„Ich hätte es gern gemacht“Armin Laschet als gescheiterter CDU-Kanzlerkandidat

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Der Blick der Öffentlichkeit richtet sich nun nicht mehr pausenlos auf Armin Laschet.

Der Blick der Öffentlichkeit richtet sich nun nicht mehr pausenlos auf Armin Laschet.

Berlin – Vielleicht muss man Armin Laschets neues Büro beschreiben, um zu verstehen, was mit ihm geschehen ist. Hinter seinem Schreibtisch hängt ein abstraktes Gemälde namens „Rheinisches Wolkenbild“ wie eine verschwommene Erinnerung an seinen früheren Amtssitz als Landeschef von Nordrhein-Westfalen.

Die goldene Büste von Karl dem Großen, die noch vor wenigen Monaten sichtbar in seinem Ministerpräsidenten-Büro in Düsseldorf thronte, ist viel zu groß für das Büro des Bundestagsabgeordneten ohne besondere Aufgaben, der Laschet nun ist. Die Balkontür ist geöffnet, aus dem Fenster sieht man ein weiteres Abgeordnetenhaus mit vielen weiteren Büros wie seinem, unten die Straße, der Berliner Großstadtverkehr dröhnt herauf.

Wahl und Ämter verloren

Laschet hat am 26. September 2021 nicht nur die Wahl verloren, sondern auch seine Ämter: Sein liebstes, das Ministerpräsidentenamt in NRW, das er frühzeitig preisgab, weil er sich nicht nachsagen lassen wollte, mit einem Rückfahrticket zu spekulieren für den Fall, dass es nichts wird mit dem Kanzleramt. Und den CDU-Vorsitz, den er sich erst im Januar vergangenen Jahres hart erkämpft hatte.

Auf dem Glastisch steht ein Aschenbecher, es riecht nach kaltem Rauch. Die Information, dass Laschet gern mal einen Zigarillo genießt, diente in vielen Porträts als Beleg dafür, dass es sich hier um einen Lebemann handele, der auch mal fünfe gerade sein lassen kann. Später setzte der Lacher im Flutgebiet aus diesem Bild eine Spirale in Gang. Selbst ein spontanes Eis in der Fußgängerzone bei einem Wahlkampftermin wurde Thema, weil es ins Bild zu passen schien. Kanzler? Der doch nicht.

Wie steckt man das weg, die persönlichen Attacken, die öffentliche Geringschätzung? Es habe ihn geschmerzt, dass vor allem sein Vater mitgefiebert hat im Wahlkampf, weil er alles las, was in jenen Wochen geschrieben wurde über den Sohn. Laschet selbst sagt: „Der deutsche Bundeskanzler hat das wichtigste Amt in Europa inne. Wer es werden will, muss Härte, auch Böswilligkeit im Wahlkampf durchhalten.“ Man kann tief fallen in der Politik, wenn man fast ganz oben ist.

„Nie gedacht, dass ich mich zum Feindbild eigne“

Wie ist es jetzt, heute, bald ein Jahr später? „Ich kann jedenfalls wieder ein Eis essen, ohne dass sich jemand daran stört.“ Es klingt auch verletzt. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mich zum Feindbild eigne.“ Es bringe ja nichts, sich jetzt noch zu grämen darüber, was alles schiefgegangen ist. Aber in seiner Nachbetrachtung sieht er vor allem den Zwist zwischen CSU und CDU als Grund für die Niederlage. Wenn das Gespräch auf den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder kommt, wird Laschet schmallippig. Nein, sie haben heute keinen Kontakt.

Laschet, 61, ist heute Bundestagsabgeordneter, einer von 736. Die Scheinwerfer sind jetzt auf andere gerichtet. Wenn man es – so wie er selbst es versucht – positiv sehen will, dann schließt sich für ihn ein Kreis: 1994 war er schon einmal Mitglied des Bundestages. Die Außenpolitik, vor allem die Europapolitik, waren seine Themen. Seine Begeisterung für die europäische Idee hatte ihn überhaupt erst zum Politiker gemacht.

Warum nicht daran anknüpfen? Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Vizepräsident des Europarats. Zuletzt bereiste er arabische Staaten, die sich einer Zusammenarbeit mit Israel öffnen wollen. „Ein ganz wichtiger Vorgang für den gesamten Friedensprozess im Nahen Osten, den hier kaum jemand wahrnimmt“, sagt Laschet. Er sagt auch: „Ich kann so viel anstoßen.“

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1,6 Prozentpunkte entschieden, dass der Bundeskanzler heute Olaf Scholz und nicht Armin Laschet heißt. Ist er manchmal erleichtert, dass es nicht geklappt hat? Jetzt, in Krieg und Krise? „Nein, ich hätte es gern gemacht.“ Er hätte sogar, so sagt er, vieles ähnlich entschieden wie Olaf Scholz. „Aber mit mehr Empathie und größerem Engagement in Europa.“

Deutschland hätte allerdings eine schlechte Debattenkultur. „Der Riesen-Mainstream walzt über alles hinweg“, meint Laschet, „aber bei Fragen von Krieg und Frieden kann es doch nicht nur die eine Meinung geben. Wer sich anders äußert, gilt sofort als Putin-Versteher. Wir müssen auch wieder lernen, Gegensätze auszuhalten und auch anderen Meinungen Respekt zollen.“

In seiner CDU räumen manche inzwischen ein, dass man den Spitzenkandidaten im Wahlkampf hängen ließ. „Das war nicht in Ordnung“, bekennt einer aus dem Fraktionsvorstand im Bundestag. Denn „der Armin“ sei doch wirklich „ein netter Mensch“. Dass er jetzt der bessere Kanzler wäre, sagt der Kollege nicht.

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