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CoronaVerfassungsrechtler hält Einführung von Impfpflicht für unausweichlich

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Welche Corona-Maßnahmen sind rechtlich haltbar, welche nicht? 

Karlsruhe – Die dramatisch steigenden Corona-Zahlen zwingen die Politik zum Handeln. Und wieder ist da die große Frage: Welche Maßnahme hält vor den Gerichten stand, welche nicht? Ein Überblick über den Stand der Dinge aus rechtlicher Sicht.

Dürfen Ungeimpfte strikteren Beschränkungen unterworfen werden?

Hier scheint unter Rechtsexperten niemand ein Problem zu sehen. Andersherum: Als im Frühjahr mehr und mehr Menschen geimpft waren, wurde schnell der Ruf laut, diesen mehr Freiheiten zu gewähren. Das Grundgesetz macht auch gar nicht die Vorgabe, dass alle immer gleich behandelt werden müssen. Für eine unterschiedliche Behandlung muss es nur einen Sachgrund geben.

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Wenn es hart auf hart kommt – wären Einschränkungen für alle möglich?

Rechtsprofessorin Anna Katharina Mangold von der Universität Flensburg, die im Frühjahr selbst eine Verfassungsbeschwerde gegen die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen unter der Bundes-Notbremse verfasst hat, hält aktuell „flächendeckende und kontaktbeschränkende Maßnahmen gegenüber der gesamten Bevölkerung“ für zulässig – „also gegenüber geimpften wie ungeimpften Personen“.

Denn überfüllte Intensivstationen bedrohten potenziell die Gesundheit aller Menschen. Die Juristin Andrea Kießling von der Ruhr-Uni Bochum meint dagegen, es müsse differenziert werden. „Einfach pauschal irgendwelche Dinge anordnen, die dann für alle Personen uneingeschränkt gleich gelten, das geht nicht mehr“, sagte sie „Zeit Online“.

Und eine Impfpflicht für alle oder bestimmte Berufe?

Kießling hat „da keine verfassungsrechtlichen Bauchschmerzen“. Hinnerk Wißmann von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster empfiehlt in einer aktuellen Stellungnahme für das Gesetzgebungsverfahren im Bundestag, die Impfpflicht in Betracht zu ziehen, „bevor etwa allgemeine Lockdowns für Schulen oder Hochschulen in Betracht kommen“. Er bezeichnet diese als „milderes Mittel“.

Der Verfassungsrechtler Christian Pestalozza hält die Einführung einer Corona-Impfpflicht unter bestimmten Voraussetzungen  für unausweichlich. Wenn die „kleinen Hilfsmaßnahmen“ zur Bekämpfung der Pandemie nicht ausreichten, sei die Politik „sogar verfassungsrechtlich zu strengeren Maßnahmen“ wie der Impfpflicht verpflichtet, sagte Pestalozza dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Sollte eine berufsgruppenspezifische Impfpflicht nicht ausreichen, sei auch eine allgemeine Impfpflicht zulässig.

„Die Politik muss sich fragen, wie viele Corona-Tote sie noch hinnehmen will und wie hoch die Inzidenzen steigen sollen, bis eine Impfpflicht kommt“, sagte Pestalozza dem RND. Zur Durchsetzung einer solchen Impfpflicht könnten nach seinen Worten Sanktionen wie Bußgelder bei Verstößen eingeführt werden. Pestalozza räumte ein, dass ein Gesetz für eine Impfpflicht vor dem Bundesverfassungsgericht landen könnte. Die Politik dürfe aber „nicht aus Sorge vor Verfassungsgericht die Hände in den Schoß legen“. 

Braucht es weiter die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“?

Ihre Feststellung ist Voraussetzung, um eine Vielzahl von Maßnahmen aus dem Infektionsschutzgesetz wie Ausgangs- und Reisebeschränkungen anordnen zu können. Die angestrebte Ampel-Koalition will die epidemische Lage nicht über den 25. November hinaus verlängern, den Ländern aber auf andere Weise einen Teil der Schutzmaßnahmen ermöglichen.

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Hierüber wird unter Juristen gerade heftig gestritten. Der Bielefelder Rechtsprofessor Franz C. Mayer meint: „Die Feuerwehr wirft mitten im Einsatz Teile ihrer Ausrüstung ins Feuer.“ Ferdinand Wollenschläger von der Uni Augsburg hält es für „rechtlich nicht geboten“, den Katalog möglicher Schutzmaßnahmen derart zusammenzustreichen. Andere Experten finden den Zeitpunkt richtig. (dpa/afp)

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