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Beschimpft und bedrohtPandemie-Erklärer als Zielscheibe für Hass

Lesezeit 3 Minuten
Christian Drosten 

Christian Drosten 

  • In der Corona-Pandemie sind Einschätzungen von Fachleuten in Medien und Online-Netzwerken an der Tagesordnung.
  • Für einige von ihnen hat das sehr ernste Folgen, wie eine Umfrage zeigt.

Berlin – Ärzte und Virologen vor der Kamera und Epidemiologen, die auf Twitter Studien kommentieren: In der Pandemie ist das alltäglich geworden. Fachleute beziehen Stellung zu Fragen rund um Corona. Eine Umfrage der Fachzeitschrift „Nature“ unter mehr als 300 Wissenschaftlern wirft nun ein Schlaglicht auf die oft negativen Reaktionen, die ein Teil von ihnen wegen der Präsenz in der Öffentlichkeit erfahren hat. Es geht nicht nur um Hassbotschaften, sondern auch um Morddrohungen und seltener sogar körperliche Angriffe.

Umfrage ist nicht repräsentativ

Vorweg: Es handelt sich nicht um eine wissenschaftlich begleitete, repräsentative Umfrage. Das Ausmaß des Problems lässt sich damit nicht exakt bemessen. Die Zeitschrift „Nature“ versandte Fragebögen an Experten und arbeitete dabei in mehreren Ländern mit Einrichtungen zusammen, die unter anderem Wissenschaftler-Statements an Medien verschicken (Science Media Centers). Es beteiligten sich 321 Experten, die mit Medien über die Pandemie gesprochen hatten. Die meisten kamen aus Großbritannien, Deutschland und den USA.

Gut die Hälfte der Befragten gab an, manchmal, in der Regel oder immer nach Medienauftritten Troll-Kommentare oder persönliche Angriffe erlebt zu haben. Die negativen Folgen der medialen Präsenz reichen demnach bis hin zu Morddrohungen in 47 Fällen, sechs Wissenschaftler gaben an, körperlich attackiert worden zu sein. Einzelne berichten auch von aggressiven Mails, gehackten Accounts oder Webseiten und Beschwerden an den Arbeitgeber.

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Folgen von Hassbotschaften befürchtet

In einem „Nature“-Artikel mit Fallbeispielen werden Reizthemen deutlich: Der australische Epidemiologe Gideon Meyerowitz-Katz etwa nannte zum einen Impfungen. Die meisten Drohungen aber habe er von Menschen bekommen, die das Anti-Wurmmittel Ivermectin als angebliches Präparat gegen Covid-19 verteidigten.

In der Fachwelt wird befürchtet, dass Hassbotschaften zu Rückzug und Selbstzensur von Experten führen und Kollegen abschrecken könnten, selbst öffentlich aufzutreten. In der Umfrage gaben besonders häufig von persönlichen Angriffen und Troll-Kommentaren Betroffene auch am ehesten an, dass dies ihre Gesprächsbereitschaft mit Medien enorm beeinflusst habe.

Um ein neues Phänomen handelt es sich laut Kommunikationsexperten zwar nicht. „Die Pandemie wirkte jedoch wie ein doppeltes Brennglas. Alle Dynamiken, die wir in der Forschung bereits beschrieben hatten, traten nun in hoher Konzentration und Blitzgeschwindigkeit zutage“, erklärte Konstanze Marx von der Universität Greifswald. Sie sehe Handlungsbedarf im „generellen Diskursklima“, also auch in Medien und Politik. Gebraucht werde ein Klima der Wissenschaftsfreundlichkeit.

In Deutschland sind Drosten und Lauterbach Zielscheiben

Die „Nature“-Umfrage war zwar anonym, in Deutschland gibt es aber bekannte Betroffene, die massive Anfeindungen bereits selbst öffentlich gemacht haben. Dazu gehört neben dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach etwa der Virologe Christian Drosten.

Charité-Wissenschaftler Drosten berichtete vor rund einem Jahr bei einem Kongress in Berlin, welche Kehrseiten die Bekanntheit bis in den Alltag hinein hat: Da es ihm „ziemlich unangenehm“ sei, beim Einkaufen angestarrt zu werden, gehe er mit Sonnenbrille und Mütze raus, um nicht erkannt zu werden. Zu seinem Umgang mit Hass sagte Drosten damals: „Alles, was ich da machen kann, ist, das möglichst auszuklammern.“

Ein Trost bleibt, wie die Umfrage zeigt: Nach positiven Erfahrungen nach Medienauftritten gefragt, stimmten 83 Prozent der Aussage zu, sie hätten ihre Botschaft an die Öffentlichkeit bringen können. (dpa)

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