Abo

„Hart aber fair“„Der richtige Mann“ – Intensivmediziner über Lauterbach-Ernennung

Lesezeit 5 Minuten
Haf Janssens 071221

Prof. Dr. Uwe Janssens, Chefarzt Intensivmedizin des St. Antonius Hospitals Eschweiler

Köln – Was ist bekannt über die Folgen von Corona? Und nimmt die ganze Gesellschaft langfristig Schaden, weil die Politik kraftlos wirkt und die Verzweiflung bei den Bürgern und Bürgerinnen wächst? Am Montagabend befasste sich „Hart aber fair“ mit Long Covid. 

„Corona und kein Ende – wie groß ist der ganze Schaden?“, war der Titel der Sendung, und Frank Plasberg stellte die Themen des Abends vor: Long Covid, Solidarität für den Impfstatus, die Corona-Politik und die Auswirkungen durch Corona für die Menschen und die Wirtschaft. Darüber diskutierte ARD-Moderator Frank Plasberg mit diesen Gästen:

Andreas Bovenschulte (SPD), Bremens Bürgermeister und Präsident des Bremer Senats machte klar, dass die Besetzung Karl Lauterbachs als Gesundheitsminister eine „goldrichtige Entscheidung“ sei.

Alles zum Thema Karl Lauterbach

Dr. Eckart von Hirschhausen, den Mediziner, Autor und Moderator macht es wütend, dass vor allem das Klinikpersonal zu Beginn der Pandemie ungeschützt war und allein gelassen wurde.

Nelson Müller, der Sternekoch und Restaurant-Besitzer sprach über seine Lage – die Pandemie mache sein Geschäft kaputt.

Katharina Hamberger, die Hauptstadt-Korrespondentin des Deutschlandradios und Journalistin kritisierte das Handeln der Regierung in der Corona-Pandemie: „Trotz Warnungen wurde nicht vorausschauend geplant“.

Prof. Dr. Uwe Janssens, der Intensivmediziner, Chefarzt der Intensivmedizin des St. Antonius Hospitals Eschweiler und Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin stellte klar, dass es auf Intensivstationen keinen Unterschied zwischen geimpften und ungeimpften Menschen geben darf, sonst „erodiere das Gesundheitssystem“.

Das könnte Sie auch interessieren:

Eröffnet wurde mit einer Patientin mit dem Namen Andrea Lingg, die nach ihrer Infektion unter Long-Covid leidet. „Ich konnte meinen Arm nicht mehr heben und hatte Angst, dass ich nichts mehr essen kann“, so Lingg. Dr. Eckart von Hirschhausen erklärte dazu , dass bei Long-Covid zwei Dinge passieren. Die Viren würden die Innenschicht der Gefäße angreifen und Gerinsel bilden, die auch junge Menschen treffen können.

„Der tägliche Mount Everest“

13% der Erwachsenen, die eine leichte Corona-Infektion überstanden haben, leiden oft monatelang noch an Long Covid Folgen: Geschmacksverlust, Erschöpfung und Kurzatmigkeit. Für Andrea Lingg sind bereits zwei Treppenabschnitte „der tägliche Mount Everest“. Wie viele andere Long Covid Patienten hat auch sie lange auf einen Therapieplatz gewartet – nach einem Jahr hat sie einen bekommen.

Von Hirschhausen: „Das ist der eigentliche Skandal“

Allerdings mangelt es laut von Hirschhausen nicht nur an Therapieplätzen, sondern auch an Pflegekräften – und in Zukunft werde man sie noch dringender brauchen. In zehn Jahren würden jedoch bis zu 500.000 Pflegekräfte fehlen. Ihn macht es außerdem wütend, dass vor allem das Klinikpersonal zu Beginn der Pandemie ungeschützt war: „Wir haben sie damals allein gelassen und lassen sie dieses Mal wieder allein. Das ist der eigentliche Skandal.“

Ein weiterer Diskussionspunkt, den er ansprach, sind die Langzeit-Betroffenen von Long Covid – werden sie vergessen? Diese Menschen seien erheblich gezeichnet durch Long Covid und finden nur schwer in ihren bisherigen Alltag zurück. Gleichzeitig gebe es zu wenig Forschung für Long Covid Folgen. Dazu schaltete sich Prof. Dr. Uwe Janssens ein: „Noch wissen wir nicht viel über Long-Covid und noch viel schlimmer ist, dass wir im Moment noch keine geeigneten Behandlungen haben“. Einen Lichtblick konnte von Hirschhausen allerdings geben. Er legte medizinisch fundiert vor, dass eine Impfung ganz eindeutig vor Long Covid Beschwerden schützt.

