakes „Faking Hitler“ mit von der Parte (Filmpalast, Samstag, 23. Oktober, 21 Uhr). (EB)

Den Doktor verkörpert Hitparaden-Discjockey Dieter Thomas Heck, Christine Kaufmann ist mit spektakulärer Taifun-Frisur Zarts mondäne Frau, und auch Magdalena Montezuma wirkt in Gabor Altorjays kultverdächtig verrückter Mischung aus Polit-Groteske und SciFi-Spinnerei mit.

Knapp 40 Jahre später wird's für Kier in „Swan Song“ (23. 10. 19 Uhr Filmhaus) ernster. Todd Stephens gab ihm die Hauptrolle der Sandusky-Trilogie über seine Geburtsstadt in Ohio. Einst war der schwule Friseur Pat Pitsenbarger als aufgetakelter Drag-Entertainer „der Liberace von Sandusky“, nun hockt er krank und verarmt im Altersheim.

Das könnte Sie auch interessieren:

Doch als eine glamouröse Ex-Kundin stirbt und ihm ein stattliches Salär für ihr letztes Hair-Styling vermacht, spreizt der Paradiesvogel mit pastellgrünem Anzug und rosafarbenem Hütchen noch einmal die Federn. Allerdings wird die Rückkehr in seine Stadt zum melancholischen Gang zwischen Grabsteinen und Gespenstern. Kier hält die Figur traumhaft sicher zwischen schräger Komik und Verzweiflung – eine oscarreife Leistung.

Rundschau abonnieren