Zu Gast bei phil.cologneJens Söring berichtet in Köln über 33 Jahre Haft

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Jens Söring (r.) und Richard David Precht.

Jens Söring (r.) und Richard David Precht.

Köln – Wenn ein Mann, der auf bestialische Weise zwei Menschen umgebracht haben soll und dafür mehr als drei Jahrzehnte in Gefängnissen gesessen hat, als „unfassbarer Gast“ mit einem „faszinierendem Leben“ angekündigt wird, kann man als durchaus erst einmal innerlich zusammenzucken – auch wenn dieser Mann bis heute seine Unschuld beteuert. Allerdings kommt man kaum darum herum, dem Fall und der Person Jens Söring eine gewisse Faszination zuzusprechen. Das zeigte auch das Gespräch von Richard David Precht mit dem 55-Jährigen im Rahmen der phil.cologne. Obwohl so kurzfristig einberufen, dass es nicht im gedruckten Programm steht, waren die Balloni Hallen am Montagabend ausverkauft.

Fast auf dem elektrischen Stuhl gelandet

Zur Erinnerung: Der Diplomatensohn Söring soll 1985 als 18-Jähriger Student in Virginia die Eltern seiner damaligen Freundin Elizabeth Haysom auf deren Geheiß ermordet und verstümmelt haben. 1986 wurde das Paar schließlich in London verhaftet. Vier Jahre später wurde Söring in Virginia zu zweimal lebenslänglich verurteilt und entkam nur knapp dem Tod auf dem elektrischen Stuhl.

Nachdem er zunächst den Doppelmord gestanden hatte, widerrief Söring seine Aussage beim medial weltweit beachteten Prozess vehement und behauptet bis heute, nur gestanden zu haben, weil er gedacht habe, er genieße ebenfalls diplomatische Immunität und könne so seine Freundin vor der Todesstrafe bewahren. 2019 wurde Söring überraschend nach 33 Jahren, sechs Monaten und 25 Tagen auf Bewährung freigelassen und nach Deutschland abgeschoben.

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Ohne Zweifel sind Sörings Geschichten aus der Haft, die auch in seinem Buch „Nicht schuldig!“ stehen, unheimlich spannend. Auch wenn diese manchmal arg konstruiert wirken. Es macht dabei kaum einen Unterschied, ob man auf der Seite seiner Fürsprecher steht – darunter etwa der damalige führende Ermittler oder der Bestseller-Autor John Grisham – oder auf der derer, die ihn für schuldig erachten.

Zu wenig Fragen zum aktuellen Leben gestellt

Ungleich spannender wäre es jedoch gewesen, mehr aus dem Leben Sörings als freien Mann zu erfahren. Leider verpasste Precht das durch eine falsche Gewichtung seiner Fragen zu großen Teilen. Erst im letzten Viertel der anderthalbstündigen Veranstaltung richtete der Philosoph den Blick auf das heutige Leben des 55-Jährigen. Interessant war da vor allem die Erkenntnis Sörings, wem er die Schuld dafür gibt, seine besten Jahre verloren zu haben: „Ich bin selber schuld und kann somit auf niemanden wütend sein. Die 33 Jahre habe ich mir durch mein falsches Geständnis selbst gestohlen.“ Auch seine Sicht auf die Corona-Pandemie, die wenige Monate nach seiner Freilassung begann, war spannend zu hören. Diese Zeit, die für die meisten Menschen eine Zeit der Unfreiheit gewesen sei, sei für ihn „meine Zeit der Freiheit“ gewesen.

Warum Precht aber nach Sörings Hinweis, dass man immer auch schauen müsse, welche Allianzen man mit seinen Feinden schmieden könne, den Bogen zur Klimakrise spannen musste, wird sein Geheimnis bleiben.

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