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Von Hitchcock bis MusicalStreaming-Tipps für das eigene Heimkino an den Ostertagen

Lesezeit 3 Minuten
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Außergewöhnliche Darstellung: Szene aus „Unorthodox“ mit Shira Haas.

Köln –  Die Kinos sind wie Theater und Opernhäuser wegen der Corona-Gefahr geschlossen, und das klassische Fernsehen spickt sein Osterprogramm üblicherweise mit Wiederholungen. Doch es gibt sowohl bei den Streamingdiensten wie beim Kultursender Arte reizvolle Alternativen. Im Folgenden eine subjektive Auswahl.

„Unorthodox“

Eine junge chassidische Jüdin verlässt ihre ultra-orthodoxe Familie in New York und versucht in Berlin ein freies Leben zu beginnen. Maria Schrader schafft auf der Basis der Memoiren von Deborah Feldman eine Mischung aus Coming-of-Age-Drama und religiösem Krimi.  Dabei schrappt sie bisweilen hart am Kitsch vorbei, vermittelt aber auch einen durchaus empathischen Blick auf die Kultur einer religiösen Splittergruppe, deren Bräuche und strenge Regeln gleichermaßen faszinieren wie verstören (bei Netflix). (HLL)

 „Ozark“

Hing diese erstklassige US-Serie in der zweiten Staffel etwas durch, so pumpen die aktuellen zehn Folgen wieder mächtig Druck in den Spannungskessel. Die wegen windiger Mafiageschäfte aus Chicago in Missouris Seenidyll der Ozarks verbannte Familie Byrde macht sich dabei nach Kräften selbst das Leben schwer. Vater Marty (Jason Bateman) und Mutter Wendy (Laura Linney) wetteifern fatal um die kriminelle Führungsrolle, wobei Wendy den Teufelspakt mit dem organisierten Verbrechen noch dramatischer macht.

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Ihre Nähe zu einem mexikanischen Kartellboss bringt dessen hartgesottene Anwältin vor Ort in Stellung, und die lokale Mafia verteidigt ihr Terrain ebenfalls unerbittlich. Familienkonflikte, moralische Zwickmühlen und beinharte Action: „Ozark“ ist wahrlich nichts für Zartbesaitete (Netflix). (Wi.).

„Jesus Christ Superstar“

50 Jahre hat „Jesus Christ Superstar“ auf dem Buckel, der erste Erfolg von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice, damals noch als Rockoper untertitelt. Arte zeigt jetzt die (zwei Jahre alte) Aufzeichnung einer energiegeladenen Inszenierung, in der alles stimmt.

Apostel und Anhänger fegen als angepunkte Straßengang über die sparsam ausgestattete Bühne, R’n’B-Sänger John Legend legt eine unglaubliche stimmliche Bandbreite an den Tag, und der über 70-jährige Alice Cooper vereint in seinem Auftritt als Herodes Würde und Augenzwinkern (Arte, 10.4., 22.35 Uhr sowie 30 Tage in der Mediathek). (HLL)

 „Jung und unschuldig“

Diese charmante Thrillerkomödie von 1937 zeigt schon unübersehbar das einzigartige Talent Alfred Hitchcocks. In einem englischen Küstenkaff wird ein weiblicher Filmstar erwürgt im Meer gefunden, und ein amerikanischer Freund gerät zufällig in Verdacht. Doch ausgerechnet die ebenso hübsche wie energische Tochter des Polizeichefs wird sein rettender Engel. Der spätere Suspense-Meister wärmt sich auf dieser kurzweiligen Landpartie gewissermaßen schon einmal auf. Die Hauptdarsteller Derrick de Marney und Nova Pilbeam sind zwar früh als romantisches Traumpaar zu erkennen, aber die suggestive Bildsprache, das Tempo und die Zufallsstrudel im dramatischen Fluss machen das Frühwerk zum kleinen Juwel (bis 31.5. in der Arte-Mediathek). (Wi.)

„The Accountant“

Drehbuchautor Bill Dubuque verhalf schon „Ozark“ (siehe oben) zum Erfolg und erschuf in diesem Thriller eine faszinierende Figur: den autistischen Mafia-Buchhalter und -Nahkämpfer Christian Wolff. Der zieht in einem luxuriösen Wohnmobil (mit echtem Jackson-Pollock-Gemälde)  seine blutig-effiziente Bahn, gerät hier aber selbst in Lebensgefahr.

Ben Affleck gibt diesem bizarren Helden eine stoische Mimik, hinter deren Leere dann doch bisweilen ein Gefühl aufzublitzen scheint. Diese „Schwäche“ zeigt er just in einem ausnahmsweise legalen Auftrag, bei dem  Dana Cummings (Anna Kendrick) seine Schutzbefohlene wird. Mag sein, dass Regisseur Gavin O’ Connor arg verschwenderisch mit knochensplitternder Action umgeht, doch der ungewöhnliche Film wurde zu Recht ein Überraschungserfolg, der wohl fortgesetzt wird (Netflix). (Wi.)

„Artemis – Das unendliche Streichquartett“

Dass bei einem Ensemble über die Jahre Mitglieder aussteigen, neue hinzukommen und sich dadurch die Dynamik innerhalb der Gruppe und der musikalische Output verändern, gilt für die Klassik genauso wie für Kölsch-Bands. Das Artemis Quartett hat in seiner 30-jährigen Geschichte einige Wechsel gut verkraftet, aber der Selbstmord des Bratschisten Friedemann Weigle schwebte lange wie ein Schatten über den Musikern. Regisseur Hester Overmars begleitete den Prozess, wie man sich praktisch mehrfach neuerfand. (bis 26. Juni in der Arte-Mediathek). (HLL)

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