Der Epidemie zuvorkommen

Katharina Hamberger, Hauptstadt-Korresspondentin des Deutschlandradios, plädierte für ein vorausschauendes Handeln der Regierung in der Corona-Pandemie: „Es wäre wünschenswert, wenn wir der Epidemie nicht mehr hinterherlaufen, sondern vorausschauend denken und planen“. Dabei kritisierte sie konkret Bund und Länder, denen sie vorwirft, trotz vieler Warnungen nicht durchgreifend und vorausschauend genug geplant zu haben – insbesondere auch im Hinblick auf die vierte Corona-Welle.

Lauterbachs Cheerleader

Auffallend in der Talksendung war dazu auch eine immer wieder eingeworfene Lobpreisung auf Karl Lauterbach und seine Ernennung zum Gesundheitsminister – gleichzeitig wurde deutlich gemacht, dass dies keine Diskreditierung Jens Spahns bedeute. Der Intensivmediziner Janssens von St.-Antonius-Hospital in Eschweiler freute sich im Namen vieler Ärzte und Krankenpfleger über die Ernennung von Karl Lauterbach zum neuen Gesundheitsminister. „Er ist der richtige Mann für diesen Posten. Das ist ein gutes Signal“. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte bezeichnete die Ernennung eine „goldrichtige Entscheidung“. Hamberger war in dieser Runde die Einzige, die etwas verhaltener wirkte und es so formulierte, dass sie gespannt ist, ob Lauterbach die Erwartungen erfüllen kann.

„Hätte es damals schon Twitter und Facebook gegeben, hätten wir heute noch Pocken und Polio“

Thema in der Talkrunde war dann auch der Impfstatus der Menschen – geimpft oder ungeimpft. Von Hirschhausen berichtet von einer Welle an Desinformation in Bezug auf das Impfen – es sei frappierend, wie viele Menschen Informationen aus ihrem sozialen Umfeld und den sozialen Medien übernehmen würden – wahr oder falsch – und forderte, dass jetzt deutlich werden müsse, dass es im schlimmsten Fall um Leben und Tod geht. Außerdem fügte er hinzu: „Hätte es damals schon Twitter und Facebook gegeben, hätten wir heute noch Pocken und Polio“. Bovenschulte steuerte aus seiner Perspektive bei, dass das Vertrauen der Bevölkerung ganz klar sinkt, wenn die Politik gewisse Dinge nicht 100 Prozent im Griff hat – wie es teilweise bei der Impfkampagne gewesen sei.

Plasberg sprach auch die Frage nach dem Verständnis für Nicht-Geimpfte an, dem erwiderte Janssens klar, dass es aus ethischer Sicht keinen Unterschied zwischen geimpften und ungeimpften Menschen gibt. Er verstehe den Unmut vieler Leute, aber wenn man damit anfangen würde, auf den Intensivstationen eine Differenzierung vorzunehmen, dürfte man auch keine Raucher oder Übergewichtige mehr behandeln.

Appell an Solidarität

Zum Schluss wurde in der Sendung an die Solidarität der Menschen appelliert. Von Hirschhausen machte klar, dass die Entscheidung für eine Impfung, eine Entscheidung zum eigenen Schutz und ganz eindeutig auch zum Schutz anderer sei: „Ich finde das Impfen zumutbar und empfinde es als Belästigung, wenn man andere Menschen mit seinen infizierten Aerosolen belästigt“. Diesen Wink an eine allgemeine Impfpflicht bekräftigte Janssens, der keinen Wert in einer Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen sehe, sondern als Appell an die Solidarität für eine Impfpflicht für alle plädierte.

Rundschau abonnieren