„Grundrecht beeinträchtigt“Politologe empfiehlt Verschiebung der Kommunalwahl

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Ulrich von Alemann

Düsseldorf – Professor Ulrich von Alemann ist Politikwissenschaftler an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Michael Fuchs sprach mit ihm.

Das Land hält bisher am Wahltermin fest. Ist das angesichts der Corona-Krise realistisch?

Von Alemann: Ich halte es im Augenblick für akzeptabel, an dem Termin festzuhalten. Aber es ist eher unwahrscheinlich, dass die Zeit für die Kandidatenaufstellung ausreichen wird. Ich verstehe schon, dass die Landesregierung den 13. September jetzt noch nicht aufgeben will. Doch sie wird bald die bis zum 19. April geltenden, harten Corona-Regeln, wie Kontaktverbote, überprüfen. Und es ist bereits jetzt absehbar, dass nicht alle aufgehoben werden. Dann wird der Wahltermin problematisch.

Um welche Fristen geht es?

Sämtliche Ratskandidaten müssen dem Landeswahlleiter bis 16. Juli gemeldet werden. Bis 19. April sind aber alle Aufstellungsversammlungen untersagt. Die Landesregierung argumentiert, es sei unbedenklich, wenn den Parteien weniger Zeit für die Kandidatenaufstellung bleibt. Sicher, es wäre zu schaffen, die erforderlichen Schritte statt in vier Monaten in knapp drei Monaten zu bewältigen. Aber wenn auch dieser Dreimonatszeitraum wackelt – und das wird man spätestens am 20. April wissen –, dann wäre es aus demokratischen Gründen schwer verträglich, am Termin 13. September festzuhalten.

Worin liegt das Problem?

Damit würde ein ganz zentrales demokratisches Grundrecht beeinträchtigt. Und zwar das Recht der Parteimitglieder auf eine geordnete Kandidatenaufstellung. Dazu müssen Gespräche geführt und Versammlungen abgehalten werden. Da ist vieles vorzubereiten. Wenn man den dafür zur Verfügung stehenden Zeitraum, der ja bereits verkürzt wurde, weiter verkleinert, wird es endgültig problematisch. Dazu kommt: Das gesamte Prozedere wurde ja schon vor Corona durch die kurzfristig angeordnete Neueinteilung der Wahlbezirke beeinträchtigt. Viele Parteien haben deshalb ihre Aufstellungstreffen verschoben oder müssen sie wiederholen.

Wann ist der späteste Zeitpunkt, um zu entscheiden, ob die Wahl verlegt wird?

Ich kann verstehen, dass die Landesregierung derzeit noch zuwartet. Aber aus meiner Sicht ist der 20. April der letztmögliche Termin, um den Wahltermin 13. September zu bestätigen oder zu sagen, dass die Kommunalwahl verschoben wird. Diese Entscheidung noch weitere Wochen aufzuschieben, wäre nicht zumutbar.

Was wäre ein geeigneter Ersatztermin?

Wenn man die Kommunalwahl verlegt, wäre ein Termin im Frühjahr 2021 sinnvoll. Das müsste natürlich rechtlich einwandfrei über ein entsprechendes Gesetz geschehen, das im Landtag beschlossen wird.

Täte die Landesregierung gut daran, möglichst bald zu sagen, dass die Wahl verschoben wird?

Wenn man eine globale Olympiade um ein ganzes Jahr verschieben kann, dann wird man sicherlich auch eine nordrhein-westfälische Kommunalwahl um ein halbes Jahr nach hinten schieben können. Damit würde Klarheit und Planungssicherheit für alle Parteien geschaffen. Dann hätten auch die kleinen Parteien und Gruppierungen die Möglichkeit, die vorgeschriebenen Unterschriftenlisten fristgerecht einzureichen. Auch das ist – im Sinne von Chancengerechtigkeit – ein ganz zentrales Argument für eine Verschiebung.

Die Wählergruppe „Gut“ hat angeregt, wegen Corona auf Unterschriftenlisten zu verzichten. Wie sehen Sie das?

Ich halte das für problematisch im Blick auf die Gleichbehandlung, weil dann bei dieser Wahl andere Regeln gelten würden als bei anderen Wahlen. Die sauberste Lösung wäre es, die Kommunalwahl auf Frühjahr 2021 zu verschieben. Einige argumentieren, dass die aktuelle Wahlperiode mit sechs statt fünf Jahren ohnehin schon sehr lang ist. Das stimmt, die Wahlperiode wurde verlängert, um die Wahlen von Oberbürgermeistern und Stadträten wieder zu synchronisieren.

Es ist tatsächlich eine Beschneidung der Rechte des Wählers, wenn man die Wahlperiode jetzt weiter verlängert. Aber in Abwägung der besonderen Umstände würde ich das in Kauf nehmen. Eine saubere Kandidatenaufstellung ist unter Demokratie-Gesichtspunkten mehr wert als der Verzicht auf eine sechsmonatige Verlängerung der Wahlperiode.

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