Abo

Frage des TagesSollen Sportwaffen eingeschränkt werden?

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Nach den Morden von Hanau wird der Ruf nach einem restriktiveren Waffenrecht immer lauter.

  • Gut 1,3 Millionen Menschen sind hierzulande in Schützenvereinen aktiv.
  • Sobald einer aus ihren Reihen zum Mörder wird, stehen alle im Fokus.
  • Politiker fragen: Sollen Privatleute Schusswaffen oder Munition, die sie „sportlich“ nutzen, überhaupt zu Hause lagern dürfen?

Hanau/Wiesbaden/Kassel – Schüsse, Tote, der rassistische und wohl psychisch kranke Täter kommt aus dem eigenen Schützenverein. Reiner Weidemann weiß, was das für Folgen hat. Er ist Vorsitzender des Schützenclubs 1952 Sandershausen. In dem nordhessischen Verein trainierte Stephan E., der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

Dass am Mittwoch in Hanau erneut ein Sportschütze zum Mörder wurde und neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschoss, nimmt auch Weidemann mit. Alles werde wieder aufgewühlt, sagt er. Der Todesschütze trainierte im Schützenverein Diana Bergen-Enkheim in Frankfurt.

Wie sehen die Schützenvereine die Situation?

Alles zum Thema Deutscher Bundestag

Die Vereine versuchen offen mit solchen Vorfällen umzugehen. Weidemann stand nach der Festnahme des mutmaßlichen Lübcke-Mörders vor dem Tor seines Schützenhauses und sprach mit der Presse. Damals wie heute beteuert er: „Wir achten sehr auf Sicherheit und anständige Leute.“ Umso härter treffe es einen, wenn ein Sportschütze zum Mörder werde. „Da fragt man sich, ob man was übersehen hat.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Das Schützenwesen hat in Deutschland Tradition. Es steht auf der Unesco-Liste für immaterielles Kulturerbe. Gut 1,3 Millionen Mitglieder hat der Deutsche Schützenbund (DSB). Sobald einer der ihren zum Mörder wird, laufen die Debatten reflexartig ab: Erst kommen Rufe nach Verschärfungen des Waffenrechts, dann die Erwiderung der Schützen, dass Deutschland bereits eines der strengsten Waffengesetze habe.

Wie äußert sich die Kritik an den Schützen?

Für die Initiative „Keine Mordwaffen als Sportwaffen“ ist der DSB Teil einer Waffenlobby, die Gefahren bagatellisiere und wirksame Waffenrechtsverschärfungen verhindere. Die Bewegung entstand nach dem Amoklauf von Winnenden und fordert ein Verbot tödlicher Sportwaffen.

Was hat die schwarz-rote Bundesregierung vor?

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte eine neue Überprüfung des Waffenrechts an. Das ist gerade verschärft worden. So müssen die Behörden nun beim Verfassungsschutz nachfragen, bevor sie Waffenerlaubnisse vergeben.

Welche Reaktionen gibt es auf diesen Vorstoß?

Kritikern geht das nicht weit genug. „Tödliche Schusswaffen gehören nicht in die Wohnungen von Privatpersonen“, fordert die Bürgerrechtsbewegung „Humanistische Union Marburg“. Der frühere Grünen-Chef Jürgen Trittin schlägt vor, dass Sportschützen ihre Waffen nicht mehr mit nach Hause nehmen dürfen. Seine Fraktion im Bundestag regt auch an, dass Munition nur noch gelagert werden darf, wo auch geschossen werden darf.

Was entgegnet wiederum der Schützenbund?

Der Schützenbund kennt solche Forderungen – und hält dagegen. „Das ist quasi ein Lockangebot für jeden, der durch einen Einbruch an Waffen herankommen will“, sagt Robert Garmeister, DSB-Leiter für Recht und Verbandsentwicklung. Bisher gibt es beide Varianten – die Aufbewahrung zu Hause und im Vereinsheim. Garmeister betont, dass Verbrechen wie in Hanau auch Schützen erschüttern. Angesichts einer solchen Tat die Interessen als Sportschützen angemessen zu vertreten, „fällt sicherlich sehr schwer“.  Doch weitere Restriktionen seien nicht sinnvoll: „Gegen menschliches Fehlverhalten und kriminelle Energie helfen die besten Gesetze nicht“, sagt Garmeister. Weitere gesetzliche Restriktionen würden zusätzliche bürokratische und finanzielle Hürden aufbauen. Diese gefährdeten die Zukunft des Schießsports und Schützenwesens als Kulturgut.

Bundesweite Proteste gegen Rechtsextremismus

Nach dem Mordanschlag von Hanau haben am Wochenende bundesweit Tausende Menschen gegen Rassismus und Rechtsextremismus demonstriert. In Hanau selbst organisierte am Samstag ein breites Bündnis verschiedener Gruppen eine Kundgebung. Im Anschluss setzte sich ein Demonstrationszug mit mehr als 3000 Menschen durch die Stadt in Bewegung, der zu einem der Tatorte führte. Familienmitglieder der Opfer äußerten sich. Die Tat sei ein barbarischer Akt und ein Angriff auf die ganze Gesellschaft, sagte ein Angehöriger. Die Gesellschaft müsse zusammenstehen.

Auch in Nordrhein-Westfalen gingen am Wochenende Tausende Menschen zu Mahnwachen und Kundgebungen gegen Rechts auf die Straße. In Köln und Düsseldorf kamen jeweils mehr als tausend Menschen zusammen, weitere Demonstrationen gab es unter anderem auch in Dortmund, Bielefeld und Bonn. (dpa, epd)

Standpunkt

Die NRW-Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat in den deutschen Sicherheitsbehörden Spezialabteilungen und Task-Forces zur Überwachung von Rechtsextremisten gefordert. Die Meldestellen für antiislamische und antisemitische Vorfälle müssten ausgebaut werden, erklärt die Ex-Justizministerin in einem „Konzeptpapier Rechtsextremismus“. Zudem brauche es dafür flächendeckend Zuständigkeiten in den Staatsanwaltschaften. In der Ausbildung für Polizisten und Staatsanwälte sei ein verstärkter Fokus auf Rechtsextremismus nötig. (dpa, epd)

Rundschau abonnieren