WDR-HörfunkDebatte um Kürzungen der Literatur-Programme

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Der WDR (Westdeutscher Rundfunk), fotografiert 03.11.2015 in Köln (Nordrhein-Westfalen).

Köln – Mit der Abschaffung der täglichen Buchkritik in der Sendung „Mosaik“ will der WDR-Hörfunk 250 Beiträge zur Literatur im Jahr streichen. Als die Kulturjournalistin Insa Wilke aus Protest gegen diese Entscheidung eine Petition startete, erhielt sie aus dem Stand 6000 solidarische Unterschriften, in denen sich der Zorn der Kulturschaffenden bundesweit formulierte. „Die Räume werden enger, in denen man sich auf ernsthafte Weise mit Literatur auseinander setzt“, konstatiert Wilke. Zu einer „Diskussion über die Zukunft der Buchkritik“ hatte das Literaturhaus Köln seine ehemalige Programmleiterin geladen, in der Volker Schaeffer, Leiter der aktuellen Kultur im WDR, ihr nun versicherte, dass „es nicht um Kürzung, sondern um Veränderung“ gehe, damit „die Literaturkritik näher an das Publikum kommt“.

Verpflichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Als jenen „Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt“, betrachtet Kerstin Gleba, Verlegerin von Kiepenheuer & Witsch, die Streichungen der Buchkritik in einer nationalen Rundfunklandschaft, die ausgerechnet in Corona-Zeiten etliche Literaturformate eingestampft hat. Für sie bedarf es mehr als Tipps und literarischer Empfehlung. Gleba fordert differenzierte Betrachtungen der Bücher, in die man nicht selten zwei Wochen Lebenszeit investiert. „Dazu ist der öffentlich rechtliche Rundfunk verpflichtet“, sagt sie. Für Insa Wilke ist die Buchkritik ein Hort der gesellschaftlichen Reflexion. „Denn die Art und Weise, wie literarische Sprache funktioniert, unterscheidet sich von der Sprache der Werbung oder der Politik. Wie wird in einer Gesellschaft gesprochen und manipuliert“, will sie wissen.

Der Anteil der Rundfunkhörer ist jedoch rückläufig, eines Tages ist er möglicherweise nur noch „Unterhaltung für die allein gebliebene Katze“, wie die umsichtig moderierende Jenny Friedrich-Freska, Chefredakteurin der Zeitschrift „Kulturaustausch“, überspitzt zu bedenken gab. Alle möchten die Kultur vor einer medialen Marginalisierung bewahren, die Vorstellungen, wie das geschehen soll, sind auffallend unterschiedlich.

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Gesellschaft ist nicht mehr homogen

Der aus Frankfurt zugeschaltete Alf Mentzer, musste als Leiter der Kulturredaktion des Hessischen Rundfunks schon viel Kritik für eine strategische Verlagerung des kulturellen Angebots vom linearen in den digitalen Sendebetrieb einstecken. Die steht dem WDR noch bevor, wie Volker Schaeffer anklingen ließ. Für Mentzer ist die Gesellschaft kein überschaubares Gebilde mehr, sondern in viele Communities zerfallen. „In diese Räume gilt es hinein zu gelangen. Die Menschen kommen nicht mehr zu uns, sondern wir müssen sehen, auf welchen Plattformen sie sich bewegen. Diese Räume dürfen wir nicht anderen überlassen“, erklärt Mentzer. Eine Zielrichtung, die formale Konsequenzen hat. Mentzer schwört der analytisch gebauten Rezension konsequent ab und favorisiert das Gesprächsformat.

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Während die Journalistin und die Verlegerin die Kulturberichterstattung als Impulsgeber für gesellschaftliche Auseinandersetzungen verstehen, schauen die Rundfunkredakteure auf die digitale Bedrohung, der sie zu entgehen trachten. An der Kommunikation der kulturellen Subkulturen will man teilnehmen. „Wir müssen in deren Timeline gespült werden“, meint Volker Schaeffer. So trauert man nicht unbedingt um jenes Publikum, dass aus „enttäuschter Liebe“ - wie Schaeffer es nennt – die neuen Programmentscheidungen kritisiert, als dass man nach dem jungen Publikum fahndet, das an diesem Diskurs gar nicht teilnimmt, weil es Hörfunk und Fernsehen schon den Rücken gekehrt hat. Ein Szenario, das die kulturelle Berichterstattung in jedem Fall verändern wird.

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