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„Nicht zu vermitteln“Warum Karl Lauterbach wohl nicht Gesundheitsminister wird

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In seinem Wahlkreis und beim Fernsehen sehr beliebt, in seiner Partei dagegen eher nicht: Karl Lauterbach.

In seinem Wahlkreis und beim Fernsehen sehr beliebt, in seiner Partei dagegen eher nicht: Karl Lauterbach.

Berlin – Unter dem Hashtag #wirwollenkarl wird in den sozialen Netzwerken seit geraumer Zeit für einen Gesundheitsminister Karl Lauterbach mobil gemacht. Der Corona-Deuter der Nation wäre selbst mehr als bereit für den Job. Bekommen wird er ihn aber vermutlich trotzdem nicht – obwohl inzwischen feststeht, dass seine SPD das Ministerium in der neuen Ampel-Regierung besetzten wird.

Karl Lauterbach ist seit Beginn der Pandemie omnipräsent

Dass der 58-jährige Kölner seit Jahrzehnten einer der kompetentesten Gesundheitspolitiker ist, daran besteht wenig Zweifel. Der promovierte Epidemiologe ist seit Beginn der Pandemie als Alarmsirene unterwegs. Geht es um Warnungen vor neuen Wellen und Rufen nach drastischen Einschränkungen, dann liefern sich Lauterbach und der Berliner Charité-Virologe Christian Drosten ein stetes Wettrennen. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass beide verdammt oft richtig lagen, aber nicht ausreichend gehört worden sind.

Geht es um Lauterbachs Popularität, folgt diese übrigens stets den Inzidenzen: Ist die Lage angespannt, ist er am gefragtesten. Sind die Zahlen unten, wird er als Nervensäge empfunden, als jemand, der sich mit seinem Alarmismus in den Vordergrund drängen will.

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Das Problem: Seine unbestrittene Expertise allein reicht als Qualifikation für den wichtigen Ministerposten nicht aus. Und ob Lauterbach von seiner Persönlichkeit und ideologischen Ausrichtung ins Ampel-Kabinett passt, daran gibt es erhebliche und berechtigte Zweifel. Daher ist nicht zu erwarten, dass der Kanzler in spe Olaf Scholz dem Druck aus der Twitterblase nachgeben und ihn in sein Regierungsteam holen wird.

Der Rückhalt in der SPD-Basis ist gering

Aufschlussreich war Lauterbachs Bewerbung für den SPD-Vorsitz vor zwei Jahren: Knallhart hatte er sich gegen die Große Koalition positioniert und für das Groko-Aus eingesetzt, um die SPD aus der vermeintlichen Kompromissfalle zu holen und nach links zu steuern. Der Rückhalt bei der Basis war verschwindend gering, Verbündete hatte der Professor keine.

Auch in der Bundestagsfraktion und im NRW-Landesverband ist der Talkshow-König völlig isoliert, gilt als egomanischer Sonderling. In seinem Wahlkreis Leverkusen–KölnIV sieht das offenbar anders aus: Dort verteidigte er im September sein Direktmandat gegen die CDU-Nachwuchshoffnung Serap Güler und zog wieder in den Bundestag ein. Aber taugt so jemand als Minister, der Hunderte Mitarbeiter führen und motivieren muss? Wen man auch fragt bei den Genossen, bis hinein ins Willy-Brandt-Haus: Der Karl sei „der Firma nicht zu vermitteln“, ist dann zu hören.

Der nächste Gesundheitsminister wird sich auch nicht nur um den Kampf gegen Corona kümmern müssen. Im Gesundheitsbereich gibt es knallharte Interessenkämpfe und Verteilungskonflikte. Ob jemand, der Ärzten vorwirft, mittwoch- und freitagnachmittags auf dem Golfplatz statt in der Praxis zu stehen, befähigt wäre, ein Vertrauensverhältnis zur Ärzteschaft aufzubauen? Auch das ist fraglich.

Am Ende wird es heißen können: „Es lag nicht an dir, Karl“

Als wäre das nicht genug, sprechen auch die Proporz- und Quotenregeln gegen den Kölner: Scholz braucht zur Hälfte Frauen für sein Kabinett. Und mit Svenja Schulze und Rolf Mützenich stehen schon zwei Namen aus NRW im Raum, an denen Lauterbach vorbeiziehen müsste. Das wiederum eröffnet Scholz die Möglichkeit, den Corona-Exegeten Gesicht wahrend nicht zu berufen, ganz nach dem Motto: Es lag nicht an dir, Karl.

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Vielleicht hat Lauterbach das inzwischen auch selbst eingesehen. Nachdem er im Wahlkampf verstörend laut für sich selbst getrommelt hatte, gibt er sich inzwischen geradezu kleinlaut: Wegen seiner reichen Erfahrung wäre es natürlich „eine Überraschung, wenn ich das grundsätzlich nicht machen wollte“, sagte er am Mittwochabend in der Sendung „RTL direkt“, um dann hinzuzufügen: „Aber es gibt andere, die das können, es geht hier nicht um mich.“

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