Abo

Asow-Regiment und Co.Welche Rolle Rechte im Ukraine-Krieg spielen

Lesezeit 4 Minuten
Asow Ukraine

Mitglieder der in die Nationalgarde eingegliederten Regiments Asow-Prykarpattia

Kiew – Es sind kämpferische Worte, die Swjatoslaw Palamar am 29. März in einer kurzen Video-Ansprache aus der umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol findet. „Wir werden keine Straße, kein Haus aufgeben“, sagt er. Die „Entschlossenheit und Professionalität“ seiner Einheit werde am Ende triumphieren. Palamar ist stellvertretender Kommandant des Asow-Bataillons.

Wohl keine der am russisch-ukrainischen Krieg beteiligten Einheiten ist prominenter. Und keine dürfte einen zweifelhafteren Ruf haben. Asow gilt als ein Sammelbecken rechtsextremer Kämpfer. Wer Russlands Angriff auf das Nachbarland rechtfertigt, verweist oft auf Bilder, auf denen Mitglieder der Einheit mit rechten Symbolen posieren.

Dem Krieg entsprungen

Die Geschichte von Asow begann im Frühjahr 2014. In Reaktion auf die separatistischen Bewegungen im Osten der Ukraine gründeten sich damals eine ganze Reihe von Freiwilligeneinheiten, um die ukrainische Armee im Kampf gegen die Separatisten zu unterstützen. Speziell aus Russland kam früh der Vorwurf, es handele sich dabei im Wesentlichen um rechtsextreme Gruppierungen.

Stepan Bandera – Verklärter ukrainischer Nationalist

Als prominenteste historische Figur des ukrainischen Nationalismus gilt Stepan Bandera. Er kam 1909 in der westlichen Ukraine zur Welt, damals ein Teil Österreich-Ungarns. Nach dem Ersten Weltkrieg und erfolglosen ukrainischen Unabhängigkeitsversuchen gehörte die Region zu Polen. In der Zwischenkriegszeit stieg Bandera zum Anführer radikaler ukrainischer Nationalisten auf. Beim Einmarsch der Wehrmacht 1941 kooperierten Banderas Leute in der Hoffnung auf einen eigenen Staat mit den Nazis und beteiligten sich an Verbrechen an in der Ukraine lebenden Juden. Die Deutschen hatten indes nicht vor, einen ukrainischen Staat zuzulassen, weswegen die „Bandervitsi“ im späteren Kriegsverlauf als Partisanen gegen Wehrmacht und Sowjets gleichermaßen kämpften. Bandera selbst war den Großteil des Krieges über im KZ Sachsenhausen interniert. 1959 brachte der KGB ihn in München um. In der West-Ukraine wird Bandera bis heute teils als „Freiheitskämpfer“ verklärt. In östlichen Landesteilen sowie im Ausland ist der Blick auf Bandera wegen der von ihm und in seinem Namen begangenen Verbrechen deutlich kritischer. (mpoe)

„Es ist wohl so, dass Menschen mit rechtsextremen Weltbildern eine höhere Affinität zu Militär und Krieg haben als andere Bevölkerungsgruppen. Das zeigt sich natürlich in der Zusammensetzung dieser Bataillone“, erklärt Andreas Umland. Der Politologe arbeitet derzeit am Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien. Einer seiner Forschungsschwerpunkte sind rechtsextreme Bewegungen in der Ukraine und Russland. Umland hält es aber für zu kurz gegriffen, von der politischen Vorstellung einzelner Kämpfer gleich auf mögliche politische Ziele ganzer Kampfverbände zu schließen. Die Asow-Truppe habe in ihrer Anfangszeit allerdings eindeutig rechtsextreme Positionen besetzt, sagt Umland. Sie habe sich in der Folge aber von einem klaren weltanschaulichen Programm distanzieren müssen. Grund dafür ist die Integration des Regiments in die ukrainische Nationalgarde Ende 2014. Nicht zuletzt diese Aufnahme einer rechten Einheit in die regulären Streitkräfte wird immer wieder als Beleg für eine vermeintliche Nähe der Kiewer Regierung zu Nationalismus und Faschismus herangezogen.

Politischer Schachzug

Es gibt Indizien dafür, dass die Integration der Kämpfer in die regulären Streitkräfte ein innenpolitischer Schachzug des damaligen Innenministers Arsen Awakow war. Das Verhältnis rechter Kämpfer zur Regierung des damaligen Präsidenten Petro Poroschenko und zum ukrainischen Staat war ambivalent. Beide Seiten konnten sich auf das Ziel „Landesverteidigung“ einigen. In rechtsextremen Kreisen gab es allerdings auch Stimmen, die die Maidan-Proteste lediglich als ersten Schritt zu einer größeren Revolution betrachteten – und die Poroschenko-Regierung eigentlich als Teil eines Systems, dass es zu überwinden gelte. Asow in die Nationalgarde einzugliedern, wertete die kampfstarke Einheit zwar formal auf – beraubte sie aber zugleich ihres politischen Potenzials: Mitgliedern der nationalen Streitkräfte ist eine politische Betätigung verboten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Ehemalige Asow-Mitglieder gründeten zwar die rechtsextreme Partei „Nationaler Korpus“. Die Partei und ihre Unterorganisationen blieben aber politisch bedeutungslos. Bei den Wahlen im Jahr 2019 kam der Nationale Korpus auf einen Stimmenanteil von gut zwei Prozent. Heute gebe es klare persönliche Verstrickungen von Asow-Mitgliedern mit der rechtsextremen Partei, erklärt Politologe Umland. Zumindest in der Außendarstellung des Bataillons spiele Politik aber keine Rolle, vielmehr inszeniert sich die Einheit als schlagkräftiger Kampfverband. Anders als der „Nationale Korpus“ werde Asow daher in der Ukraine nicht primär als rechtsextreme Gruppierung verstanden. Daran könnten auch die offensichtlichen nationalistischen Symbole bei Asow – Wolfsangel und Schwarze Sonne – wenig ändern.

Narrenfreiheit im Krieg?

Daneben gibt es durchaus Berichte von Asow-Mitgliedern, die etwa bei rassistisch motivierten Übergriffen involviert waren. Die Uno wirft Asow-Kämpfern schwerwiegende Kriegsverbrechen vor. Ob und inwieweit diese in der Ukraine verfolgt werden, ist unklar. „In manchen Fällen, das muss man leider sagen, genießen Asow-Kämpfer sicher eine Art Narrenfreiheit. Solange Krieg ist – und Krieg ist aus ukrainischen Perspektive seit 2014 – wird man Asow in erster Linie als Vaterlandsverteidiger begreifen und nicht zu sehr auf Weltbilder und Netzwerke schauen, die für diese Gruppe eine Rolle spielen“, so Umland.

Unklar ist auch, welche Zukunft das schätzungsweise bis zu 2500 Mann starke Bataillon hat. Das Gros der Truppe verteidigt Mariupol. Eine Befreiung der Stadt scheint nicht in Sicht. Das Schicksal der Asow-Kämpfer scheint damit vorgezeichnet, vermutet Umland: „Viele von ihnen werden aus Mariupol nicht zurückkehren.“

Rundschau abonnieren