„Großer Schritt für Tiere“Sauen sollen nicht mehr in Kastenstände – Kritik an Frist

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Sauen

Einzelhaft: Schweine in der Kastenhaltung sollen verschwinden - nur nicht ganz so bald.

  • Der Bundesrat will die Kastenstände für Sauen abschaffen – in den nächsten acht Jahren
  • Tierschützer sehen in der Entscheidung wegen der langen Übergangsfrist nur einen Teilerfolg – Bauern hingegen befürchten Einbußen.

Berlin – An Selbstlob sparten die Mitglieder des Bundesrates nicht, als sie über die neue Verordnung zur Änderung der Schweinehaltung im Plenum sprachen. „Ein großer Schritt für die Tiere in Deutschland“, nannte etwa der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) die Entscheidung. Andere sprachen wahlweise von einer „neuen Ära“ oder einem „Systemwechsel“. Dabei stößt der Kompromiss auf Kritik von mehreren Seiten.

Sie reicht von leichter Unzufriedenheit bei Greenpeace bis hin zu starker Enttäuschung des Deutschen Bauernverbands – aus gegensätzlichen Gründen. Gut für die Schweine: Die Sauen sollen nicht mehr 70, sondern nur noch fünf Tage in den umstrittenen Kastenstand gepfercht werden dürfen. Schlecht für die Tiere: Die Bauern haben für die Umstellung acht Jahre Zeit.

Corona-Pandemie bringt Schwung in die Debatte

Die Vorgeschichte der Verordnung ist lang. Schon im Februar war eine Abstimmung darüber verschoben worden, weil sich keine Mehrheit gefunden hatte, zuletzt verschwand das Thema Anfang Juni kurzfristig von der Tagesordnung des Bundesrates. Der Wendepunkt kam nun mit der Zusammenarbeit von Niedersachesen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Auch die Umstände in Schlachthöfen, die in der Corona-Pandemie ins Auge der Öffentlichkeit geraten sind, haben wohl Schwung in die Debatte gebracht.

Was ist genau der Meilenstein?

Worin besteht also der beschlossene „Meilenstein zur Verbesserung des Tierschutzes“, wie ihn Heinrich Bottermann (CDU), Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium NRW, nennt? Weg von der Kastenstandhaltung, hin zur Gruppenhaltung, so lässt sich die Verordnung zusammenfassen. 70 Tage verbringen Zuchtsauen derzeit während der Trächtigkeit und der Säugezeit in sogenannten Kastenständen – käfigartige Konstruktionen aus Metall, in denen sich die Tiere so gut wie nicht bewegen können.

Damit sparen die Bauern Platz und Geld. Mit dieser Art der Tierhaltung soll nach dem Beschluss des Bundesrats nun fast vollständig Schluss sein. Höchstens fünf Tage lang dürfen die Tiere in Kastenständen gehalten werden – während der sogenannten Abferkelzeit. Für die restliche Zeit soll eine „uneingeschränkt nutzbare Bodenfläche von mindestens fünf Quadratmetern je Sau zur Verfügung stehen“, so sieht es die Verordnung vor.

Hin zu mehr Gruppenhaltung

Der Deutsche Tierschutzbund und Greenpeace werten den Beschluss als Erfolg. „Mit dem verbindlichen Ziel der Gruppenhaltung beginnt ein Systemwechsel, der nicht bei der Sau stehenbleiben darf“, sagt etwa Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Der Kompromiss könne die Bedingungen für die Tiere verbessern, findet auch Greenpeace. Beide Organisationen kritisieren allerdings die Übergangszeit, welche die Verordnung den Tierhaltern gewährt. Sie sollen acht Jahre dafür bekommen, ihre Betriebe entsprechend umzubauen – in Härtefällen sogar zehn.

Übergangszeit ist ein Kompromiss

Die Übergangszeit war bei der Debatte um die Kastenstandhaltung von Beginn an ein Streitpunkt. In einer früheren Version der Verordnung sollten die Bauern 17 Jahre dafür bekommen. Auch in der aktuellen Diskussion im Bundesrat bemängelten mehrere Politiker diesen Punkt. „Ich hätte mir auch eine kürzere Übergangszeit vorstellen können“, sagte etwa Jan Philipp Albrecht. Er verwies darauf, dass die acht Jahren zum Kompromiss gehörten.

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Unzufrieden mit dem Beschluss ist der Deutsche Bauernverband. Als „schmerzhafter Tag für die deutsche Schweinehaltung“ bezeichnete die Interessenvertretung der Landwirte die Entscheidung. Sie werde bäuerliche Strukturen hart treffen und kleine und mittlere Betriebe verstärkt „zum Ausstieg zwingen“, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied. Ein bisschen Zeit haben die Bauern aber noch. Bevor die Übergangszeit von acht Jahren anfängt, muss die Europäische Union die Verordnung noch notifizieren.  

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