Bilanz in KölnWie steht es nach einem Jahr um das grün-schwarze Bündnis?

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Der Tag des Rekordsiegs vor einem Jahr.

Köln – Der Jubel war groß am Abend des 13. September 2020, als die Grünen in der Altstadt ihren historischen Wahlsieg feierten. Mit 28,5 Prozent wurden sie vor einem Jahr erstmals größte Fraktion im Stadtrat, ließen SPD (21,6 Prozent) und CDU (21,5 Prozent) weit hinter sich. Der haushohe Sieg weckte riesige Erwartungen. Doch was hat die Ökopartei seitdem aus ihrer neuen Machtfülle gemacht? Wie hat sich ihr am 8. März 2021 mit CDU und Volt geschlossenes Bündnis entwickelt? Eine Analyse.

Holpriger Start und neue Rolle für die Grünen

Nach der Kommunalwahl hatte die neue Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin zur Rundschau gesagt: „Als stärkste Kraft im Stadtrat können wir den Takt vorgeben, und das werden wir auch tun.“ Nur: Ist das tatsächlich so? Mancher Beobachter fragt sich: Können die Grünen wirklich Köln? Selbst frühere Spitzenkräfte der Partei sprechen davon, dass die „Bilanz als stärkste Fraktion gelinde gesagt nicht gut ausschaut“.

Im Zentrum der parteiinternen Kritik stand anfangs der Vorwurf, man habe der zum Juniorpartner geschrumpften CDU zu viele Zugeständnisse beim Personal gemacht. Die Grünen hatten nur zwei Dezernate für sich reklamiert (Verkehr und Klima), aber der CDU die Dezernate Stadtentwicklung und Kultur sowie den Posten der Stadtdirektorin überlassen.

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Zu grün hinter den Ohren

Die einen hatten schlimmste Befürchtungen, die anderen hegten große Erwartungen. Ein Jahr nach dem fulminanten Sieg der Grünen bei der Kommunalwahl ist beides nicht eingetreten. Von einer Klimawende oder einer neuen Verkehrspolitik, mit der die Grünen im Wahlkampf geworben hatten, ist nicht viel zu sehen. Die Leistungsbilanz der stärksten Partei im Rat fällt mehr als mager aus.

Und das liegt keineswegs daran, dass die Ökopartei von ihren Bündnispartnern ausgebremst würde. Auch die CDU zeigt sich ja (zum Ärger mancher ihrer Anhänger) bereit, etwa Verkehrspolitik neu zu denken. Nur: Es geht eben nicht um zentrale Themen wie die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs auf der Ost-West-Achse, sondern meistens um ein paar aufgemalte Fahrradwege. Selbst über die von den Grünen favorisierte Neuregelung des Anwohnerparkens wird nur debattiert und nicht entschieden.

Man kann das darauf zurückführen, dass das Bündnis sich erst finden musste und viele neue Ratsmitglieder Kommunalpolitik erst zu lernen hatten. Diejenigen, die Grün gewählt haben, weil sie sich Veränderungen erhofft haben, wird das nicht befriedigen. Für die Grünen eine gefährliche Entwicklung – erst recht kurz vor einer Wahl.

Die politische Arbeit kam zunächst nicht recht in Fahrt. Einer der ersten Beschlüsse – ein zentrales Feuerwerk zu Silvester samt Böllerverbot für Privatleute – wurde unlängst als rechtlich nicht haltbar kassiert. Zwar entstanden im ersten halben Jahr des Bündnisses einige neue, schon lange beschlossene Radwege. Doch große Schritte in Sachen Klima-, Energie- und Verkehrswende blieben aus. Und in zentralen Zukunftsfragen wie dem Ausbau der Ost-West-Achse (Linie 1) liegen die Bündnispartner ohnehin über Kreuz.

„Wir hatten einen holprigen Start, kommen jetzt aber besser in Fahrt“, sagt der langjährige Ratsherr Ralf Unna, der die Sondierungsergebnisse scharf kritisiert hatte. Gründe für die Anlaufprobleme gibt es einige: Die Vorsitzende Christiane Martin ist neu im Geschäft, sie war vorher in der Bezirksvertretung Ehrenfeld aktiv. Dazu sagt ein Fraktionsmitglied der CDU: „Das sind deutlich größere Fußstapfen im Rat. Das merkt man. “

16 der 26 grünen Ratsmitglieder sind neu dabei, müssen sich erst orientieren. Anders als die Altvorderen gehen sie teils kompromissloser ran, ein CDU’ler nennt sie „Heißsporne“. Hinzu kommt: Wegen Corona gab es lange keine persönlichen Treffen. „Seit die wieder möglich sind, läuft es besser“, so Unna.

Traumstart für die CDU, danach Selbstzerfleischung

Anfangs habe CDU-Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau „vor Kraft kaum laufen können“, heißt es im Rathaus – schließlich habe er für die Union nach dem schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten als neuer Juniorpartner der Grünen sehr viel herausgeholt im Kooperationsvertrag. Trotzdem gibt es Kritik. Ein CDU-Mitglied sagt Richtung Grüne: „Wir sind viel damit beschäftigt, Verbote und Unterlassungen zu verhindern und zu regulieren.“ Das sei eigentlich keine CDU-Politik. Andere sagen, das Bündnis verliere sich zu sehr in Details. Nach gutem Start begann die CDU, sich zunehmend mit sich selbst zu beschäftigen. Die wachsende Kritik an Petelkau, die Gegenkandidatur von Thomas Breuer als Parteichef, schließlich die äußerste knappe Wiederwahl von Petelkau mit nur 52 Prozent haben Petelkaus Position geschwächt. Er selbst sagt: „Das Bündnis steht eindeutig für Kontinuität. Mit den Entwicklungsplanungen für Schule, Kultur und Sport haben wir in der Vergangenheit klar den Rahmen vorgegeben, in dem aktuell konkrete Maßnahmen umgesetzt werden.“ So würden etwa die „sehr erfolgreichen Schulbaupakete abgearbeitet“.

Fall Kienitz belastet das Bündnis

Im ersten halben Jahr ging es oft um Personal, fünf Dezernentenstellen mussten neu besetzt werden – was bei CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz spektakulär misslang. Nach viel Hickhack zog er als neuer Stadtentwicklungsdezernent zurück. Dass die Ratsgrünen ihn mitwählten, obwohl er an der Stadtwerkeaffäre beteiligt war, stößt bei der Grünen Jugend auf Kritik. Sprecher Sami Chakkour: „Das hat bei unseren Wählern einen Vertrauensverlust verursacht.“ Die Grüne Jugend hatte die Partei 2020 aufgefordert, ein Bündnis „links der CDU“ – also mit der SPD – zu suchen. Zähne zeigten die Grünen erstmals bei der geplanten Besetzung des Amtsleiterpostens bei Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos). Presseamtschef Alexander Vogel, Mitglied der FDP, sollte die Stelle auf Rekers Wunsch übernehmen, doch die Grünen-Fraktion war dagegen. Sie monierte, das sei so, als müsse die CDU ein Linken-Mitglied akzeptieren. Vergessen waren die öffentlichen Bekundungen, bei der Stellenbesetzung solle das Parteibuch keine Rolle spielen.

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